05.01.2022 - 08:08 Uhr
Intersport
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Detour VIII: Verwirrung und Beharrlichkeit
So verlässlich wie Lutens seit Jahrzehnten (abgesehen von zwei, drei Ausnahmen) mit Christopher Sheldrake zusammenarbeitet, die Pariser Palais Royal Boutique immer noch beschaulicher Stammsitz ist (zugegeben mit weniger Produkte war die Atmosphäre im Laden überzeugender), Themenkomplexe sich gerne mal über ein paar Jahre hinwegziehen, die penible Restauration einer Häuserzeile im Marrakech Jahre in Anspruch nimmt; fast genau so konsequent ist eine fast umheimlich ausdauernde Umgestaltung der Lutens'schen visuellen Corporate Identity. Endlos wie ein kontinuierliches Möbiusband ziehen sich diese Änderungen hin. Das Layout des Etiketts wurde vom den 3-bögigen Palais Royal Arkaden, zuerst auf einen einzelnen Bogen reduziert (ein Jammer, Arkaden machen in Gesellschaft irgendwie mehr Sinn) und weiter in suprematistische Initialen gewandelt, die an Lutens' Vergangenheit als Art Director vieler make-up Produkte verweisen, genau so wie an El Lissitzky's Einflüsse auf diese. Es folgten einige nachträgliche, etwas bemühte Gruppierungen/Kategorisierungen der Düften, bis es letztlich zur umfangreichsten Umstrukturierung kam: Welche Parfums dürfen in die schwarzen, von Fritz Lang Metropolis inspirierten 'Gratte Ciel' Flakons, was kommt oder bleibt in den ursprünglichen 75ml 'Bell Jar' Schüttflakons und was bleibt in 50ml bzw. wird um 100ml ergänzt. Was darf in nochmals neue, 100ml Flakons, welche die 'Eaux' Reihe beerben sollten, und – falls das alles noch nicht genug ist – was wandert aus den ehemaligen 50ml Flakons (z.B. Gris Clair) samt Reformulierung auch in diese 'Eaux de Politesse' Sublinie, jetzt aber gleich mal in 100ml. Das liest sich wie, und ist: ein Durcheinander. Vielleicht gepusht von Marketingvorstellungen und Warenpsychogrammen, vielleicht auch mit der Frage wie dermassen viele Parfums unter einem Dach bleiben können - immerhin gibt es fast noch das ganze Programm.
Nur, irgendwelche Geister sind hier wachgerüttelt worden und Lutens & Sheldrake aus einem Schlummer erweckt, um nochmals eine Reihe zum Teil eigenwilliger Düfte hinzulegen. Um so strukturierter erscheint hier der sehr konsequente Einsatz von Immortelle / Helichrysium Noten - die Charakteristiken dieser Pflanze, die mir immer einen Umweg Wert ist, kommen bei Lutens gerne vor, ohne dass sie namentlich erwähnt werden. Ein love-it-or-leave-it Korbblütler, der vielleicht gerade deshalb gerne namentlich unter dem Radar bleibt. L'Eau d'Armoise, hatte bei seiner Veröffentlichung diese Note noch nicht verheimlicht. Mittlerweile wird nur noch Artemisia angegeben. Serenissima's Besprechung geht auch auf die vielen Einsatzgebiete von Beifuss ein, Mefunx bringt die Akteure von L'Eau d'Armoise auf den Punkt. Neben der Artemisia und einem Hauch Bergamotte, nehme ich eine deutliche, unterkühlte, gezuckerte Immortelle wahr, die überraschend natürlich ist, kein ausladender 70mm Film wie zuletzt Immortelle Corse (2019) oder Sables (1985) – L'Eau d'Armoise verhält sich zu diesem Immortelle Klassiker in etwa wie Kouros Cologne Sport zu Kouros – eher die Blätter zwischen den Fingern (so wie Lutens seine Artemisia im Pressetext zerreibt), dicht, mit nur wenig von der für die Pflanze typischen sirupartigen Würze, aber mit einem zusätzlichen zuckerbäckerischen Überzug, dabei leicht minzig, erfrischend. So eigen wie linear. Cala Rossa (2014) erinnert mich am ehesten an L'Eau d'Armoise, wobei letzteres reduzierter und unterkühlter wirkt.
