15.04.2014 - 20:52 Uhr
Siebter
49 Rezensionen
Siebter
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30
Nanotrees harvest the sun's energy to turn water into hydrogen fuel
Obwohl ich viel Zeit mit Büchern verbracht habe, fiel mir die geruchliche Komponente dieser intensiven Beschäftigung erst auf, als ich mich schon einige Zeit mit Parfum auseinandersetzte. Ich gelangte an eine Abfüllung von Diors Bois d'Argent, welches mich sofort und völlig unvermutet an den Geruch vergilbter Bücher erinnerte, die bei ihrem Zerfallsprozess oft eigentümlich süß, modrig und gleichzeitig trocken riechen können. Dieser Duft der allmählichen Zersetzung begleitete mich viele Jahre, in Büchereien wie in Antiquariaten, und obwohl ich ihn damals kaum bewusst wahrnahm, finde ich ihn heute sehr angenehm, denn dies war der subtile Hintergrund für vielerlei literarisches Erleben.
Meine Papierassoziationen zu Bois d'Argent mögen vom Parfumeur beabsichtigt gewesen sein oder nicht, in erster Linie ist das ein hochwertiger Irisduft mit gefälliger Amberbasis und vor allem ein typisches Parfum. Typisch an Parfums ist schon immer, dass sie im Grunde äußerst abstrakt sind. Erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit bietet sich dem Parfumeur die Möglichkeit, Dufteindrücke aus unserem modernen Alltag abzubilden, was zu der bemerkenswerten Situation führt, dass authentische und photorealistische Düfte im Grunde Avantgarde sind. Paper Passion ist photorealistisch, er bildet genau das ab, was er vorgibt: Papier.
Dieses Papier ist anders als der süßliche Moder aus dem Antiquariat. Paper Passion ist rauh und trocken. Ein tintenartiger Akkord begleitet den Auftakt, lässt das Papier aber unbefleckt. Mich erinnert das weniger an Bücher, sondern vor allem an unbenutztes Zeichenpapier. Dieser Duft ist wirklich schnell umrissen: Staubtrockenes, cleanes, raues Papier, dicke Stapel davon. Hinzufügen möchte ich noch, dass Paper Passion ausgesprochen hell und frisch, bisweilen sogar herb ist. Die Tinte hält sich nur wenige Minuten, ansonsten wird Paper Passion mit der Zeit ganz sachte etwas floraler und weicher. Viel mehr passiert nicht, eine Notenpyramide wäre sicherlich entbehrlich gewesen.
Avantgardistische Parfums werden einerseits oft dafür gelobt, dass sie Grenzen ausweiten, andererseits werfen sie schnell die Frage auf, wer denn so was eigentlich tragen soll. Schon vor zehn Jahren loteten Comme des Garçons mit ihrer Synthetics-Reihe die Grenze zwischen Tragbarkeit und Untragbarkeit aus und stellten sie damit nachhaltig in Frage, dadurch entstand ein Freiraum, den Paper Passion ausnutzt. Gäbe es diesen Freiraum nicht, bliebe dieser Duft ein Konzept in irgendeiner Schublade.
Interessanterweise bezeichnet Geza Schön diesen Duft in einem Interview als "nicht mal mehr als ein konzeptionelles Design-piece", nicht dazu gedacht, täglich getragen zu werden. Dies klingt beinahe abfällig und lässt mich etwas ratlos zurück, denn ich empfinde PP nicht nur als schönen und interessanten, sondern auch als ausgesprochen funktionalen Duft. "Es ist ein Missverständnis, das anscheinend automatisch aufkommt, wenn etwas in Flakons mit einem Sprüher verkauft wird. Dann denken alle sofort: Oh! Das ist Parfum!" sagt Schön anderswo. Ich würde ihn gerne mal fragen, was man denn sonst denken soll. PP jedenfalls ist ein wunderbar lang anhaltender Duft mit einer schleierartigen Aura, der trotz seiner unangefochten synthetischen Natur niemals anstrengend wird. Trägt man PP und einen Schal, ist der Schal für viele Tage angenehm elegant beduftet. PP ist sehr frisch, ohne dafür ausgelutschte Konzepte zu verwenden, sein origineller Ansatz wird überraschend gut verstanden, in meinem Umfeld provozierte er bislang ausschließlich positive Reaktionen.
Der konzeptionelle Charakter von PP ist ziemlich vordergründig, in diesem Falle ließ der bedeutungsschwangere Kontext den Parfumeur selbst vielleicht etwas voreingenommen werden. Tatsächlich geht ein allzu verkopfter Kontext oft zu Lasten der Alltagstauglichkeit eines Duftes, ich sehe mich aber fast genötigt, Herrn Schön zu erklären, dass seine Kreation wirklich ganz hervorragend ist und sich sogar sehr einfach tragen lässt. Hätte ich einen ganzen Flakon davon, stünde er in einer Reihe mit Immergehern wie Infusion d'Homme oder Rush. PP passt zu einem großstädtischen Tag mit viel Hektik, denn er ist modern, kultiviert und dabei entspannt. Seine Natur ist antieskapistisch, er vermittelt mir die Stimmung von konzentrierter Hinwendung, kultureller Offenheit. Wer holzige und dabei frische Düfte mag, wird diese Erwartungen auf interessante Weise bedient sehen.
