12.04.2015 - 08:52 Uhr
Stefanu155
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Stefanu155
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Eine Insel
Liebe E.
Bitte entschuldige meinen plötzlichen Aufbruch, aber nach diesen anstrengenden Tagen konnte ich die Hitze der Stadt und auch die scheinbar ständige Gegenwart dieses Herrn, du weißt, von wem ich spreche, nicht mehr ertragen. Deshalb habe ich mich gleich heute Morgen mit dem kleinen Motorboot auf die Insel bringen lassen und sitze jetzt hier, schreibe dir diese Nachricht, letztlich mit der Absicht, dich zu bewegen, doch bald nachzukommen.
Da ich unruhig und zur selben Zeit erschöpft war, ging ich gleich nach dem morgendlichen Kaffee die Felsentreppe hinunter, um bei einem ausgedehnten Spaziergang am Wasser wieder etwas zu mir zu kommen. Ich zerbrach Muschelschalen unter meinen Schuhen, zeichnete mit einem angetriebenen Stock deinen Namen in den Sand und verbrachte eine halbe Stunde damit, mir das Geschaukel der Algen an der ruhigen Stelle unter dem großen Felsen zu betrachten, an dem das Wasser, wie du immer sagtest, so unanständig gluckst. Hin und wieder traf ein Tropfen Salzwasser mein Gesicht, ich dachte über die vergangene Katastrophe nach und merkte nach einiger Zeit, dass es mir unten am Ufer allmählich zu heiß wurde. Ich ging ein Stück barfuß am Wasser entlang zurück, stieg die Stufen wieder hinauf, gelangte dann aber in der prallen Mittagshitze im Dorf an. Ich ging am Laden vorbei und auch an der Bar, in der Hoffnung, nicht in Begrüßungszeremonien und Gespräche verwickelt zu werden. Der Schlüssel lag wie immer im Mauerloch hinten am Anbau und ich ging gleich in das Zimmer im ersten Stock hinauf.
Lange war hier niemand gewesen, die Läden zum Balkon waren geschlossen, ich sog den bekannten Geruch ein und öffnete einen Fensterflügel etwas, um Licht hereinzulassen. Auf dem Brettchen über dem Waschbecken steht immer noch ein Fläschchen mit deinem Parfum. Im Spiegel konnte ich sehen, dass ich in den letzten Tagen wohl etwas zuviel Sonne abbekommen haben musste, denn obwohl ich in dieser Hinsicht gar nicht so empfindlich bin, ist mein Gesicht doch arg rot geworden. Erst jetzt wurde mir eigentlich klar, wie furchtbar müde ich durch die vergangenen Ereignisse geworden bin. Ich legte mich auf das Bett und hörte von unten das beruhigende Klappern der Nachbarin, die wohl irgendwas in der Küche herumhantierte. Ich atmete tief ein und roch meine eigene verbrannte Haut, die jetzt angenehm von den festen Baumwolllaken gekühlt wurde. Ich dachte an die Tage, als wir hier zusammen lagen und bildete mir ein, noch nach Wochen deinen Geruch in den Tüchern wahrnehmen zu können. Mit den fernen Geräuschen des Meeres und denen des Hauses, mit einer Mischung aus Wut, Sehnsucht und leiser Trauer bin ich eingeschlafen und erst am späten Nachmittag wieder zu mir gekommen. Ein leichtes Frösteln überkam mich, ich zog mir ein frisches Hemd an und ging in das kleine Restaurant am Ende des Dorfes, wo ich jetzt in der Wärme des Abends sitze und dir diesen Brief schreibe, den ich nie abschicken werde.
In Liebe,
Dein S.
PS: Man kann einen Duft natürlich auch ganz anders beschreiben.
Bitte entschuldige meinen plötzlichen Aufbruch, aber nach diesen anstrengenden Tagen konnte ich die Hitze der Stadt und auch die scheinbar ständige Gegenwart dieses Herrn, du weißt, von wem ich spreche, nicht mehr ertragen. Deshalb habe ich mich gleich heute Morgen mit dem kleinen Motorboot auf die Insel bringen lassen und sitze jetzt hier, schreibe dir diese Nachricht, letztlich mit der Absicht, dich zu bewegen, doch bald nachzukommen.
Da ich unruhig und zur selben Zeit erschöpft war, ging ich gleich nach dem morgendlichen Kaffee die Felsentreppe hinunter, um bei einem ausgedehnten Spaziergang am Wasser wieder etwas zu mir zu kommen. Ich zerbrach Muschelschalen unter meinen Schuhen, zeichnete mit einem angetriebenen Stock deinen Namen in den Sand und verbrachte eine halbe Stunde damit, mir das Geschaukel der Algen an der ruhigen Stelle unter dem großen Felsen zu betrachten, an dem das Wasser, wie du immer sagtest, so unanständig gluckst. Hin und wieder traf ein Tropfen Salzwasser mein Gesicht, ich dachte über die vergangene Katastrophe nach und merkte nach einiger Zeit, dass es mir unten am Ufer allmählich zu heiß wurde. Ich ging ein Stück barfuß am Wasser entlang zurück, stieg die Stufen wieder hinauf, gelangte dann aber in der prallen Mittagshitze im Dorf an. Ich ging am Laden vorbei und auch an der Bar, in der Hoffnung, nicht in Begrüßungszeremonien und Gespräche verwickelt zu werden. Der Schlüssel lag wie immer im Mauerloch hinten am Anbau und ich ging gleich in das Zimmer im ersten Stock hinauf.
Lange war hier niemand gewesen, die Läden zum Balkon waren geschlossen, ich sog den bekannten Geruch ein und öffnete einen Fensterflügel etwas, um Licht hereinzulassen. Auf dem Brettchen über dem Waschbecken steht immer noch ein Fläschchen mit deinem Parfum. Im Spiegel konnte ich sehen, dass ich in den letzten Tagen wohl etwas zuviel Sonne abbekommen haben musste, denn obwohl ich in dieser Hinsicht gar nicht so empfindlich bin, ist mein Gesicht doch arg rot geworden. Erst jetzt wurde mir eigentlich klar, wie furchtbar müde ich durch die vergangenen Ereignisse geworden bin. Ich legte mich auf das Bett und hörte von unten das beruhigende Klappern der Nachbarin, die wohl irgendwas in der Küche herumhantierte. Ich atmete tief ein und roch meine eigene verbrannte Haut, die jetzt angenehm von den festen Baumwolllaken gekühlt wurde. Ich dachte an die Tage, als wir hier zusammen lagen und bildete mir ein, noch nach Wochen deinen Geruch in den Tüchern wahrnehmen zu können. Mit den fernen Geräuschen des Meeres und denen des Hauses, mit einer Mischung aus Wut, Sehnsucht und leiser Trauer bin ich eingeschlafen und erst am späten Nachmittag wieder zu mir gekommen. Ein leichtes Frösteln überkam mich, ich zog mir ein frisches Hemd an und ging in das kleine Restaurant am Ende des Dorfes, wo ich jetzt in der Wärme des Abends sitze und dir diesen Brief schreibe, den ich nie abschicken werde.
In Liebe,
Dein S.
PS: Man kann einen Duft natürlich auch ganz anders beschreiben.
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