Bandit Suprême 2020

Josefka
15.04.2021 - 12:42 Uhr
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Top Rezension

Gehe vom Wald durch den Tigerkäfig zum Ledersessel!

Germaine Cellier kreierte 1944 mit Bandit einen Chypre-Klassiker. 2012 wurde der Duft reformuliert auf den Markt gebracht. Nun versuchen die Marke Robert Piguet und ihr Hausparfumeur Aurelien Guichard mit Bandit Suprême die Magie des Originals wiederzuerschaffen. Ich habe weder Celliers Werk noch den 2012er bisher testen können, aber Bandit Suprême hat mich voll gepackt. Ich finde ihn grandios.
Gleich nach dem ersten Aufsprühen stehe ich nackt im Wald. Holz, moosbedeckter Boden, frisches, bitteres Ur-Grün in seiner wildesten Form umgibt mich. Und wenn ich sage bitter, dann meine ich bitter. Das hier verwendete Galbanum macht keine Gefangenen, sondern hält dir die Pistole direkt an die Brust. Das in der Zutatenliste erwähnte Neroli hingegen kann ich auf meiner Haut nicht ausmachen.
In der nun folgenden Phase des Duftes wird es deutlich animalischer, und plötzlich stehe ich mitten im Tigerkäfig. Holla, hier ist aber jemand auf Krawall gebürstet! Es riecht nach krustigem Fell und nicht mehr ganz frischem Stroh. Beim ersten Tragen bildete ich mir in dieser Phase eine Ähnlichkeit mit YSLs Kouros ein, musste aber sogleich beim direkten Vergleich revidieren: der Kouros ist süßer und tendiert mit seinem Funk eher in Richtung „öffentliche Badeanstalt“.
Die jetzt einsetzende Phase zwischen Mitte und Basis gefällt mir mit am besten, denn jetzt kommt das Leder zum Vorschein. Es ist ein animalisches, verbrauchtes Leder, wie bei einem alten, durchgesessenen Ledersessel (eher braun als schwarz), der seit Jahren in einer Ecke des Zimmers steht und auf dem schon viel gelebt wurde. Schweiß und werweiß andere Flüssigkeiten sind vom Leder aufgesogen worden, es ist aufgebrochen und fleckig. Toll! Orangenblüte und Jasmin, wie in der Duftpyramide angegeben, entziehen sich mir zwar, vielleicht aber trägt die Indolik des Jasmins zur Verruchtheit des Duftes bei.
In Richtung Basis setzt sich der Duft dann etwas, wird geschmeidiger, Patchouli, Ambroxan, Moschus und Eichenmoos übernehmen das Ruder und machen Bandit Suprême deutlich sanfter, runder und gefälliger.
Die Haltbarkeit von BS ist überirdisch. Am Morgen aufgesprüht, kann ich den Duft am nächsten Morgen unter der Dusche noch deutlich auf dem Arm riechen.

Auch wenn ich also die Vorgänger nicht kenne: diese Neuformulierung kommt ganz schnell auf meine Wunschliste. Luca Turin schreibt über die 2012er-Version, sie sei sicher nicht das Original, aber immer noch mehrere unbeleuchtete Straßen im Vorsprung gegenüber allen anderen Leder-Chypres. Genau das Gleiche würde ich von Bandit Suprême behaupten. Allen, die Chypres, Leder und Animalik lieben, sei ein Test sehr ans Herz gelegt.
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