Private Blend

Cherry Smoke 2023

loewenherz
29.05.2023 - 09:25 Uhr
49
Top Rezension
7
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
6
Duft

Ich kenne den nicht. Claudia kennt den auch nicht. Der war nie in Paris, den kennen wir nicht.

Der Akkord 'Kirsche' wird vermutlich in spätestens zehn Jahren einer derjenigen sein, an den wir uns nur noch erinnern werden - manche wehmütig, andere vielleicht mit Schaudern - als eine Mode und eine Laune der - ganz grob gesagt - 2010er Jahre. Kirsche (bzw. was in Parfums als solche gilt) ist keine der 'klassischen' Parfumingredienzen, sie wird auch keine mehr werden. Sie ist - bald wird man sagen: war - ein saisonaler Fling, ein heiteres Accessoire - eins, das in Mode kam und wieder ging. Ihr Abstieg hat bereits begonnen. Tom Ford ist spät dran dieses Mal.

Nachdem ich mich schon an zwei der drei Kirschdüfte aus dem Hause Ford mehr oder weniger freundlich abgearbeitet habe, hier nun der dritte: Cherry Smoke, der mutmaßlich verruchteste und dunkelste unter den dreien. Das Ergebnis gespoilert gleich vorweg: er landet hinter 'verloren' und vor 'elektrisierend' - kein Ärgernis, schon ganz okay, aber im Grunde (wieder) überflüssig. Weil eben 'ganz okay' für einen Tom Ford Private Blend - in einer Reihe immerhin mit der Generation, deren Fan ich seit guten fünfzehn Jahren (und noch immer) bin - kein Maßstab sein kann.

Wie die meisten Fruchtakkorde ist auch die Kirsche ein zuckriges, leichtfüßiges Geschöpf - eins mit einem recht deutlichen Hang zum Koketten, vielleicht Kindfraulichen. Es erfordert Balance und ein gewisses Je-ne-sais-quoi, um Düfte mit einer ausgeprägten Kirschnote gleichzeitig jung und modisch und doch geschmackvoll zu arrangieren. Guerlains Thierry Wasser, dem wir die Kirsche im Mainstream zu verdanken haben, ist dies in La Petite Robe Noire und seinen Sidekicks noch leidlich gut gelungen - wohl, weil das Frivole dem Französischen doch ein bisschen näher ist.

Cherry Smoke ist aber - wie die meisten Tom Ford-Düfte, und daran ist im Grunde ja nichts auszusetzen - ein in seiner Wesensart zutiefst amerikanisches Parfum, heißt: mehr Lautstärke, mehr Glamour und mehr 'Drag'. Der Kirsche steht das meinem Empfinden nach nicht besonders gut, der dunkleren noch weniger. Und finde ich sie in Guerlains Black Perfecto by La Petite Robe Noire - auch schon ein höchst manierierter Name - der hier gut Pate gestanden haben kann, noch spielerisch und souverän, verliert die dunkle Kirsche ohne das Französische auch noch das.

Cherry Smoke ist letztlich ein Klon. Und auch wenn es naiv ist, sich vorzustellen, dass Mister Ford persönlich nachdenklich mit der Nase über Duftproben sinniert - mutmaßlich hat er kein einziges 'seiner' (neueren) Parfums jemals gerochen, sondern eben nur Estée Lauder die Rechte an seinem Namen verkauft - so wünsche ich mir von einem Haus, das junge Klassiker wie Tuscan Leather, Noir de Noir oder Neroli Portofino erschaffen hat - über die man denken kann, wie man auch möchte - doch mehr als eine späte Kopie eines Trends im Niedergang. You can do better, Tom!

Fazit: 'Ich kenne die nicht. Claudia kennt die auch nicht. Die war nie in Paris, die kennen wir nicht.' Zwar meinte der unvergessliche Karl Lagerfeld mit diesem ikonischen Statement Heidi Klum, doch in die Welt der Düfte transportiert, passt es hier schon auch: wenn schon Kirsche, dann Paris!
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