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Top Rezension
Marlene, nicht Dame Edna
Ein Parfum der Extreme: Paris 1944, das Pflaster hallt noch unter den Stiefeln der abziehenden deutschen Soldaten wider, aber die kreative Energie der Hauptstadt beginnt sich schon zu sammeln. Aus subversiver wird offene Provokation.
Robert Piguet, ein junger avantgardistischer Couturier plant eine Schau seiner neuesten Kollektion – sie soll schockieren, und sie wird es. Die Models auf dem Catwalk tragen schwarze Masken, blitzende Messer und Attrappen von Pistolen - Ganoven in Frauenkleidern. Das Parfum zu dieser Provokation liefert ihm eine junge, ebenso avantgardistische wie ihr Genre revolutionierende Künstlerin: die Parfumeurin Germaine Cellier. Sie sollte die erste berühmte weibliche ‚Nase’ werden und mit ihren unkonventionellen Kreationen ganze Generationen ihr nachfolgender Parfumeure beeinflussen. Ihrer Kunst besaß ein besonderes Merkmal: Chuzpe – Mut und Unerschrockenheit etwas zu wagen, von dessem Gelingen sie überzeugt war. Vorallem ihre frühen Werke zeugen davon: Vent Vert, Fracas und eben: Bandit. Sie konterte mit großer Geste die fein austarierten, überraffinierten und kaum mehr dechiffrierbaren Düfte eines Ernest Beaux, eines Jacques Guerlain, Ernest Daltroff oder Jean Carles. Dabei stellte sie bis dahin kaum hervorgetretene Noten exponiert in den Mittelpunkt, indem sie diese fast in Überdosis in ihren Formeln herausstrich – so soll sie für Vent Vert fast 8% Galbanum verwendet haben, für Fracas einen unerhört hohe Konzentration Tuberose und für Bandit ein damals ziemlich neues, recht aggressives Aroma-Duftmolekül namens ‚Isobutyl Quinoline’. Mit der Verwendung dieses rauchig-ledrig riechenden Moleküles in hoher Dosis schuf sie nebenbei ein neues Genre: das Leder-Chypre. Später variierte sie dieses Thema einmal mehr mit Jolie Madame. Bernard Chant nahm es mit Cabochard wieder auf, entwickelte es mit Aramis und Azurée weiter und spätestens in den siebziger Jahren hatte jedes Haus sein Leder-Chypre im Portfolio. Germaine Cellier aber war die Pionierin, sie war es, die das berühmt-berüchtigte Bandit schuf, ihr erstes Meisterwerk, von dem Luca Turin behauptet, es sei noch heute: „...still several unlit streets ahead of every ohter leather-chypre around.“
Bis in die siebziger Jahre hinein wurde es praktisch unverändert produziert, schließlich eingestellt – warum auch immer. Über 20 Jahre später erwarb der amerikanische Konzern Alfin Frafrances Inc. die Rechte an Parfums Robert Piguet und brachte Bandit als Eau de Toilette wieder auf den Markt, ebenso wie Fracas, sowie ein obskures Fracas pour Homme. Heute wird das Label Piguet von Fashion Fragrances & Cosmetics Ltd. New York vertrieben und Bandit wurde zwischenzeitlich erneut reformuliert. Ein Zertifikat auf der Box des Parfums versichert es handle sich diesmal um die originale Formel von 1944, gez. der Präsident von Givaudan. Man mag es glauben, oder nicht. Die Tatsache, dass einige Inhaltstoffe die Cellier verwendete nicht mehr produziert werden, lässt vermuten, dass dem nicht ganz so ist. Wie auch immer, vergleicht man die verschiedenen Ausführungen, so stellt man fest – sie sind sich doch recht ähnlich. Das wiedereingeführte Bandit von Alfin ist das mit Abstand ledrigste und wurde dementsprechend in den folgenden Jahren auch als ‚pour Homme’-Version gehandelt. Das neue Bandit (EdP) ist das bisher blumigste, während das original Bandit exakt dazwischen liegt: nicht ganz so ledrig wie das EdT von Alfin und nicht ganz so blumig wie das neue EdP. (Vor einiger Zeit habe ich via Ebay einen richtig alten Flakon von Bandit in extrem guter Verfassung und ohne erkennbare Alterungserscheinungen erstanden).
