07.04.2018 - 14:51 Uhr
FvSpee
323 Rezensionen
FvSpee
Sehr hilfreiche Rezension
14
Da bleibt kein Auge trocken!
Als ich heute eher zufällig erstmals in den Berliner "Urban Scents"-Laden in der Bleibtreustraße stolperte, geschah das genau im richtigen Augenblick. Hat doch die - wie ich gleich vorausschicken will: begnadete - Parfumeurin Marie Le Febvre, nach den acht Duftwässern der gewissermaßen "klassischen" Linie des Hauses gerade vor zwei Wochen fünf neue olfaktorische Werke zu Geruch und auf den Markt gebracht. So hatte ich die Gelegenheit, zwei dieser fünf brandneuen Düfte zu testen (genaugenommen hatte ich die Gelegenheit, alle zu testen, habe es aber zunächst einmal langsam angehen lassen), weshalb ich hier bei Parfumo auch einen noch jungfräulichen Acker bestellen darf (keine Statements, keine Kommentare, nicht mal eine Bewertung bisher).
Die neue "Urban-Scents"-Edition heißt "Vintage Spirit" und ist jeweils einer Situation, Person oder Idee gewidmet, die sich zudem auch auf ein Jahrzehnt bezieht. Zu jedem der fünf Düfte gibt es eine teilkolorierte Zeichnung des französischen Photographen und Illustrators Francois Cadière; im Berliner Laden steht auf fünf Podesten der betreffende Tester mit den Teststreifchen, und dahinter hängt schön gerahmt das Originalkunstwerk. Das Ganze kommt gar nicht schnöselig oder snobistisch daher, sondern ist höchst sympathisch und schlicht aufgemacht - es gibt auch einen Minikatalog, eher eine Art Theaterkurzprogrammheft, in dem die fünf Düfte mit dem dazugehörigen Bild kurz vorgestellt sind. Der Preis der Editionsdüfte hat es allerdings in sich: Aufgerufen werden 270 Euro für 100 ml EdP.
Nun aber zum Duft, den ich heute nur als Wegbereiter für größere Kommentatoren als ich es einer bin, ganz summarisch und kursorisch vorstellen möchte; nach nur einmaligem Testen wäre mehr auch vermessen.
Wer im ersten Absatz dieses Kommentars bei der Formulierung "einen jungfräulichen Acker bestellen" kurz gezuckt hat, der lag ganz richtig. Der Duft heißt nämlich "Eden Splash", was sich auf den erzlegendären, unkaputtbaren Playboy und Betreiber diverser (eher harmloser) Nachclubs (am berühmtesten: "Big Eden") im West-Berlin (vor allem) der 60-er bis 80-er Jahre bezieht, den inzwischen 88-jährigen Rolf Eden. Cadières Zeichnung zeigt einen recht muskulösen, jugendlichen Assi-Proll-Typen auf einer Art Barhocker in stilisierter tropischer Landschaft, nur mit Badehose und fettem Goldkettchen bekleidet, die Beine westernmäßig bis pornografisch gespreizt; vor einem Ensemble gigantischer Blätter, hinter denen eine junge langhaarige Schöne hervorlugt. Der Duft wird in der erwähnten Broschüre (auf Englisch) so beschrieben: "Eden Splash - Erkundet das maskuline Stereotyp fougère-artiger Frische der 80-er Jahre, einzigartig beseelt von einem Hauch Berlin. Der Fougère-Basisakkord enthält Lavendel, Geranie, Kumarin, Benzylsalizat, Patschuli und kristallines Moos. Der Berliner Touch wird von quietschlebendigem (noch besser übersetzt vielleicht: 'krachmunteren') grünen Apfel, Iso-E-Super und ein paar kleinen Geheimnissen ausgemacht".
