Altamir 2007 Eau de Toilette

Ponticus
19.09.2021 - 07:31 Uhr
79
Top Rezension
9
Preis
6
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8.5
Duft

Verborgene Schätze

Wissen Sie wie Altamir entstanden ist? Nein? Ich auch nicht, aber es könnte wie folgt gewesen sein!

Sicher muß es ein sehr guter Tag für Ted Lapidus gewesen sein. Nicht nur gesundheitlich fühlte er sich wieder etwas kräftiger, nein auch ein lang ersehntes Erfolgsrelebnis sorgte für neuen Lebensmut und Zuversicht. Seit er sich Mitte der 1990er an die Côte d’Azur zurückgezogen hatte, experimentierte er hier in seinem kleinen, privaten Parfümeurlabor, eher zur eigenen Freude und aus Spaß an der Sache, an neuen Duftkreationen. Gestern am Abend schien der großer Wurf gelungen, denn ein süß-orientalisches Kleinod drängte vehement und intensiv aus einem der Erlenmeyerkolben der Versuchsreihe.

1951 gründete Ted Lapidus sein Modeunternehmen und feierte große Erfolge mit seinen Haute Couture Entwürfen die an Uniform- und Safarielementen angelehnt waren. Dennoch mußte 1983 die Parfümsparte und 1986 auch das Modehaus verkauft werden. Unter der Marke Ted Lapidus wurde und wird jedoch weiterhin Mode und Parfüm angeboten. Zum Ende seines Lebens an Leukämie erkrankt starb Ted Lapidus am 29.12.2008 im Alter von 79 Jahren.

Nun am Morgen wieder im Labor war es an der Zeit alle Einzelheiten des Duftexperimentes zu erfassen und zu dokumentieren. Ein kräftiges Geruchsbouquet von Vanille entströmte dem Kolben voll Saft und Kraft vom ersten Riecher an. Gerade auf diese vanilligen Facetten legte er viel wert. Als Vorbilder dienten zwei andere süß-orientalische Parfüme, nämlich Cašmir und Gaultier². Doch während die Vanille in Cašmir eher dunkel-erdig und in Gaultier² süßlich-keksig daher kommt, gelang es ihm in diesem Versuch eine aromatische und honigartige, vanillige Note als bestimmendes Duftelement für das neue Parfüm zu entwickeln.

Ted Lapidus notierte alle Mengen, Zugaben und die Reihenfolge der Duftnoten und bemerkte das Fehlen der Vanille. Er war sich sicher, er hatte diese prägende Zutat nicht vergessen und auch der Geruch am Kolben ließ kaum Zweifel aufkommen. Ein neuer Ansatz, auch ohne Vanille, führte zum identischen Ergebnis. Noch etwas verwirrt füllte er einen kleinen Flakon ab und schrieb auf das Etikett „Altamir“ in Anlehnung an die geheimnisvolle, prähistorische Höhle von Altamira, die zwar keine Vanilleschätze verbirgt, dafür aber einmalige, jahrtausendealte, steinzeitliche Wandmalereien.

Sofort wehte ein süßlich-vanilliges Lüftchen, das förmlich explodierte als Ted Lapidus den Sprüher betätigte. Ein fruchtig, bitter-süßer Sturm kahm auf, der mit frischen-zitrischen Böen durch süß-blütige Vorgärten fegte. Ein kurzer Regenschauer sowie die wieder durchdringende Sonne ließen die Luft wabern und dem floralen Duft freien Lauf. Es roch nach Blumen und Blüten sowie saftig-fruchtig, intensiv honigsüß und ein wenig holzig-würzig. Gleichzeitig wehte von allen Seiten eine satte Briese einer aromatischen Vanille permanent umher. Im weiteren Verlauf verbreiten die Basisduftnoten, allen voran Amber und Tonkebohne, wohlige Wärme, die Luft ist cremig schwer, herb-süß bis karamellig und mit vielen holzigen Facetten. Und auch jetzt säuselt stetig ein nun trockener, stabiler Vanillewind am Grund. Die Atmosphäre ist entspannt, es riecht nach Siesta, Prosecco, Dessert mit Eis und glücklich sein.

Altamir ist ein faszinierendes Parfüm und hat es doch noch 2007 unter dem Label von Ted Lapidus, auch ohne Vanille, auf den Markt geschafft. Es ist sowohl frisch als auch sinnlich, modern und originell, ein kraftvolles Parfüm mit einer außergewöhnlichen Anziehungskraft. Trotz intensiver Süße ein edel und maskulin daherkommender Duft mit guter Haltbarkeit und Sillage.

Mit einer Duftempfehlung zu Altamir und dem Tipp für den Besuch der Höhle von Altamira bedanke ich mich herzlich!
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