Seinem androgynen, dabei glamourösen Charakter gemäß wird Bandit häufig mit Marlene Dietrich, der Pionierin in Sachen maskuliner Feminität, assoziiert - ebenso wie Tabac Blond oder Knize Ten, zwei weiteren Lederdüften mit ähnlich maskulinem Charakter, besonders Knize Ten. Aber während der Caron-Duft sich einer Zueignung zu einem Geschlecht zu entziehen versucht, verharrt Bandit in seinem Spagat zwischen femininer Aura und maskulinem Habitus. Es versucht erst gar nicht diese scheinbaren Gegensätze zu überwinden, sondern stellt sie offen zur Schau.
Auf einen frischen, grünen Anfangsakkord von Galbanum, Neroli und Bergamotte folgt ein Blumenbouquet von Jasmin, Rose und Tuberose, auf einer Basis von erdigem Vetiver, Patchouli, Eichenmoos, Leder und Moschus. Scharf-Blumiges und bitter-Ledriges sind die großen Gegensätze: ein Parfum der dramatischen Kontraste! Auch eines für ‚Drama-Queens’? Oh ja, für weibliche, wie männliche, die gibt es ja in beiden Ausführungen! Einer Freundin von mir, selbst bekennende ‚Drama-Queen’, empfindet Bandit gar als zu dramatisch für die meisten Situationen, schätzt es aber dennoch. Nun, man ist ja auch nicht unentwegt dramatisch....
Bei allem Kontrastreichtum ist Bandit eines aber nicht: schrill. Auch Marlene war ja nicht schrill, und dieses Parfum ist nun wirklich Marlene: mit Smoking, Zylinder und Zigarette – eine Diva im elegantesten männlichen Outfit. Keine Drag-Queen mit kreischigem Make-up, Strassbrille und schrägem Fummel. Eben Marlene, nicht Dame Edna.
Denn trotz schwarzer Masken und martialischer Bewaffnung verkörperten Robert Piguets Models 1944 auf dem Catwalk ganz sicher auch eines: eleganten französischen Stil – ganz wie Bandit! (Auch der schwarze, kubische Flakon ist überaus elegant!)
Übrigens, das Herren-Lifestyle- und Modemagazin ‚GQ’ hat vor einiger Zeit seinen männlichen Lesern dieses Parfum offeriert, zusammen mit dem Hinweis, dass, wer schon immer einen Duft gesucht habe der etwas ganz besonderes sei, etwas Edles und Elegantes, etwas, das den Träger aus der Masse heraushebt, dass dieser mit Bandit genau das gefunden habe! Bin mal gespannt, ob ich eines Tages einen Mann treffen werde, der es trägt! Wäre interessant Bandit an ihm zu riechen, denn ich kenne es bisher nur von mir.
Robert Piguet, ein junger avantgardistischer Couturier plant eine Schau seiner neuesten Kollektion – sie soll schockieren, und sie wird es. Die Models auf dem Catwalk tragen schwarze Masken, blitzende Messer und Attrappen von Pistolen - Ganoven in Frauenkleidern. Das Parfum zu dieser Provokation liefert ihm eine junge, ebenso avantgardistische wie ihr Genre revolutionierende Künstlerin: die Parfumeurin Germaine Cellier. Sie sollte die erste berühmte weibliche ‚Nase’ werden und mit ihren unkonventionellen Kreationen ganze Generationen ihr nachfolgender Parfumeure beeinflussen. Ihrer Kunst besaß ein besonderes Merkmal: Chuzpe – Mut und Unerschrockenheit etwas zu wagen, von dessem Gelingen sie überzeugt war. Vorallem ihre frühen Werke zeugen davon: Vent Vert, Fracas und eben: Bandit. Sie konterte mit großer Geste die fein austarierten, überraffinierten und kaum mehr dechiffrierbaren Düfte eines Ernest Beaux, eines Jacques Guerlain, Ernest Daltroff oder Jean Carles. Dabei stellte sie bis dahin kaum hervorgetretene Noten exponiert in den Mittelpunkt, indem sie diese fast in Überdosis in ihren Formeln herausstrich – so soll sie für Vent Vert fast 8% Galbanum verwendet haben, für Fracas einen unerhört hohe Konzentration Tuberose und für Bandit ein damals ziemlich neues, recht aggressives Aroma-Duftmolekül namens ‚Isobutyl Quinoline’. Mit der Verwendung dieses rauchig-ledrig riechenden Moleküles in hoher Dosis schuf sie nebenbei ein neues Genre: das Leder-Chypre. Später variierte sie dieses Thema einmal mehr mit Jolie Madame. Bernard Chant nahm es mit Cabochard wieder auf, entwickelte es mit Aramis und Azurée weiter und spätestens in den siebziger Jahren hatte jedes Haus sein Leder-Chypre im Portfolio. Germaine Cellier aber war die Pionierin, sie war es, die das berühmt-berüchtigte Bandit schuf, ihr erstes Meisterwerk, von dem Luca Turin behauptet, es sei noch heute: „...still several unlit streets ahead of every ohter leather-chypre around.“
