28.03.2018 - 14:14 Uhr
Ergreifend
483 Rezensionen
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Sehr hilfreiche Rezension
9
Das Böse
Nachdem Melody auch schon recherchiert hat, habe ich mich auch ein wenig durch das Internet gewälzt.
Auch ich bin verwundert, über diesen ganz eigenen und skurrilen Namen - Missgeburt, etwas was nicht normal ist - etwas was abgrenzt und abstoßend ist. Ein Objekt. Gestaltlos. Oder wie ich es selbst nennen würde - schattenlos. Also nichts mit Schattenfresser? Abwarten.
Wie kommt man auf so einen Namen? Vor allem, für so einen schönen und wirklich interessanten Duft. Zugegeben, er ist schon fordernd und will provozieren. Nicht immer und überall hört man so einen Namen, für einen Duft. Da hat man sich wahrscheinlich ein paar Nächte lang die Birne zerbrochen oder es ging ganz schnell - Ein einschlagender Blitz in einer hereinbrechenden Nacht, wo man sich zuvor ausgepowert hat. Bis aufs Blut. Die Seele so richtig schmutzig werden hat lassen. Mit all den Sünden, die dazu gehören. Da wird auch nicht mit Wasser rein gewaschen. Nein, vielmehr legt man sich in eine getränkte Pfütze, die stark metallisch riecht und dazu auch noch etwas Urin im Spiel ist. Hm Lecker! Ja, so überfällt er einen. Gedanklich erstmals. Da man das Böse vermutet. Doch so blutrünstig ist er dann doch nicht. Die Gedanken spielen der Nase einen Streich. Man will etwas groteskes zuerst wahrnehmen, bevor man auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wird, wenn man merkt, dass der Inhalt jetzt nicht so sehr einer Missgeburt gleicht, sondern eher einem schön, komponierten Duftkunstwerk, welches mit schwarzen Federn auf die weiße Wand, verewigt wurde.
Ich schätze, was die Namensgebung anbelangt, war es Letzeres. Ein Geistesblitz, hervorgerufen durch starke Erregungen oder Gefühle. Aus dem Nichts, kommt so etwas nicht. Was sich wohl in dieser donnernden Nacht abgespielt hat? Ich lasse meiner tiefsten, perversesten Fantasie freien Lauf...
Amorphus Absurdum startet kräftig fruchtig,(geriebene Orangen, eingemacht in Pflaumenmus), im Hintergrund entwickelt sich schön langsam, eine süffige Note Rum. Dies wird schon schnell von einem dichten Nebel bedeckt.
Wie eine mächtige, graue Welle, ergießt sich der Nebel über die Landschaft und umschließt Körper und Seele.
Starke, dunkle Töne von Erde und Holz verbinden sich miteinander. Zuerst wirken sie sehr kalt und trocken, doch schon nach wenigen Minuten gleiten sie genüsslich zu den anderen Komponenten hinzu. Der Nebel setzt sich dabei etwas auf den Boden ab. Rauch und Harz steigen mit einer rasanten Geschwindigkeit aus der Dunkelheit empor. Eine starke Gewürzwand wird aufgezogen. Satt wird man umschlossen . Der Duft krallt sich förmlich an den Körper fest. So, als würde man Krallen, richtig tief in der Haut spüren, so dass die Haut leicht aufplatzt. Also doch böse? Ich muss zugegeben und es schaudert mich dabei, dass er mich da so richtig anmacht. Denn da hat er weite, feurige Augen, welche mich zu verschlingen drohen. Dabei eine keifende, peitschende Libido, welche sich kaum noch unter Kontrolle hält. Ja, jetzt kommt Amorphus so richtig absurd in Fahrt. Denn er bringt leichte Hiebe von animalischen Noten daher. Lässt diese an meiner Nase vorbeihaschen, so dass ich für eine kurze Zeit benommen bin. Krass! Das Harzige wirkt dabei so dicklich, dass ich kaum noch atmen kann. Der Verstand ist sowieso schon längst geraubt. Ich fühle mich, wie ein erbeutetes Raubtier.
