№ 05 - Incense Extrême 2008

Apicius
21.09.2010 - 17:39 Uhr
20
Top Rezension
7.5
Haltbarkeit
8
Duft

Das Parfum, das Comme des Garcons nicht gemacht hat!

Incense Extrême erweist seinem Namen alle Ehre, denn es ist ein wirklich grenzwertiger Duft. Und nicht herkömmliches Räucherwerk macht diesen Duft aus, sondern die seltsame, synthetisch-gummiartige Note, die ein besonderes Kennzeichen von Andy Tauer zu sein scheint. Sie findet sich auch in dem berühmten L‘Air du Desert Marrocaine wieder.

Diese an Haushaltsgummis von früher erinnernde Note ist hier noch unverstellter und brutaler ins Licht gerückt. Insoweit könnte man in Incense Extrême auch die Intense-Version des Wüstenduftes sehen.

Incense Extrême muss man mit Vorsicht anwenden. Scheußlich ist es, direkt an der angesprühten Haut zu schnüffeln, jedenfalls in den ersten Minuten. Da ist es holzig, lakritzig und erinnert mich irgendwie an die Ausdünstungen einer chemischen Reinigung. Oder an Flussleichen wie die Wupper vor dem Niedergang der Textilindustrie. Sowas vermutet man höchstens von Comme des Garcons!

Doch in zwei oder drei Handbreit Entfernung fügt sich der Duft zusammen. Der allzu phenolische Charakter wird durch eine Art Cremigkeit gemildert. Mit etwas Wohlwollen erinnert man sich an den Geruch und Geschmack der kräftigeren Islay Single Malts: Lagavulin, Laphroaig, Ardbeg.

Ob Boswellia serrata Extrakt etwas anderes ist als die üblicherweise als Weihrauch bezeichnete Note? Jenen kann ich eher nicht erkennen. Denn der Duft hat nichts Verbranntes, Veraschtes, dafür aber viel Harziges. Die Angaben der Pyramide glaube ich im übrigen alle nicht. Das sind Näherungen, die einzelne Aspekte dieses Parfums eingrenzen, doch die entsprechenden üblichen Inhaltsstoffe dieser Noten müssen das noch lange nicht sein.

Mich persönlich haben die Anklänge dieser Note schon im L'Air du Désert Marrocaine befremdet. Mit Incense Extrême fühle ich mich erst recht nicht wohl - wobei ich nicht weiß, ob ich diese Meinung nicht eines Tages revidiere. Denn als bloßes Wunderwerk der Chemie lässt sich das nicht abtun. Irgendwie gibt es dann auch wieder an Menschliches, an körperliche Aspekte erinnernde Anteile. Das ist schon aufregend.

Freunde des Gummis werden diesen Duft auf jeden Fall lieben. Doch bei äußerst sparsamer Anwendung könnte er auch allgemein gefallen. Wenn man es schafft, ihn so zu dosieren, dass man nicht brutal danach riecht, sondern eine ganz leichte, kaum wahrnehmbare Aura um sich verbereitet, ja dann könnten interessante Effekte entstehen: leichte Irritationen, verhaltenes Befremden, geweckte Aufmerksamkeit und die nicht ausgesprochene Frage, was hier so seltsam riecht.

Incense Extrême ist eine außergewöhnliche Dufterfahrung. Sie entzieht sich der klassischen Bewertung eines Parfums. Gegenüber alternativen Duftrichtungen sollte man aufgeschlossen sein, wenn man ihn testet.
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