Datura noir 2001 Eau de Parfum

loewenherz
16.01.2023 - 15:34 Uhr
43
Top Rezension
7.5
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
7
Duft

The things we do for love

Liebe, so weiß Wikipedia - und Wikipedia weiß ja alles - ist "nach engerem und verbreitetem Verständnis ein starkes Gefühl, mit der Haltung inniger und tiefer Verbundenheit zu einer Person (...), die den Zweck oder den Nutzen einer zwischenmenschlichen Beziehung übersteigt und sich in der Regel durch eine entgegenkommende tätige Zuwendung zum anderen ausdrückt."

Das ist natürlich nicht unrichtig, aber recht technisch und deshalb viel zu kurz gesprungen.

Liebe ist - mit Ausnahme ihrer Antipode, dem Hass, und ihrer gemeinsamen hässlichen kleinen Schwester vielleicht, der Eifersucht - die stärkste Empfindung, zu der wir in der Lage sind. Liebe ist verrückt. Liebe ist völlig irrational. Liebe errichtet Monumente und kann Königreiche zum Erzittern bringen. Liebe ist von allem viel zu viel, und in diesem 'viel zu viel' einer Droge gleich.

Von allem eigentlich viel zu viel ist auch Lutens' Datura Noir. Und einer Droge entlehnt auch.

Datura Noir ist kein Duft für Verliebte. Er ist ein Duft, der vielmehr in seiner Wesensart der Liebe ähnelt. Irrational. Verrückt. Als ein Parfum von allem im Grunde viel zu viel. Und daher ein Wagnis und ein Statement - da einer, der von olfaktorischer Berauschung bis zu betäubendem Kopfschmerz alles sein und alles geben kann. Datura Noir ist alles, aber kein Vielleicht.

Der Stechapfel, lateinisch 'Datura' - der hier nicht ganz richtig übersetzten Engelstrompete botanisch zwar nahe, aber nicht dasselbe - ist eine jener legendären Giftpflanzen, die Rausch versprechen (durch die psychoaktiven Alkaloide Hyoscyamin und Scopolamin), Schönheit (Unschuld suggerierende weiße Blüten) und betörend süßen Duft. Der Stechapfel mag Datura Noirs namengebender Akkord sein, doch ist er nicht der einzige, womöglich nicht einmal der prägende. Heliotrop, Tuberose und Moschus suchen und finden ihre Bühne - gebieterische, launische Wesen alle miteinander - wer macht sowas, traut sich das? Jenseits einer initial angetäuschten Ahnung von Zartheit entwickelt er eine dichte, nachgerade ölig anmutende Lieblichkeit und Schwüle, etwas Einlullendes, Dramatisches, dazwischen fast so etwas wie die Ahnung von Gefahr. Womöglich ist es diese diffuse, doch dabei bewusst inszenierte Ahnung von Gefahr - ist es die Myrrhe oder der Moschus? - die die Herren Sheldrake und Lutens den Zusatz 'schwarz' oder 'dunkel' für ihr Stechapfelparfum wählen ließ.

Fazit: ein Duft so wie - nicht unbedingt für - die Liebe und einer für die Momente, in denen ein '(zu) viel von allem' ertragen, getragen und ausgehalten werden kann. Lockend. Viehisch. Schwer beschreibbar. Dabei voller Versprechungen und von merkwürdiger, seltener Schönheit. So wie die Liebe und die verrückten Dinge, die wir um ihretwillen tun.
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