Sekunden später bricht dann totale Nacht über mich hinein. Ich fühle mich aufgesogen, von einer dunklen, schwarzen Macht. Um mich herum peitschen wilde Töne von Harz, Rum und Erde um die Wette. Dabei werden mir auch noch knarzige süße Töne einer reifen Vanille, immer wieder gegen den Kopf geklatscht. Starke Wucht, die mich besonders schwer ins Genick trifft. Ja, die Vanille in diesem Duft hat eine enorme Kraft. Ist nicht so lasch und es dröhnt förmlich der Kopf davon. Jedoch kommt sie auch sehr schnell zur Ruhe und wird mit der Zeit cremiger. Das ist auch gut so. Denn so fließt sie schön mit den anderen durch den Verlauf und hinterlässt nicht die Keule von vorhin. All dies ist tief miteinander verbunden, dennoch , wirkt es irgendwie irre. Stark ineinander verflochten - aber in so einer Machart, welche ich noch nicht kennen lernen durfte.
Ich kann nichts sehen, dafür aber fühle ich umso mehr. Die Schweißperlen rinnen übers ganze Gesicht, tropfen auf die Füße, auf den bereits angefeuchteten Boden - ich bin so gespannt, was als Nächstes kommt. Was mich als nächstes packen wird - Zu meinem Erstaunen wird es nicht mehr dunkler - es bricht vielmehr der Morgen herein. Lichtstrahlen durchfluten allmählich das ganze Geschehen. Weiße Wände werden aufgezogen - diese aber allmählich befleckt mit schwarzen Flecken - das Böse wirkt dann doch nicht mehr so böse, wie gewünscht oder wie zuerst gedacht. Es ist vielmehr ein Spielen mit den Gedanken des Trägers, auf welches Amorphus hier aus ist. Das gelingt ihm auch gut. Denn zu guter Letzt ist er ein weicher, cremiger, anspruchsvoller Duft, der sehr warm umschließt und welcher Harze, Rauch, Rum, Holz, Frucht und Vanille stark miteinander verbindet. Dies kreuzt er halt mit der Zeit, wo er sich aufbrausen tut, mit allem Möglichen. Auf Teufel komm raus. Doch beachtlich ruhig wirkt er zum Schluss. So als würde ihm sein Gift und deshalb auch seine Power ausgehen, welcher er mir noch Anfangs verabreicht hatte.
Was soll ich sagen? Amorphus Absurdum ist keineswegs ein 0815 Duft, den man überall erhaschen kann. Nein, keineswegs! Er ist ein weiterer Meilenstein in meiner Parfumozeit, welcher mich ziemlich in Fahrt brachte. Mein Herz und meine Libido glühen noch vor lauter Euphorie über die Ausstrahlung, welche A.A. hat. Doch ich hätte mir dennoch mehr Tiefe und absolute Dunkelheit gewünscht. Es war einfach viel kurz, dunkel in meinem Kopf. Da hätte deutlich mehr abbekommen können! Deshalb gibt es von mir nicht die vollen zehn Punkte.
Böse ist er in nur wenigen Sequenzen. Da fühlt man auch so richtig das Blut rauschen- genau da wo sich die Komponente übereinander überschlagen und sich keifende Noten von Allem breit machen. Doch im Endeffekt ist er vielmehr ein Blender, welcher auch nur auf ehrliche Liebe aus ist. Also absolut keine Missgeburt.
Was die Sillage und die Haltbarkeit anbelangt, so muss ich sagen, hätte ich mir einen Schattenfresser gewünscht. Doch Amorphus pfeift auf das. Er will sich nur mit mir befassen und bleibt nahe an mir. Die Haltbarkeit hingegen ist stärker und übersteht auch eine Nacht.
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