Beau de Jour 2019 Eau de Parfum

Chnokfir
06.01.2021 - 09:55 Uhr
32
Top Rezension
7
Preis
9
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft

Klassiker der Moderne

Letzten Sommer, als man trotz MNS noch einigermassen in Parfumerien Düfte testen konnte, war ich weder auf der Jagd, noch auf der Suche, sondern stromerte so an den Regalmetern vorbei, als mich in dieser wundervollen kleinen Parfumerie in Regensburg eine Stimme von schräg hinten fragte, ob ich etwas bestimmtes suche. "Einen Duft, der zu mir passt!" war meine frei improvisierte Antwort. Keine zehn Sekunden später hatte ich den ersten Teststreifen unter der Nase. Da stand ich nun in meinen ausgelatschten Adidas-Sambas, einer ausgebeulten Jeans und einem ausgewaschenen Iron-Maiden-Tour-Shirt und fragte mich, wie ich mit meinem fragmentarischen Französischkenntnissen "Beau de Jour" mit meiner Frage in Einklang bringen solle.

Ich sage es mal so: Ich bin kein Tom Ford Fan-Boy. Zu Recht stehen "Grey Vetiver" und "For Men" in meiner Sammlung, aber sonst? Ich gebe zu, diese 15 Meter langen Hochglanz-Counter in den Flagship-Stores mit ihren knappen 438 verschiedenen Flakons machen schon was her und werden auch regelmässig von mir abgegangen, doch zum Kauf kommt es nie. Zum einen überzeugt mich das Preis-Leistungs-Verhältnis so gar nicht, zum anderen ärgern mich die Flakons mit diesen absolut billigen Plastik-Stöpseln, die einfach nicht sitzen wollen, so richtig - für sowas gebe ich keinen Cent aus.

Doch hier habe ich mit "Beau de Jour" auf einmal einen schlichten Glaszylinder mit feiner Riffelung in der Hand, auf dem eine silberne Plakette prangt, darüber ein solider silberner Knöpke mit ebensolcher Riffelung, der auch nach passgenau abschliesst und nicht wie ein Lämmerschwanz wackelt. Die blassgelbe Flüssigkeit verleiht zudem einen klassischen, edlen Auftritt. Der sieht bestimmt gut aus neben "Grey Vetiver", denke ich mir so.

"Klassisch" ist dann auch der erste Gedanke, als ich nach dem ersten Schnüffler tätige. Da ist zunächst einmal nichts ausser Lavendel, doch von der zurückgenommenen, trockenen Sorte, die nicht sofort an Tante Elfriede oder Lavendelkissen denken lassen. Da sind schnell noch weitere grüne mediterrane Einschläge, da sind trockene Kräuter, da ist Eichenmoos und ein sehr zurückgenommenes und weiches Patchouli.

"Beau de Jour" ist ein sehr klassischer Herrenduft aus einer längst vergessenen Zeit, der sofort Erinnerungen weckt an Düfte, die man früher so oft gerochen hat, an Düfte, die man früher mal in der Sammlung hatte, an Düfte, die schon lange bei den grossen Ketten ausgelistet sind und grösstenteils entweder bis zur Unkenntlichkeit reformuliert sind oder traurigerweise schon längst eingestellt wurden.

Dennoch kann ich jede Frage zerstreuen, dieser Duft riecht nicht nach gestern: Kein Anklang von Mottenkiste oder Omas Bankberater mit den abgewetzten ledernen Ellbogenschonern am Sakko. Nein, "Beau de Jour" riecht zwar klar klassisch, doch eben nicht altbacken. Die Spitzen, die den Lavedel scharf riechen lassen würden, wurden abgemildert. Auch die Seifennoten, die jedes klassische Rasierwässerchen ausmachen, sind noch da, drängeln sich aber nicht penetrant in den Vordergrund. Dadurch wirkt man sich wie in einen weichen Mantel gehüllt, der einen sicher und fest umschliesst. Zwar ist so einiges an der Abstrahlung und Haltbarkeit verloren gegangen, doch ist "Beau de Jour" immer noch recht ausdrucksstark und bleibt auch deutlich länger differenziert wahrnehmbar als viele modernen Düfte.

Was soll ich sagen? "Beau de Jour" sieht gut aus neben meinem "Grey Vetiver." Und wenn ich "Beau de Jour" trage, dann tausche ich meine schwarzen Band-Shirts mal wieder gegen ein kariertes Hemd. Auch wenn es aktuell wegen Lockdown und Homeoffice niemand sieht. Aber ich bin immer noch ein kleinkarierter Buchhalter, da sollte das Outfit schon zum Duft passen.
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