Valentino Uomo Intense

4ajbukoshka
18.09.2021 - 11:20 Uhr
12
Hilfreiche Rezension
10
Flakon
9
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft

Der italienische James Dean dieser Zeit

„Sie wissen schon, dass es sich hierbei um das Herrenparfum handelt? Ich zeige Ihnen gerne die Damenparfums. Kennen Sie schon das neue V…“
(„Ich weiß gerade vor allem eines: dass meine Voreingenommenheit in Bezug auf Mitarbeitende einer bestimmten Parfümerie-Kette leider berechtigt ist.“, hätte sie gerne geantwortet oder eine Predigt darüber gehalten, wie wenig professionell und verkaufsfördernd es sein kann, Nicht-Männern zu verbieten, Produkte zu kaufen, deren Marketing Männer als Zielgruppe erkoren hat, Stattdessen entweicht ihr allerdings ein höfliches) „Ja, danke. Ich möchte gerne testen, was sich bei der neuen Version hier abgesehen vom Flakon geändert hat.“

Der Flakon ist immer noch hübsch anzusehen, immer noch an Nieten von „Rockstud“ Taschen und Schuhe erinnernd, exklusiv, stilvoll - und jetzt mit Deckel und einer an SM-Spiele erinnernde Nietenhalskrause, die es nicht gebraucht hätte. Für einen Moment fragt sie sich, ob Valentino Garavani „der einzig Wahre“ auch insgeheim darüber gelacht hat, wenn er das Design denn überhaupt je zu Gesicht bekommen hat.

Tfft tfft. Ein Sprüher aufs Handgelenk, einer auf Papier. Für den Fall, dass dieser „Uomo“ nicht mehr er selbst ist, möchte sie ihren Wagemut nicht bereut haben.
Mehr als Tfft tfft braucht es dann auch nicht für die kleine Zeitreise.
Es ist Oktober 2020 und Tshajbukoshka bekommt einen Anruf. Ob sie kommen möchte. Signor Il Herzensbrechers beste Freundin hat zuhause all ihre Werke ausgestellt und eine kleine Vernissage daraus gemacht, für einen erlesenen Kreis, höchstens fünf Personen dürfen sie heute bewundern. Tshajbukoshka rechnet: Malena und ihr Freund sowie ihr bester Freund, dann wäre da noch Signor - und sie wäre die fünfte Person. Diese Gelegenheit würde sie sich nicht entgehen lassen! Schneller hatte sie noch nie die teuerste Flasche Primitivo aus dem Schrank in die Tasche, vom „anderen“, Mario, Valentino, gepackt und den Lippenstift nachgezogen. Sie hört ihn, bevor sie ihn sieht und ist aus dem Häuschen wie eine 14-jährige 2010 vor dem Konzert von Justin Bieber. Diese Stimme, tief, erwachsen, lauter als ein Staubsauger mit V8-Motor und vor Selbstbewusstsein nur strotzend. Vor ihrem geistigen Auge sieht sie ihn gestikulieren, dabei Sachen durch die Gegend werfen und sich hin und wieder mit einer (für die aufmerksamen Augen von Tshajbukoshka nicht) gut (genug) getarnten Kopfbewegung nach hinten die Locken wieder richten. Seine Präsenz ist förmlich spürbar, man könnte fast meinen, der Bass seiner Stimme lässt den Boden vibrieren, insbesondere, wenn er das ‚R‘ ausgedehnt rollt. Dem Charme der italienischen Neuauflage von James Dean entzieht man sich nicht so leicht, nicht einmal, wenn man ihm gerade angestrengt dabei zuhören muss, wie er, natürlich auf Italienisch, über die Kräuter auf seinem Balkon sinniert.
„Signorina, ich habe heute geraucht“, gesteht er ganz kleinlaut, während er sie mit gerunzelten Augenbrauen ansieht, einen Schmollmund macht und ihr die Wange hinhält. Sie riecht davon nichts. Er riecht wie immer so wie er aussieht: zum Anbeißen, geheimnisvoll, besonders, verboten gut. Oh mio Dio.
„Ein bisschen getrunken hast du aber, dann werde ich heute fahren.“ - „Wirklich? Sei meravigliosa! Ich dachte, du wärst sauer.“ (- Wie könnte ich nur sauer sein. Wahrscheinlich wäre ich es nicht einmal, würde ich morgens aufwachen und du hättest mir erzählt, dass du gerade meine halbe Lunge und Leber geklaut hast.) Sie lacht. Der Abend ist exzellent, die ausgestellten Kunstwerke beeindruckend - und trotzdem wird sich Tshajbukoshka in wenigen Monaten nach diesem Tag gefragt nur an ihn erinnern, wie er aussah, was er gesagt und getan hat - der italienische Leckerbissen, der sich stockbetrunken in sein eigenes Auto tragen lässt, nur um dann lauthals zu protestieren, weil er seiner Signorina noch die Fahrertür aufhalten und sich bei seinem Auto dafür entschuldigen muss, dass er nicht selbst fährt. Angeschnallt auf dem Rücksitz gibt er seine Interpretationen von Andrea Bocelli, Il Volo und Random zum Besten mit einer Inbrunst, die auf zehn Opernsänger schließen lassen könnte.
Irgendwann wird es leise. Der Gesang ist verstummt. Tshajbukoshka öffnet ihr Fenster und richtet den Rückspiegel, um ihn darin zu sehen, wie er mit ihrem Plüschtier in den Armen, die Locken in der Stirn, friedlich schläft. („Süüüß!“)
Zuhause angekommen bekommt sie ihn gerade wach genug, sich von ihr gestützt bis aufs Bett zu bewegen. In voller Montur. Der Geruch seiner Lederjacke bleibt dort bis zum nächsten Morgen, obwohl Tshajbukoshka es mit Mühe und Not schafft, ihn ihrer (und seiner Schuhe) zu entledigen. Deshalb also suchen die Leute in Horrorfilmen sich nie Entführungsopfer aus, die einen Kopf größer und mehr als dreißig Kilo schwerer sind als sie selbst.
Eine erschöpfte Tshajbukoshka wirft sich nach einem wundervollen Abend aufs Bett.
„Woher weiß man eigentlich, dass es Liebe ist?“
- „Wenn es an seiner Schläfe nach Zuhause riecht, dann weißt du es nicht, du fühlst es.“
Dieser Valentino, er ist es einfach.
Ein Satz, der zu Tshajbukoshka, Signor Il Herzensbrecher und Valentino gleichermaßen passt: „Ich bin ein Jahr später ein Jahr älter, aber abgesehen vom Äußeren habe ich mich nicht verändert, jedenfalls empfinde ich es so - und die, die mich kennen, wissen und bestätigen es gerne.“

Kommentar meiner Freundin: „Du riechst immer so lecker, für dich würde ich Kannibalin werden.“
Eine andere Freundin: „Sicher, dass du nicht lesbisch bist? Irgendwie betont es deine männliche Ader.“
Ihr Freund: „Darf ich auch mal? Der gefällt mir, hoffentlich steht er mir auch.“
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