Lapidus pour Homme Sport 2016

3lbows
08.04.2022 - 04:51 Uhr
13
Sehr hilfreiche Rezension
10
Preis
8
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft

Hart aber Herzlich.

Für alternde Machos aus der Ära Tom Selleck, die der Zahn der Zeit zu gesellschaftsverträglicherem (und dem Alter angemessenerem) Auftreten nötigt, aber auch für diejenigen, die aus ihrer in den 80ern verlebten Kindheit nicht ganz ausbrechen können oder wollen, für die findet sich bei Ted Lapidus ein richtiges Duft-Kleinod.
Lapidus pour Homme Sport startet streng zitrisch-würzig, fast schon hemmungslos verwegen und auch ein klein wenig verrucht – ein Headbutt ins Antlitz der allgegenwärtigen Light-blue-intense-Wässerchen, die steril und sich hippen Retro-Trends anbiedernd die eben ihren roten Bomberwesten und zu kurzen, hautengen Jeans entwachsenen, adrett bebarteten Millenial-Alphas nach dem Workout ins Büro begleiten.
Nein, Lapidus pour Homme Sport ist ein ehrlicher, ganz Einfacher, ohne Hintergedanken aus einer Zeit, in der Zibet, Eichenmoos und diffus-Florales über dezent-holziger Zurückhaltung und zuckersüßem Naschwerk standen. Er ist eine Ode an späte 80er Gemütlichkeit, an Colt Seavers, Ford Capri, SID-Musik, Familienurlaub am Balaton und Brusthaare ohne Fitnessstudio.
Damals duftete mann nicht nach Bäckerei, sondern nach Badreiniger und schlecht geputzter Toilette oder nach Tankstelle. Das war, ist heute aber nur mehr bedingt – gut so. Die Klostein-Keule ist ja ein beliebtes Totschlagargument in vielen Rezensionen und Statements zu Düften hier, und so muss man als Parfumeur schon über Augenmaß und ein wohl dosierendes Händchen verfügen, will man auf dem schmalen Grad schmutzig erotisierter, hormongesteuerter Duftassoziationen wandeln. Allzuschnell wird´s zu viel oder eben gar nicht wahrnehmbar.
Ted Lapidus greift das Thema 2015 erstaunlich unbefangen aber dennoch ausreichend feinfühlig auf, und kolportiert es in eine Zeit, in der Grooming-Foren wie Pilze aus dem Boden sprießen, und Kosmetikproduzenten den Mann und/oder dessen Bart als gewinnträchtiges Zielpublikum entdeckt haben. Pflegeprodukte für Herren haben Hochkonjunktur, und zu verhindern, dass das eigene Produkt unter den Heerschaaren von Stylingbloggern und Youtubern nicht als hoffnungslos einfältig, ewig gestrig oder gar abstoßend verrissen wird, ist schon ein schwieriges Unterfangen, welches der Bogart Gruppe, die ich an sich nicht mit filigranen Kniffen assoziiere, erstaunlich gut gelungen ist. Dass das Wässerchen IFRA-konform um jegliche potentiell anstößige Überkonzentration vieler damals üblicher Grundstoffe beschnitten ist, kommt der durchaus sinnvollen Zähmung des Dufteindrucks entgegen. So steht eine würzig-florale Fruchtigkeit im Vordergrund, die aber gleichzeitig die Animalik eines Kouros Fraicheur nicht vollends vermissen lässt. Wie dieser Eindruck erzeugt wird, ist mir allerdings schleierhaft – die Duftpyramide lässt zumindest keine Rückschlüsse auf Zibet, Bibergeil oder ähnlich wirkende Ersatzstoffe zu. Wie dem auch sei – dem Duft verleiht dies Charakter. Nähme man diese wohl dosierte, wenngleich synthetische Animalik weg, so erhielt man ein Odeur, welches eine frappierende Ähnlichkeit mit – und jetzt festhalten – Mandarino di Amalfi Eau de Parfum hat. Der fruchtig-florale Kern ist beiden gemein, wobei der TF tiefer und raffinierter komponiert ist, und natürlich gänzlich auf Pipi-Allüren und Brusthaare verzichtet. Mich jedenfalls hat Lapidus pour Homme Sport beim ersten Aufsprühen nach dem Blindbuy sofort an die Amalfi-Küste verzogen, was ja nichts Schlechtes ist.
Der zweite Kniff, ein 80er Powerhouse - Gott, was für eine Worthülse - 2022 tragbar zu machen liegt wohl im Verzicht auf einen allzu überfrachteten Dufteindruck. Bei Pour Homme Eau de Toilette zum Beispiel liest sich die Pyramide wie das Telefonbuch einer Kleinstadt. Bei allem Respekt – damals schien aber einfach alles rein zu müssen, was irgendwie riecht. Die Reduktion aber spart Geld und reduziert den All-out-Notenattack vieler Genrekollegen auf ein erträgliches Maß. Obendrein gibt diese Konzentration dem Duft mehr Richtung und macht ihn vielseitiger weil unauffälliger. Die Komplexität leidet allerdings darunter und Duftverlauf fällt eher linear aus. Wurscht, mir persönlch gefällt dieses Streamlining.
Und weil Lapidus pour Homme Sport damit den Spagat zwischen Old-School und Moderne mit Bravur meistert, kann man ihn auch heute noch bedenkenlos auflegen. Er ist zwar bestimmt kein Komplimentmagnet, nicht zuletzt da er nur mäßig projiziert, keinesfalls aber aus der Zeit gefallen. Man kommuniziert mit ihm immer noch eindeutig, für welche Epoche sein Herz schlägt. Daher passt der Duft auch nicht unbedingt zur eingangs erwähnten Generation. Ein paar Lenze sollte man schon auf dem Buckel haben. Dann aber kann man Lapidus pour Homme Sport praktisch ganzjährig ausführen – auch ins Büro. Nur für die ganz heißen Tage und den Weihnachtsmarkt steht mir der Gusto nach etwas anderem.

Im Regal zwischen He-Man Figuren und dem Rubikswürfel macht sich der Flakon übrigens hervorragend. Von Farbwahl und Formgebung, bis hin zum Material (Raumschiffplastik mit Kühlrippen) steht dieser retro-futuristische Tetrisklotz ausser Konkurrenz zu vielen seiner Mitbewerber. Der Sprühknopf hat die Kapazität eines Wasserwerfers. Nach 3 Sprühern ist man bereits versucht, die Nebelscheinwerfer anzuschalten – zumindest dagegen hat die IFRA keine Handhabe.

Kurz um: Lapidus pour Homme Sport ist das Stranger Things der Parfumwelt – Ein liebevoll modernisierter Ausflug in die Vergangenheit, ohne Pacingprobleme, veraltete Schnitttechnik und naive Dialogregie, allerdings, und hier höre ich die Puristen schon aufschreien, auch ohne richtig Eier. Aber das ist gut so. Zumindest für mich, denn so kann ich dat Dingens auflegen, in alten Zeiten schwelgen, mein 80er Heimweh nach außen tragen und gleichzeitig gepflegt riechen ohne allzusehr anzuecken, oder in meiener eigenen Dunstwolke zu ersticken. Uneingeschränkte Testempfehlung für dieses Juwel!
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