Private Blend

Tuscan Leather 2007 Eau de Parfum

Profumo
15.09.2010 - 09:17 Uhr
41
Top Rezension
10
Haltbarkeit
7
Duft

Eine streng gegliederte Novelle, kein wuchernder Roman

Als Tom Ford vor ein paar Jahren mit seiner Private Blend-Reihe auf den Markt kam, war ja große Aufregung in selbigem: der große Tom, der Retter Guccis, der Dominator, der auch in der Parfumwelt unübersehbare Spuren hinterließ, warf mit einem Schlag ein gutes Duzend neuer Düfte auf den Markt, aber natürlich nicht einfach so, wie jede x-beliebige Nischenfirma: nein, Tom Ford wäre nicht Tom Ford, sprich das Zentrum des Mode-Hurrikans, dessen Auge gewissermaßen, käme die Einführung seiner Düfte nicht einer weihevollen, ja pathetischen Inauguration gleich: King Tom gibt sich die Ehre seine Kollektion erlesener Duftjuwelen zu offenbaren...

Da wurde nun in einer meiner Stamm-Parfümerien eine große Ecke frei geräumt, anschließend eine riesige mit Mahagoni - oder ähnlichem - vertäfelte Wand samt etlicher Nischen aufgebaut. In diesen Nischen stehen nun theatralisch ausgeleuchtet die Grale des großen Tom. Die Nischen werden zu Schreinen, das Mahogoni-Ungetüm zur Altarwand. Darüber thront in gigantischen Lettern der Schriftzug: TOM FORD.
Der Herr kam hernieder um mir armem Wicht seine himmlisch-duftende Gebräue zu offenbaren, und ich wage den vor Ehrfurcht ganz ergriffenen Verkäufer zu fragen, wer denn die Düfte gemacht habe? Der Meister persönlich, säuselt er mir Unwissendem ins Ohr. Aha, denke ich, der Meister also. Wer´s glaubt.... Nun, ich finde derart weihevolles Gehabe zwar abstoßend, aber ich dachte mir: was solls, ich probiere einfach mal den ein- oder anderen. Gesagt, getan, der noch immer ganz von seiner Mission beseelte Verkäufer hielt mir ein ums andere Kleenex-ähnliche Tüchlein, das mit je einem der kostbaren Elixiere beduftet war, unter die Nase und erwartete von mir vermutlich entrückte Ohhs und Ahhs. Meinerseits kam jedoch nur brummeliges Hmm und Soso, und die verklärte Miene des Verkäufers nahm zusehends irdische Züge an.
Natürlich konnte und wollte ich nicht alle auf einmal testen, aber die Namen der Düfte verraten ja so ungefähr wohin die Reise gehen soll: Bois, Moss, Oud, Leather, Tobacco, Vanille, Wood usw. das erleichtert doch einigermaßen die Orientierung. So hatte ich nach kurzer Zeit einen ganzen Haufen halb verknäuelter Tüchlein vor mir, von denen ich bald nicht mehr wusste welches zu welchem Duft gehörte. Mein mittlerweile vollkommen entspannter Verkäufer war sich auch nicht mehr so sicher, und nach einigem Hin und Her wollte ich mich schon artig bedanken und ihn bitten, den ganzen Tüchlein-Haufen doch dem Mülleimer zu überantworten, als ich noch einmal an einem roch, dessen Duft mir doch recht gut gefiel. Ich hielt nun meinem Gegenüber das Tüchlein unter die Nase und fragte ihn, was das gewesen sei, verbunden mit der Bitte mir diesen Duft noch einmal auf den Handrücken zu sprühen. Er sprühte mir Bois Rouge auf. Nein, das war er nicht, obwohl: auch nicht schlecht. Dann eben der hier: pfffft..... - ja, der war´s. Aha, Tuscan Leather also. Hab ich´s mir doch gedacht – fast alle Düfte mit Leather/Cuir/Leder im Namen scheinen mir zu gefallen.... I´m a leather man! Die obligatorische Frage was der Duft denn kosten solle, bzw. die Antwort darauf, ließ mir beinahe die Sinne schwinden. Wie bitte??
Meine innere Stimme sagte mir augenblicklich: Junge, Finger weg - lass das sein, du hast gar kein Geld, und soviel schon gar nicht und außerdem genug, ach was: zu viele Parfums! Ich rang mit mir und rang, und schließlich stand ich an der Kasse und bezahlte. So geht das immer, fast immer, leider......

