Vibe

Erba Pura 2013

Dobbs
05.07.2014 - 03:39 Uhr
37
Top Rezension
10
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft

Eigentlich wollte ich doch was ganz anderes kaufen …

Als ich mich mit einer lieben (Parfumo)- Kollegin nach Düsseldorf zum Sturm auf die dortigen Parfumerien aufmachte, hatte ich eigentlich recht klare Vorstellungen davon, mit welchem Duft ich wohl noch Haus fahren würde. Sorriso sollte es sein, oder vielleicht auch endlich ein Flakon meines heißgeliebten Angélique Noire. Eigentlich …

Darüber hinaus wollte ich gern möglichst viele Düfte meiner Merkliste kennenlernen, um diese endlich einmal auf ein übersichtliches Maß einzustampfen. Eine sehr freundliche Mitarbeiterin einer bekannten Parfumerie in den Schadow-Arkaden sprühte mit viel Fachkenntnis und unendlicher Geduld alle Testwünsche auf Streifen, Tücher oder noch freie Hautstellen, stellte noch weitere Düfte vor – kurz: mein Geruchssinn war auf der einen Seite total begeistert, auf der anderen jedoch aufgrund der Vielfalt komplett unentschlossen und total überfordert.

Bis dann auf einmal von einem der benachbarten Verkaufstische ein Duft herüberzog, der bei mir schlagartig alle halbwegs rationalen Überlegungen kurzschloss. Würde ich einen pinocchioartigen Zinken mein eigen nennen, hätte sich dieser unter Garantie wie in einem Comic rechtwinklig zur Seite gebogen, um diesem Geruch auf die Spur zu kommen. „Da … da … was ist das? Haben!“ konnte ich noch rausbringen, als die Verkäuferin sich auch schon zielsicher den schweren, lilafarbenen Flakon vom Nachbartisch schnappte und meine letzte freie Hautstelle einsprühte. Jaaaaa, getroffen!

Um wenigstens ansatzweise meinem Vorsatz treu zu bleiben, Düfte (und erst recht derartig kostspielige) nicht aus einer ersten Begeisterung heraus zu kaufen, gingen wir noch in Ruhe ein Eis essen, schauten uns diverse Geschäfte an, aber eigentlich hätte ich mir das auch sparen können, die Entscheidung war schon längst gefallen.

Warum nur hat mich dieser Duft so geflasht, der doch mit seinen vielen süßen Früchten so gar nicht meinen Vorlieben entspricht? Süße Früchte sind nämlich das, was mir zunächst sehr kräftig um die Nase weht. Viele vollreife Orangen kann ich erkennen, saftige Pfirsiche dürften auch im Spiel sein, sowie ein reichhaltiger Cocktail anderer, einzeln nicht mehr identifizierbarer Köstlichkeiten, vanilleumhüllt und lecker. Diese überaus kräftige Obstmischung ist aber schon nach kurzer Zeit und insbesondere mit ein wenig Entfernung zur bedufteten Stelle von einem irgendwie fremdartigen, aber doch vertrauten Geruch überlagert, der ein wenig Frische bringt, eine Anmutung von Holzigkeit und von Kräutern, dabei aber doch Weichheit und Wärme ausstrahlend. Lysistrate hat es mit ihrem Bild von dem weichen Seidentuch, das sich über den Obstkorb legt, sehr gut auf den Punkt gebracht.

Das wird dann wohl das „seltene Molekül, extrahiert aus einem raren, indischen Kraut“ sein, das auf allen einschlägigen Webseiten erwähnt, aber nicht näher erläutert wird. Wenn ich einen Vergleich finden müsste, würde ich „Erba Pura“ vom Duftcharakter her irgendwo bei „Escentric 01“ ansiedeln, obwohl es beileibe kein Duftzwilling ist. Das geheimnisvolle indische Kraut drängt den Fruchtcocktail nach einer guten halben Stunde immer mehr in den Hintergrund und tut sich mit perfekt dosiertem Amber und Moschus zu einem für meine Nase unglaublich gut komponierten, aber auch schwer zu beschreibenden Duftgemisch zusammen, das mich mit voller Wucht da trifft, wo für Überlegung, Vernunft und analytisches Sezieren kein Platz mehr ist.

Mit „Erba Pura“ habe ich völlig unerwartet einen astreinen Hundertprozenter gefunden, der neben seiner schon fast magischen Anziehungskraft auf meinen Geruchssinn eine überaus gute Haltbarkeit und starke Präsenz mit sich bringt. Ein Test vor den Kauf ist schon mit Hinblick auf den Preis absolut unerlässlich, wie die völlig unterschiedlichen Empfindungen meiner Vorkommentatoren zeigen, aber wenn das indische Kraut wirkt, dann wirkt es richtig!
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