Als Lutens ca. 2010 seine Eaux Reihe lancierte, erschien mir diese auf den ersten Blick etwas zu taktiert und irgendwie auch zu spät erschienen für ein Portfolio, bei dem sich alles nur ums Wasser drehen sollte. Die Flakons mit ursprünglich klarer Kante, L'Eau Froide (2012) und Laine de Verre (2014) waren dennoch überraschend künstlich-knackig. L'Eau d'Armoise's Reduziertheit plus Dichte schliesst hier nur zum Teil an. Betrachtet man den Rest von Lutens' Helichrysium outings in letzter Zeit - die eben jeweils kein Wörtchen über die Note verlieren, wird eine überraschende Stringenz sichtbar: Bourreau des Fleurs (2017), L'Innommable und Le participe passé (beide 2018) und zuletzt La proie pour l'ombre (2021) - hier spielt vieles was dieser Pflanze zugeschrieben wird, eine zentrale Rolle. In diesen Nachbarschaften sehe ich L'Eau d'Armoise eher. Einzig die Basis kann nicht wirklich mit dem Auftakt mithalten und kommt etwas unterbelichtet daher.
Nur, irgendwelche Geister sind hier wachgerüttelt worden und Lutens & Sheldrake aus einem Schlummer erweckt, um nochmals eine Reihe zum Teil eigenwilliger Düfte hinzulegen. Um so strukturierter erscheint hier der sehr konsequente Einsatz von Immortelle / Helichrysium Noten - die Charakteristiken dieser Pflanze, die mir immer einen Umweg Wert ist, kommen bei Lutens gerne vor, ohne dass sie namentlich erwähnt werden. Ein love-it-or-leave-it Korbblütler, der vielleicht gerade deshalb gerne namentlich unter dem Radar bleibt. L'Eau d'Armoise, hatte bei seiner Veröffentlichung diese Note noch nicht verheimlicht. Mittlerweile wird nur noch Artemisia angegeben. Serenissima's Besprechung geht auch auf die vielen Einsatzgebiete von Beifuss ein, Mefunx bringt die Akteure von L'Eau d'Armoise auf den Punkt. Neben der Artemisia und einem Hauch Bergamotte, nehme ich eine deutliche, unterkühlte, gezuckerte Immortelle wahr, die überraschend natürlich ist, kein ausladender 70mm Film wie zuletzt Immortelle Corse (2019) oder Sables (1985) – L'Eau d'Armoise verhält sich zu diesem Immortelle Klassiker in etwa wie Kouros Cologne Sport zu Kouros – eher die Blätter zwischen den Fingern (so wie Lutens seine Artemisia im Pressetext zerreibt), dicht, mit nur wenig von der für die Pflanze typischen sirupartigen Würze, aber mit einem zusätzlichen zuckerbäckerischen Überzug, dabei leicht minzig, erfrischend. So eigen wie linear. Cala Rossa (2014) erinnert mich am ehesten an L'Eau d'Armoise, wobei letzteres reduzierter und unterkühlter wirkt.
Als Lutens ca. 2010 seine Eaux Reihe lancierte, erschien mir diese auf den ersten Blick etwas zu taktiert und irgendwie auch zu spät erschienen für ein Portfolio, bei dem sich alles nur ums Wasser drehen sollte. Die Flakons mit ursprünglich klarer Kante, L'Eau Froide (2012) und Laine de Verre (2014) waren dennoch überraschend künstlich-knackig. L'Eau d'Armoise's Reduziertheit plus Dichte schliesst hier nur zum Teil an. Betrachtet man den Rest von Lutens' Helichrysium outings in letzter Zeit - die eben jeweils kein Wörtchen über die Note verlieren, wird eine überraschende Stringenz sichtbar: Bourreau des Fleurs (2017), L'Innommable und Le participe passé (beide 2018) und zuletzt La proie pour l'ombre (2021) - hier spielt vieles was dieser Pflanze zugeschrieben wird, eine zentrale Rolle. In diesen Nachbarschaften sehe ich L'Eau d'Armoise eher. Einzig die Basis kann nicht wirklich mit dem Auftakt mithalten und kommt etwas unterbelichtet daher.
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