Je Reviens 1932 Parfum

Alegra
08.07.2020 - 06:33 Uhr
31
Top Rezension
7
Flakon
7
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft

Der Zauber des Augenblicks

wird erst in der Retrospektive zu etwas kostbarem. Je reviens begleitet mich schon mein ganzes Leben lang. In der Kindheit der Duft meiner Oma, neben einigen anderen wie Shalimar , Mitsouko war es ihr Alltagsduft, ihr Signaturduft, zur Kindheit gehörend wie der Duft von Hühnersuppe. Hühnersuppe ist gut für die Seele, ob Erkältung, schlechte Schulnoten, Liebeskummer, Hühnersuppe gab Trost in der pubertären Trostlosigkeit. Und ihr warmer, schmeichelnden Duft, Sandelholz, Vanille, Veilchen. Noch heute liebe ich Veilchen. Nach ihrem Tod fand ich in ihrem Kleiderschrank 3 ungeöffnet Schächtelchen, Je reviens. Noch in Cellophan. Sie hatte sie sich selbst gekauft, das Preisschild befand sich noch auf den Schächtelchen. Woraus ich das schließe? 60 D Mark, genau 60. Nicht wie heute 59,99. Eine runde Summe und damals viel viel Geld. Ich sitze in ihrem Schlafzimmer, die Nachbarn sind fort, wer etwas von ihren irdischen Schätzen haben wollte , hat es mitgenommen, ich öffne ein angebrochenes Fläschchen, tupfe etwas auf mein Handgelenk , schnuppere, ich finde sie in diesem Duft nicht. Aldehyde, Zitrone , irgendeine stechende Note, gekippt?
Enttäuscht packe ich weiter ein, für die Caritas, und für den Müll. Und plötzlich..... pudrig, warm, süß, steigt es von meinem Handgelenk hoch, die lila Veilchenpastillen, die ich so gerne mochte, die Iris, die das ganze abpudert, etwas kräuteriges, aber nur leicht und seltsamerweise den Duft ihrer Gesichtscreme. Sie ist wieder da, in meinem Herzen, umarmt mich und endlich, endlich funktioniere ich nicht mehr, sondern kann weinen.

Zeitsprung: Jahrzehnte später, das Lebensschiff hat mich durch ruhige Gewässer und durch Stürme getragen. Und nach einem großen, wilden Sturm , in dem ich manchmal dachte, ich gehe unter, hatte ich endlich eine Insel erreicht. Wie Robinson richtete ich mich ganz neu ein.
In dieser Phase lernte ich einen Mann kennen, 35 Jahre älter als ich, Witwer,wo ich einen guten väterlichen Freund vermutete suchte er eine neue Partnerin.
Gentlemen alter Schule, lud er mich in die Oper ein, schrieb ganz altmodisch Briefe, gab mir manche Lebensweisheit mit, zähmte mein überbordendes Temperament , führte feinsinnige Gespräche mit mir, lehrte mich Geduld. Zu Weihnachten schenkte er mir dann ein Fläschchen Je reviens, das Parfum. Ich erwähnte nicht, dass ich die alte Version mehrfach zuhause hatte , bedankte mich.
Er erzählte, das sei der Lieblingsduft seiner verstorbenen Frau gewesen und ich dachte ganz ketzerisch: ne, ja, ist klar, und der Duft meiner Oma.
Ausgesprochen habe ich es nicht, wäre kein guter Stil gewesen.
Wir wurden nie ein Paar, aber er blieb mir immer als väterlicher Freund erhalten. Inzwischen weilt er gedanklich in einer anderen Welt,in der Vergangenheit, die tief verinnerlichten Grundwerte sind ihm erhalten geblieben , immer noch, wenn ich ihn im Seniorenstift besuche, rückt er mir den Stuhl zurecht, macht mir kleine charmante Komplimente , und wenn er die hiesige Welt ab und zu , zunehmend seltener betritt ist er auch noch ein angenehmer Gesprächspartner. Ansonsten bleibt mir nur, ihm zuzuhören, mich mit sehr unterschiedlichen Namen ansprechen zu lassen und seine, mir so fremde Welt zu betreten. Aber immer, wirklich immer, wenn ich ihn besuche, lächelt er und freut sich, das ist nicht bei allen Besuchern der Fall, er kann recht garstig werden.
Liegt es an je reviens, diese Wärme, diese sandelholzig veilchenlastige trockene Wärme? In welche Welt trägt ihn dieses Parfum? Kann olfaktorische Erinnerung die Vergangenheit stärker beeinflussen als z.B. Erzählungen?
Es wird wohl immer ein Rätsel für uns bleiben.
Aber je reviens bleibt unser gemeinsames Geheimnis
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