Beau de Jour 2019 Eau de Parfum

loewenherz
19.07.2022 - 14:45 Uhr
74
Top Rezension
8
Flakon
6
Sillage
6
Haltbarkeit
7.5
Duft

Was wir hatten, war nicht nichts

Diese bittersüße Erkenntnis ist manchmal das Einzige, was bleibt, wenn es nicht gereicht hat für ein Leben. Wenn wir nicht festhalten konnten, was uns teuer schien, wie sehr wir es auch versuchten - vielleicht um so weniger, je mehr. Wieso auch immer. Und es dauert manchmal eine Weile - oft viel zu lange - bis wir jenseits der Traurigkeit zu sehen in der Lage sind, dass doch etwas geblieben ist. Dass die Jahre auch die scharfkantigste Scherbe schleifen, und diese Scherbe endlich, so tief sie auch ins Fleisch geschnitten haben mag, das Licht der grüngoldenen Sonne eines neuen Morgens bricht.

All das - das Bittersüße und die Traurigkeit, Bedauern und grüngoldenes Morgenlicht finde ich in Tom Fords Beau de Jour. Den als 'Schönling des Tages' zu übersetzen ich fahrlässig finde - geht in dieser trivialen Wortwörtlichkeit doch verloren, dass eine 'Belle de Jour' (die hier revers gegendert wird) mehr ist als eine harmlose 'Schöne des Tages', sondern eben auch eine 'Dame mit Tagesfreizeit' - und allem was man dort hineininterpretieren mag. Es liegen Versehrtheit und etwas Verlorenes in der 'Schönheit zur Tageszeit', und Versehrtheit und etwas Verlorenes liegen auch in diesem Duft.

Beau de Jour ist kein Lavendelduft. Natürlich ist da Lavendel, doch jenseits dessen ist er mehr. Beau de Jour ist jenseits des Lavendels die Erinnerung an einen Duft, wie man ihn früher machte - vor dreißig, vierzig, fünfzig Jahren. Ihn einen Fougère zu nennen, ist trotzdem ähnlich fahrlässig wie die wortgetreue Übersetzung seines Namens, denn er ist die Erinnerung eines Fougères - flüchtig hingeworfen, beinahe provozierend unpräzise. Und es ist das Flüchtige dieses Zitats - ein Herrenduft der Jugend derer, die jetzt nicht mehr jung sind - das ihm das Bittersüße, die Traurigkeit und das Bedauern gibt.

Fazit: ein vordergründiger Alltagsduft, der jenseits scheinbarer Banalität - Lavendel eben und Fougère, ein tausendfach gerochener Akkord - die Erinnerung an etwas lange Verlorenes mit der Gegenwart versöhnt. Wenn sich die Morgensonne in den geglätteten Kanten der Scherbe bricht, und wir endlich auch Dankbarkeit empfinden können und verstehen: was wir hatten und verloren haben - war nicht nichts.
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