Ich will nicht behaupten, dass PP der missverstandene Knaller für jedermann ist, er ist schon recht speziell (das sind allerdings viele gute Düfte). Für mich ist er ein gutes Beispiel dafür, wie der um ein Parfum geschaffene Kontext das Erleben eines Duftes beeinflusst, angesichts der Äußerungen Herrns Schöns würde ich sogar von einer Mahnung sprechen.
Als ich PP mal einem anderen Parfumeur zeigte, assoziierte er mit dem Duft übrigens spontan die falsche Mimose, nicht Papier.
Meine Papierassoziationen zu Bois d'Argent mögen vom Parfumeur beabsichtigt gewesen sein oder nicht, in erster Linie ist das ein hochwertiger Irisduft mit gefälliger Amberbasis und vor allem ein typisches Parfum. Typisch an Parfums ist schon immer, dass sie im Grunde äußerst abstrakt sind. Erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit bietet sich dem Parfumeur die Möglichkeit, Dufteindrücke aus unserem modernen Alltag abzubilden, was zu der bemerkenswerten Situation führt, dass authentische und photorealistische Düfte im Grunde Avantgarde sind. Paper Passion ist photorealistisch, er bildet genau das ab, was er vorgibt: Papier.
Dieses Papier ist anders als der süßliche Moder aus dem Antiquariat. Paper Passion ist rauh und trocken. Ein tintenartiger Akkord begleitet den Auftakt, lässt das Papier aber unbefleckt. Mich erinnert das weniger an Bücher, sondern vor allem an unbenutztes Zeichenpapier. Dieser Duft ist wirklich schnell umrissen: Staubtrockenes, cleanes, raues Papier, dicke Stapel davon. Hinzufügen möchte ich noch, dass Paper Passion ausgesprochen hell und frisch, bisweilen sogar herb ist. Die Tinte hält sich nur wenige Minuten, ansonsten wird Paper Passion mit der Zeit ganz sachte etwas floraler und weicher. Viel mehr passiert nicht, eine Notenpyramide wäre sicherlich entbehrlich gewesen.
Avantgardistische Parfums werden einerseits oft dafür gelobt, dass sie Grenzen ausweiten, andererseits werfen sie schnell die Frage auf, wer denn so was eigentlich tragen soll. Schon vor zehn Jahren loteten Comme des Garçons mit ihrer Synthetics-Reihe die Grenze zwischen Tragbarkeit und Untragbarkeit aus und stellten sie damit nachhaltig in Frage, dadurch entstand ein Freiraum, den Paper Passion ausnutzt. Gäbe es diesen Freiraum nicht, bliebe dieser Duft ein Konzept in irgendeiner Schublade.
Interessanterweise bezeichnet Geza Schön diesen Duft in einem Interview als "nicht mal mehr als ein konzeptionelles Design-piece", nicht dazu gedacht, täglich getragen zu werden. Dies klingt beinahe abfällig und lässt mich etwas ratlos zurück, denn ich empfinde PP nicht nur als schönen und interessanten, sondern auch als ausgesprochen funktionalen Duft. "Es ist ein Missverständnis, das anscheinend automatisch aufkommt, wenn etwas in Flakons mit einem Sprüher verkauft wird. Dann denken alle sofort: Oh! Das ist Parfum!" sagt Schön anderswo. Ich würde ihn gerne mal fragen, was man denn sonst denken soll. PP jedenfalls ist ein wunderbar lang anhaltender Duft mit einer schleierartigen Aura, der trotz seiner unangefochten synthetischen Natur niemals anstrengend wird. Trägt man PP und einen Schal, ist der Schal für viele Tage angenehm elegant beduftet. PP ist sehr frisch, ohne dafür ausgelutschte Konzepte zu verwenden, sein origineller Ansatz wird überraschend gut verstanden, in meinem Umfeld provozierte er bislang ausschließlich positive Reaktionen.
Der konzeptionelle Charakter von PP ist ziemlich vordergründig, in diesem Falle ließ der bedeutungsschwangere Kontext den Parfumeur selbst vielleicht etwas voreingenommen werden. Tatsächlich geht ein allzu verkopfter Kontext oft zu Lasten der Alltagstauglichkeit eines Duftes, ich sehe mich aber fast genötigt, Herrn Schön zu erklären, dass seine Kreation wirklich ganz hervorragend ist und sich sogar sehr einfach tragen lässt. Hätte ich einen ganzen Flakon davon, stünde er in einer Reihe mit Immergehern wie Infusion d'Homme oder Rush. PP passt zu einem großstädtischen Tag mit viel Hektik, denn er ist modern, kultiviert und dabei entspannt. Seine Natur ist antieskapistisch, er vermittelt mir die Stimmung von konzentrierter Hinwendung, kultureller Offenheit. Wer holzige und dabei frische Düfte mag, wird diese Erwartungen auf interessante Weise bedient sehen.
Ich will nicht behaupten, dass PP der missverstandene Knaller für jedermann ist, er ist schon recht speziell (das sind allerdings viele gute Düfte). Für mich ist er ein gutes Beispiel dafür, wie der um ein Parfum geschaffene Kontext das Erleben eines Duftes beeinflusst, angesichts der Äußerungen Herrns Schöns würde ich sogar von einer Mahnung sprechen.
Als ich PP mal einem anderen Parfumeur zeigte, assoziierte er mit dem Duft übrigens spontan die falsche Mimose, nicht Papier.
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