Uomo 2016 Eau de Toilette

Matvey
15.09.2016 - 12:19 Uhr
10
Top Rezension
5
Flakon
8
Sillage
7
Haltbarkeit
6
Duft

Zwitter aus Kaffee- und Tonkabohne in Orangenlikör

Ich weiß nicht, wieso Namen wie "Uomo", "Homme", "for men" und Konsorten so beliebt bei der Vermarktung von Parfum sind. Ein Duft dieses Namens sollte meiner Meinung nach zeitlosen Stil ausstrahlen und durch eine gewisse Universalität geprägt sein, damit der Duft auch das widerspiegelt, was der Name "Mann" suggeriert: ein Herrenduft für den Tag ohne narrativen Appeal und vielleicht sogar ohne herausragendes Thema. Referenzprodukt dieser Sparte wäre für mich ein "L'homme" von YSL, das als Generalist ohne Kanten daherschreitet.

Diese Auffassung mag nicht jeder teilen, aber für mich macht sie solche Düfte von vornherein wenig interessant. Ich habe einen schon dutzende Male da gewesenen Duft im Kopf, der nicht einmal bei der Namensgebung etwas wagt. Dabei lädt "Uomo" durchaus zu aufregenderen Titeln ein, blickt man nur auf die mitgelieferten Duftnoten: Tiramisu! Wie wäre es mit "Dessert man", "Crème fraiche pour Homme" oder "Café olé"?

Uomo startet sehr angenehm und konnte in einem Testdurchlauf meine Gunst im Vergleich zu vier anderen Testdüften gewinnen. Der Auftakt gestaltet sich würzig und für eine Minute auch frisch, ehe der zitrische Einschlag verpufft und den dominanten Noten Platz macht. Aufgrund des gelisteten Kardamoms habe ich einen Vergleich mit La Nuit de L'homme von YSL angestellt und finde hier zu Beginn durchaus Parallelen. Der anfängliche Uomo gibt sich kratziger und mit dem frischen Einstieg herber als das rund-weiche La Nuit und weckt mein Interesse.

Relativ bald wird das Gastspiel der Einstiegsnoten regelrecht durch einen klebrigen, zähsüßen Strom von Gourmandnoten auseinandergerissen. In den Vordergrund tritt gezuckerter Kaffee, der in meiner Nase leider synthetisch-unrund wirkt. Der Beschreibung "Tiramisu" stehe ich übrigens argwöhnisch gegenüber. Diesen Kaffeekinderpunsch als Tiramisu zu bezeichnen, halte ich für eine nette Marketingidee ohne jegliche Substanz (wenn man sie denn wenigstens für den Namen des Duftes verwendet hätte..!). Die würzigen Startkomponenten halten sich der Zuckerbrühe zum Trotz eine gute halbe Stunde an die Seite gedrängt und können dem Kaffee noch Paroli bieten, die Dominanz des Gorumandcharakters dadurch etwas begrenzen und den Duft sympathisch unterfüttern. Dann wechselt der Duftcharakter insgesamt in einen relativ stabilen Hauptteil, der ohne größere Veränderungen ausläuft.

Nach spätestens dreißig Minuten betritt die Bühne: Tonkabohne, en masse. Sie kennt kein Pardon und poltert nach und nach die anderen Eindrücke beiseite, bis sie sich zum Schluss mit einem Rest Kaffee die Spielfläche teilt. Gute zwei Stunden noch benetzt ein Tropfen Orangenlikör das Ergebnis, eine süße Erinnerung an Zitrusfrische beisteuernd. Zum Schluss hin obsiegt die Tonkabohne und hüllt sich in ein warmes Bett aus zarter Würze und vielleicht einen Hauch Vanille.

Die Performance lässt nichts zu wünschen übrig, gute 7-8 Stunden sind locker drin, die ersten zwei Stunden entfaltet Uomo auch einen wuchtigen Dunstschleier um den Träger herum. Wuchtig deshalb, weil die süße Kaffeenote und die würzige Tonkabohne durchweg herausstechen und mit der Zeit ganz schön penetrant werden. Als süßer Duft ist Uomo allerdings ohnehin kein Kaufkandidat für mich und ich empfinde ähnliche Düfte grundsätzlich als stark.

Im Endergebnis präsentiert sich einmal mehr ein kräftig-süßer Duft mit ein paar Tonkabohnen zu viel, der damit dem Zeitgeist folgt und wohl eher auf eine junge Kundschaft ausgelegt ist. Darauf verweist auch der schwere Flakon mit seinen klobigen Gummiflanken, die kein Understatement erwarten lassen. Die Zeit wird zeigen, ob sich "Uomo" gegen die reichlich vorhandene Konkurrenz durchsetzen kann. Zugutehalten muss ich dem Duft seinen schönen Einstieg und die für einen trendig-gourmandigen Duft lobenswerte Komplexität vor allem in den ersten beiden Stunden. Der Kaffee hätte besser gelingen können. Ohne das Rad neu zu erfinden, ist ein recht gefälliger Süßling nach bewährter Rezeptur gelungen. Freunde süßer Düfte könnten mit Uomo gut und gerne einen Kandidaten für den Weihnachtswunschzettel finden. Einen interessanteren Namen hätte er allemal verdient.
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