So ziert seither Tuscan Leather mein Regal, und ich muss sagen, ich habe diesen Kauf, im Gegensatz zu so manch anderem, noch nicht bereut. Und obwohl ich doch einige Lederdüfte mein Eigen nenne, ist dieser in gewisser Weise ein besonderer. Denn im Gegensatz zu meinen absoluten Favoriten, Klassikern wie Chanels Cuir de Russie, Carons Tabac Blond und Knize Ten, oder moderneren Varianten wie Andy Tauers Lonestar Memories und 1740 Marquis de Sade von Histoires de Parfums, hat Tuscan Leather eine ganz eigenwillige Lederduft-Facette: es kombiniert die üblichen Verdächtigen in Sachen Lederduft, also Birkenteer und Jasmin etc, mit einer kräftigen, unsüßen Himbeernote, herbem Thymian und einer Prise bitter-würzigem Safran. Leichte Weihrauchschwaden durchziehen diesen Auftakt, der sich in einem wahren Crescendo entlädt, kaum dass man den Duft aufgesprüht hat. Alles ist auf einmal da, fiedelt, trötet, bläst und haut gleichzeitig auf die Pauke – das ganze Thema entfaltet sich mit einem Schlag. Anschließend passiert nicht mehr viel – ein langsames Diminuendo setzt ein, bis der Duft Stunden später und unverändert im Pianissimo verebbt.
Tuscan Leather ist also ein Duft ohne große Herausforderung, er verwandelt sich nicht, hat keine Phasen und auch von ‚Drydown’ zu sprechen erübrig sich, da nach dem anfänglichen großen Knall nichts weiter passiert, als dass der Lautstärkenregler langsam Richtung Null gedreht wird.

Die recht überschaubaren Inhaltstoffe sind dabei perfekt verblendet – nichts ragt ungebührlich heraus, alles ist sehr konzentriert und in engstem Bezug zueinander: keine Üppigkeit, keine Ornamente, nichts Abschweifendes. So ist dieser Duft sehr eng gefasst, wie eine kurze, streng gegliederte Novelle, und eben kein wild fabulierendes und wucherndes Romangebilde á la Cuir de Russie von Chanel. Diese beiden Düfte bilden auch fast so etwas wie Antipoden in der Welt der Lederdüfte: der eine von spielerischer, fast dekadenter Üppigkeit eines verschnörkelten, zaristischen Palastes, der andere von der Strenge und Konzentriertheit eines 70er Jahre Wohnhauses – kein Schnörkel, nirgends, nur Funktionalität.
Dennoch, auch wenn ich mehr zum aus-dem-Vollen-schöpfen neige, dieses Versammeltsein, diese klare, rüschenlose Struktur finde ich manchmal sehr angenehm – sie erfordert so wenig Aufmerksamkeit! Hat man Lust auf diesen Duft, sprüht man ihn einfach auf, ohne dass man bedenken muss in welche - eventuell sogar animalische – Richtung er sich entwickeln wird, und dann vielleicht in der ein oder anderen Situation eventuell unpassend sein könnte. Nein, Tuscan Leather ist eine klare Sache, die mit toskanischer Vielfalt und Reichhaltigkeit wenig zu tun hat. Aber auch in der Toskana gibt es ja Klöster, die sich der Enthaltsamkeit verschrieben haben und allem überflüssigen Tand entsagen – diesen könnte Tuscan Leather entsprungen sein.

Habe ich vergessen zu sagen dass der Duft gut riecht? Er riecht gut!
Tja, Himbeeren und Leder – wer hätte das gedacht...

PS: Übrigens soll Harry Frémont für diesen Duft verantwortlich sein - nicht der Meister selbst. (Dacht ich mir´s...)
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