Bis in die siebziger Jahre hinein wurde es praktisch unverändert produziert, schließlich eingestellt – warum auch immer. Über 20 Jahre später erwarb der amerikanische Konzern Alfin Frafrances Inc. die Rechte an Parfums Robert Piguet und brachte Bandit als Eau de Toilette wieder auf den Markt, ebenso wie Fracas, sowie ein obskures Fracas pour Homme. Heute wird das Label Piguet von Fashion Fragrances & Cosmetics Ltd. New York vertrieben und Bandit wurde zwischenzeitlich erneut reformuliert. Ein Zertifikat auf der Box des Parfums versichert es handle sich diesmal um die originale Formel von 1944, gez. der Präsident von Givaudan. Man mag es glauben, oder nicht. Die Tatsache, dass einige Inhaltstoffe die Cellier verwendete nicht mehr produziert werden, lässt vermuten, dass dem nicht ganz so ist. Wie auch immer, vergleicht man die verschiedenen Ausführungen, so stellt man fest – sie sind sich doch recht ähnlich. Das wiedereingeführte Bandit von Alfin ist das mit Abstand ledrigste und wurde dementsprechend in den folgenden Jahren auch als ‚pour Homme’-Version gehandelt. Das neue Bandit (EdP) ist das bisher blumigste, während das original Bandit exakt dazwischen liegt: nicht ganz so ledrig wie das EdT von Alfin und nicht ganz so blumig wie das neue EdP. (Vor einiger Zeit habe ich via Ebay einen richtig alten Flakon von Bandit in extrem guter Verfassung und ohne erkennbare Alterungserscheinungen erstanden).
Seinem androgynen, dabei glamourösen Charakter gemäß wird Bandit häufig mit Marlene Dietrich, der Pionierin in Sachen maskuliner Feminität, assoziiert - ebenso wie Tabac Blond oder Knize Ten, zwei weiteren Lederdüften mit ähnlich maskulinem Charakter, besonders Knize Ten. Aber während der Caron-Duft sich einer Zueignung zu einem Geschlecht zu entziehen versucht, verharrt Bandit in seinem Spagat zwischen femininer Aura und maskulinem Habitus. Es versucht erst gar nicht diese scheinbaren Gegensätze zu überwinden, sondern stellt sie offen zur Schau.
Auf einen frischen, grünen Anfangsakkord von Galbanum, Neroli und Bergamotte folgt ein Blumenbouquet von Jasmin, Rose und Tuberose, auf einer Basis von erdigem Vetiver, Patchouli, Eichenmoos, Leder und Moschus. Scharf-Blumiges und bitter-Ledriges sind die großen Gegensätze: ein Parfum der dramatischen Kontraste! Auch eines für ‚Drama-Queens’? Oh ja, für weibliche, wie männliche, die gibt es ja in beiden Ausführungen! Einer Freundin von mir, selbst bekennende ‚Drama-Queen’, empfindet Bandit gar als zu dramatisch für die meisten Situationen, schätzt es aber dennoch. Nun, man ist ja auch nicht unentwegt dramatisch....
Bei allem Kontrastreichtum ist Bandit eines aber nicht: schrill. Auch Marlene war ja nicht schrill, und dieses Parfum ist nun wirklich Marlene: mit Smoking, Zylinder und Zigarette – eine Diva im elegantesten männlichen Outfit. Keine Drag-Queen mit kreischigem Make-up, Strassbrille und schrägem Fummel. Eben Marlene, nicht Dame Edna.
Denn trotz schwarzer Masken und martialischer Bewaffnung verkörperten Robert Piguets Models 1944 auf dem Catwalk ganz sicher auch eines: eleganten französischen Stil – ganz wie Bandit! (Auch der schwarze, kubische Flakon ist überaus elegant!)
Übrigens, das Herren-Lifestyle- und Modemagazin ‚GQ’ hat vor einiger Zeit seinen männlichen Lesern dieses Parfum offeriert, zusammen mit dem Hinweis, dass, wer schon immer einen Duft gesucht habe der etwas ganz besonderes sei, etwas Edles und Elegantes, etwas, das den Träger aus der Masse heraushebt, dass dieser mit Bandit genau das gefunden habe! Bin mal gespannt, ob ich eines Tages einen Mann treffen werde, der es trägt! Wäre interessant Bandit an ihm zu riechen, denn ich kenne es bisher nur von mir.
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