Die Inhaltsangabe hier auf Parfumo ist ersichtlich aus dieser Broschüre übernommen. Etwas nähere Betrachtung verdient das "kristalline Moos" (im Original: "crystal moss"). Was soll das sein? Ein Wortspiel mit "Crystal Meth"? Eine Google-Recherche erbrachte in erster Linie "Crystal Moss" als Frauennamen (ist ja klar, "Crystal" ist ja ein verbreiteter Vorname, und "Moss" wie Kate Moss, da wird es weltweit einige Damen geben, die so heißen), und nachrangig einige Treffer für ein obskures "Crystal-Moss-Animal", das ist ein kleines Unterwassertierchen, das moosig aussieht. "Kristallines Moos" scheint es also nicht zu geben, hier wird offenbar bereits ebenso wie beim "quietschlebendigen grünen Apfel" (der anscheinend auf den Garten Eden anspielt) und den "kleinen Geheimnissen" heftig mit den Augen gezwinkert.
Und so empfinde ich dieses kleine Kunstwerk auch: Ein enorm gut gelaunter, aufgeräumter Duft, der so heftig mit den Augen zwinkert, dass keines davon trocken bleibt, und der einen Herrenwitz so elegant ironisiert, dass man sich nicht vor verquält-derbem Humor, sondern heiter und befreit auf die (selbsverständlich cowboymäßig gespreizten) Schenkel klopfen muss. Eine wirklich fette Dosis grüner Apfel und ein wirklich ordentlich abgehendes Electric Light Orchestra an Synthetiknoten, und doch fühlt man sich hier nicht im untersten Drogerieregal bei der Jungmännerplörre für den Muscle-Tempel oder die nächtliche Pirsch - mit diesen Assoziationen wird nur kunstvoll gespielt, denn das ganze ist in ziemlich eleganten, feinen, hellen Noten aufgefangen; ein Lavendel, der fast an einen britischen Gentleman aus dem Club erinnert, bevor dann aber doch wieder eine Patschuliwolke herüberweht. Ich finde das einen enorm wunderbar gelungen unernsten Duft. Selbst ein Herr von Welt kann "Eden Splash" tragen, wenn er Anlass zur Vermutung hat, dass sein Geschäftspartner oder sein Date Humor versteht. Und wenn er selbst es mit Humor nehmen kann, wenn dem Gegenüber nach einem tiefen Luftholen dann doch die Gesichtszüge entgleisen, er oder sie plötzlich dringend nach Hause muss und der so schön geplante Abend dann doch - höhöhö - in die Hose geht.
Eden Splash - Jawollja, auf die nächsten 88 Jahre!
Die neue "Urban-Scents"-Edition heißt "Vintage Spirit" und ist jeweils einer Situation, Person oder Idee gewidmet, die sich zudem auch auf ein Jahrzehnt bezieht. Zu jedem der fünf Düfte gibt es eine teilkolorierte Zeichnung des französischen Photographen und Illustrators Francois Cadière; im Berliner Laden steht auf fünf Podesten der betreffende Tester mit den Teststreifchen, und dahinter hängt schön gerahmt das Originalkunstwerk. Das Ganze kommt gar nicht schnöselig oder snobistisch daher, sondern ist höchst sympathisch und schlicht aufgemacht - es gibt auch einen Minikatalog, eher eine Art Theaterkurzprogrammheft, in dem die fünf Düfte mit dem dazugehörigen Bild kurz vorgestellt sind. Der Preis der Editionsdüfte hat es allerdings in sich: Aufgerufen werden 270 Euro für 100 ml EdP.
Nun aber zum Duft, den ich heute nur als Wegbereiter für größere Kommentatoren als ich es einer bin, ganz summarisch und kursorisch vorstellen möchte; nach nur einmaligem Testen wäre mehr auch vermessen.
