Reckless 2011 Parfum

Eyris
09.01.2021 - 15:17 Uhr
14
Sehr hilfreiche Rezension
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft

Gartenfest in lauer Sommernacht

Zunächst einmal muss erwähnt werden, dass von Reckless zwei verschiedene Versionen existieren: eine ältere, mit hellgelber Flüssigkeit und deutlich von Aldehydem geprägtem Duft, und die neue Variante, von eher rötlicher Farbe und einem schweren, süßlicheren Geruch. Da es zur alten Version bereits einen sehr guten Kommentar gibt, möchte ich mich im Folgenden auf die momentan erhältliche Reformulierung konzentrieren.

Der Auftakt ist ungewöhnlich: es deutet sich zwar bereits an, dass bald ein opulenter Blumenstrauß vor uns erblühene könnte, doch für einige Minuten dominiert eine Würzigkeit, die ich am ehesten als moosig, leicht erdig und bittergrün beschreiben würde. In einem Onlineshop las ich einmal Eichenmoos als angebliche Basisnote, und obwohl meine Nase dies sehr gern glauben möchte, bestätigt ein Blick in die offizielle Duftpyramide dies nicht, sodass mein Verdacht auf den Koriander fällt. Im EdP fällt mir dieser Effekt übrigens noch deutlicher auf - und für meinen Geschmack hätte dieser unkonventionelle Beginn ruhig noch ein wenig andauern können, denn er ist so konträr zu dem, was danach folgt.

Denn diese Phase hält kaum an, nur kurze Zeit später explodiert die Blumenvanillebombe, deren einzelnen Bestandteile ich schwerlich ausmachen kann. Neroli sticht noch am deutlichsten heraus, verschwimmt aber mit Mairose und Jasmin zu einem Gesamteindruck, der hier oftmals als tuberosenähnlich bis kaugummiartig beschrieben wurde. Dies kann ich gut nachvollziehen, glaube hier aber nicht tatsächlich an Tuberose, sondern vermute eher das Zusammenspiel von Neroli, Mairose und der ziemlich süßen Vanille als Ursache dieses Dufterlebnisses - in jedem Fall fehlt aber der strenge, durchdringend-indolische Teil der echten Tuberose, sodass diejenigen unter euch, die jener Blüte eher abgeneigt sind, nicht zwangsweise reißaus nehmen müssen.
Im Hintergrund schwingt eine leichte Seifigkeit und ein Fünkchen bitteres Gartengrün mit, sodass der Duft, so füllig er ist, für mich auch wunderbar in den Sommer passt.

Eine klare Entwicklung in Richtung der Basis kann ich, mit Ausnahme weiter zunehmender Süße, auch nach Stunden nicht ausmachen; Blumen und Vanille bleiben die Hauptakteure und überdauern mit Leichtigkeit 10 Stunden bei anhaltend guter Sillage, die bei vorsichtiger Dosierung jedoch nicht mit der Keule um sich schlägt.
In meiner Fantasie sehe ich Reckless an einer lebensfrohen Frau, die sich in einer lauen Sommernacht auf einem Gartenfest verliebt - oder zumindest mit dem Gedanken ans Verlieben spielt.
Aber keineswegs darf man sich Reckless als unschuldig-blümeliges Wässerchen vorstellen, vielmehr duftet er extrovertiert, weiblich und bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen Verspieltheit und Verlockung, der diesen Duft für mich so reizvoll macht.
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