Great Britain 2015

Serenissima
13.04.2021 - 05:22 Uhr
14
Hilfreiche Rezension
9
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
8
Duft

Anlass zum Feiern

Meinen letzten Kommentar über "Opera" von Xerjoff habe ich recht schnell gelöscht; deshalb wird er auch vergeblich angekündigt.
Bereits die erste Antwort war verletzend und zeigte, wie wenig Wertschätzung dieses "Opus" finden würde. Bekanntlich ist der Auftakt richtungsweisend und leider hält dieser Trend dann an!
Wer sieht schon gern, etwas, das sorgsam und liebevoll komponiert wurde, den Bach hinuntergehen?

Deshalb suchte ich mir als nächstes "Opfer meiner Schreibe" einen der Roja-Düfte aus.
Diese Marke polarisiert und bietet immer eine Diskussionsplattform.
So manch einer kauft diese Düfte des Preises wegen; die Flakons machen sich u. a. so gut in der Vitrine!
Dagegen meiden sie andere und würden sie vielleicht sogar gern auf dem Index sehen; schon weil sie sich am Herkommen des Unternehmens stoßen.
Dabei sind doch gerade einige Spritzer dieser Duft-Giganten meist eine "Reise ins Abenteuerland"!
Und diesen Duftreisen folgen dann die wahren Liebhaber.

2012 in Großbritannien! Welch ein Jahr!
Die Olympischen Spiele fanden statt, großartig eröffnet und erfolgreich; die Queen feierte ihr diamantenes Thronjubiläum:
60 Jahre im Dienst für ihr Land!
Der Marsch "Pomp and Circumstance" von Edgar Elgar müsste jetzt eigentlich erklingen!
Eine beeindruckende Frau, der zurzeit meine tiefe Anteilnahme gehört.
Auch ich weinte einige Tränen um Prinz Philip.

Roja Parfums bekam den Auftrag, einen diesen Festivitäten angemessenen Duft zu kreieren.
So entstand "Great Britain".
Die wirbelnde Kapitale, in der "mein lieber Albert" immer noch präsent ist, hinter sich lassend, führt die Duftreise aufs Land.
Die natürliche Weite der Landschaft in ihren unterschiedlichen Grün- und Brauntönen bietet sich frisch-würzige dar. Ab und zu mischt sich eine leichte Meeresbrise ein.

Salbei aus dem alten Küchengarten des nahegelegenen Herrenhauses übernimmt die Führung.
Im windgeschützten, sonnendurchfluteten Laubengang empfangen uns große Kübelpflanzen; natürlich dürfen auch hier Bergamotte und Zitrone nicht fehlen.
Sie begrüßen mit freundlichen Duftschwaden; harmonieren in ihrer Frische sehr gut mit des Salbeis immer ein wenig kantiger Würze.
Von hier aus betreten wir einen der typischen englischen Gärten: begrenzt von einem kleinen Wäldchen und einem munter fließendem Bächlein dehnt er sich leicht wellig aus.
Reich blühende Mairosen und herrlicher großblütiger Jasmin erinnern an den nahenden Sommer.
Sie begleiten uns freundlich plaudernd mit ihren Duftschwaden, bevor wir in den dunkelgrünen, herb und erdig duftenden Baumschatten treten.
Holzig und moosig werden wir dort begrüßt; am Rande eines kleinen Weihers blühen die ersten Iris: stolz und ganz gerade stehen sie da. Ihre Gesichter dem zwischen dem Laub spielenden Sonnenlicht entgegengereckt, verströmen auch sie ihr pudriges Aroma.
Pummelige Nester kleiner Veilchen bedecken den Waldboden: es duftet nach ursprünglicher Natur; ein bisschen rustikal nach all der blumigen Frische, der wir zuvor begegneten und die uns immer noch wie ein leichter Schal begleitet.
Das teilweise verweste Laub des Vorjahres, die Kraft des jungen Grüns von Büschen und Bäumen und das leicht brackige Wasser des kleinen Weihers erzeugen eine balsamische, leicht moschus-lastige Atmosphäre. Viele der Duftnoten der Pyramide spielen in diesem Duftensemble mit.
Abschließend wartet in der Bibliothek des herrschaftlichen Besitzes, zusammen mit dem Hausherrn ein kleiner Imbiss auf uns.
Das obligate Teetablett wird gerade hereingebracht, als wir ein heimeliges holzgetäfeltes Reich der Kontemplation und der Gespräche betreten.
Dieser Raum atmet sattes, gut gepflegtes altes Holz mit einem Hauch von Bienenwachs, den Zauber alter Bücher und die vielen Geschichten gelebten Lebens.
Ein Hauch des Kaminfeuers vom Abend zuvor hängt noch in der Luft; lag hier wohl einer der Hunde und genoss dessen wohltuende Wärme?
Holz, Papier, Leder und Leben: Wie viele Menschen haben in diesen tiefen, alten Ledersesseln gesessen? Gelesen, geraucht, bei ihren Drinks diskutiert oder einfach nur wie wir Tee getrunken, nachdem wir die duftende Schönheit des Anwesens genießen durften.

"Great Britain" ist eine Einladung, die duftenden Aromen und Geschichten eines ländlichen Herrensitzes zu erleben.
Frisch und blumig, holzig und würzig, mit einer angenehm verlebten Ledernote im Finale:
All das wurde gekonnt eingefangen und in einem der typischen Roja-Flacons verschlossen.
Ausgestattet mit einer gewaltigen Haltbarkeit, langlebig wie britische Traditionen.

Ich habe diesen Ausflug in das englische Leben genossen; dieser wird sich nicht jeden Tag wiederholen. "Great Britain" ist auch schon weitergereist.
Aber zum Abschluss nehme ich gern noch eine Tasse Tee und lehne mich bequem in einem dieser großen Ledersessel zurück, wobei ich dem leichten Smalltalk des Gastgebers lausche.
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