Wer im ersten Absatz dieses Kommentars bei der Formulierung "einen jungfräulichen Acker bestellen" kurz gezuckt hat, der lag ganz richtig. Der Duft heißt nämlich "Eden Splash", was sich auf den erzlegendären, unkaputtbaren Playboy und Betreiber diverser (eher harmloser) Nachclubs (am berühmtesten: "Big Eden") im West-Berlin (vor allem) der 60-er bis 80-er Jahre bezieht, den inzwischen 88-jährigen Rolf Eden. Cadières Zeichnung zeigt einen recht muskulösen, jugendlichen Assi-Proll-Typen auf einer Art Barhocker in stilisierter tropischer Landschaft, nur mit Badehose und fettem Goldkettchen bekleidet, die Beine westernmäßig bis pornografisch gespreizt; vor einem Ensemble gigantischer Blätter, hinter denen eine junge langhaarige Schöne hervorlugt. Der Duft wird in der erwähnten Broschüre (auf Englisch) so beschrieben: "Eden Splash - Erkundet das maskuline Stereotyp fougère-artiger Frische der 80-er Jahre, einzigartig beseelt von einem Hauch Berlin. Der Fougère-Basisakkord enthält Lavendel, Geranie, Kumarin, Benzylsalizat, Patschuli und kristallines Moos. Der Berliner Touch wird von quietschlebendigem (noch besser übersetzt vielleicht: 'krachmunteren') grünen Apfel, Iso-E-Super und ein paar kleinen Geheimnissen ausgemacht".
Die Inhaltsangabe hier auf Parfumo ist ersichtlich aus dieser Broschüre übernommen. Etwas nähere Betrachtung verdient das "kristalline Moos" (im Original: "crystal moss"). Was soll das sein? Ein Wortspiel mit "Crystal Meth"? Eine Google-Recherche erbrachte in erster Linie "Crystal Moss" als Frauennamen (ist ja klar, "Crystal" ist ja ein verbreiteter Vorname, und "Moss" wie Kate Moss, da wird es weltweit einige Damen geben, die so heißen), und nachrangig einige Treffer für ein obskures "Crystal-Moss-Animal", das ist ein kleines Unterwassertierchen, das moosig aussieht. "Kristallines Moos" scheint es also nicht zu geben, hier wird offenbar bereits ebenso wie beim "quietschlebendigen grünen Apfel" (der anscheinend auf den Garten Eden anspielt) und den "kleinen Geheimnissen" heftig mit den Augen gezwinkert.
Und so empfinde ich dieses kleine Kunstwerk auch: Ein enorm gut gelaunter, aufgeräumter Duft, der so heftig mit den Augen zwinkert, dass keines davon trocken bleibt, und der einen Herrenwitz so elegant ironisiert, dass man sich nicht vor verquält-derbem Humor, sondern heiter und befreit auf die (selbsverständlich cowboymäßig gespreizten) Schenkel klopfen muss. Eine wirklich fette Dosis grüner Apfel und ein wirklich ordentlich abgehendes Electric Light Orchestra an Synthetiknoten, und doch fühlt man sich hier nicht im untersten Drogerieregal bei der Jungmännerplörre für den Muscle-Tempel oder die nächtliche Pirsch - mit diesen Assoziationen wird nur kunstvoll gespielt, denn das ganze ist in ziemlich eleganten, feinen, hellen Noten aufgefangen; ein Lavendel, der fast an einen britischen Gentleman aus dem Club erinnert, bevor dann aber doch wieder eine Patschuliwolke herüberweht. Ich finde das einen enorm wunderbar gelungen unernsten Duft. Selbst ein Herr von Welt kann "Eden Splash" tragen, wenn er Anlass zur Vermutung hat, dass sein Geschäftspartner oder sein Date Humor versteht. Und wenn er selbst es mit Humor nehmen kann, wenn dem Gegenüber nach einem tiefen Luftholen dann doch die Gesichtszüge entgleisen, er oder sie plötzlich dringend nach Hause muss und der so schön geplante Abend dann doch - höhöhö - in die Hose geht.
Eden Splash - Jawollja, auf die nächsten 88 Jahre!
8 Antworten