Casamorati 1888

Casamorati - Lira 2011 Eau de Parfum

Moris44
10.12.2021 - 09:24 Uhr
9
Hilfreiche Rezension
8
Preis
10
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft

Gourmand mit Ultimatum: friss oder stirb!

Umgehend nach dem ersten, sorgsamen Sprühstoß - ich sprühe zum Testen niemals zweimal hintereinander, um keine überladenen und voreiligen (Duft-)Schlüsse zu ziehen - wurde ich von einer Horde wuchtiger, unversöhnlicher Parfümgeister niedergerungen und war deshalb verzweifelt nach Atem ringend fest entschlossen, nur als kurzes Statement zu schreiben: brutales Zeug...!
Nach kurzer Flucht auf den Balkon aber und mit Hilfe der frischen Morgenluft wurde ich gefasster und werde nicht vorschnell oder unfair urteilen; schließlich, wie oft schon wandelte sich eine olfaktorische Raupe in einen wunderschönen Schmetterling!
Tief einatmen also und versuchen, diese anfänglich sehr heftigen und mich in einen Irrwisch verwandelnden Empfindungen in Wort zu fassen...

Der Duft stürmte auf mich ein wie eine mit einem bergamottisierten Deckmäntelchen versehene, gnadenlos jeglichen Atemzug einhüllende mächtige, karamellisierte Vanillewolke, die keinerlei Spielraum zulässt für irgendetwas anderes. Selbst also bei nur einem kleinen Sprüh ist man der intensiven Wucht dieses Parfüms hilflos ausgeliefert, sofern man nicht zu den bedingungslosen und begeisterten Gourmand Anhängern gehört, die derlei gehaltvolle Süßigkeiten wie eine Offenbarung begrüßen!
Einer Kriegserklärung gleich, löste der Duft in mir den Griff zu den Waffen aus, die in diesem Fall aus Wasser und Seife - oder am besten gleich Sagrotan (!) - bestanden hätten, wenn ich dem Duft nach ein paar längeren Minuten nicht noch eine Chance gegeben hätte, sich noch einmal mit einem charmanteren Ansinnen zu präsentieren.

Es scheint, als hätte der Duft nun ein entschuldigendes, fast schon gewinnendes Lächeln aufgesetzt; gleichwohl ist er aber nach wie vor überzeugt, daß es seine Mission ist, alles und jeden ausschließlich mit Süßigkeiten zu füttern; anderes kommt nicht in Frage.
Meinerseits nun ebenfalls lächelnd muß ich ihm zugestehen, daß in seinem reichhaltigen Repertoire an Zucker-, Vanille- und Karamellbomben auch ein wenig Platz ist für weniger üppigere Cremespeisen; für nur gelegentliche Schleckermäulchen wie mich eine Wohltat, die ich doch eher 'mal nur ein selbst gemachtes Tiramisu oder eine einem Tartuffo ähnliche Köstlichkeit bevorzuge.

Der sahnig mächtige, marzipanige, Milchreis mit Zimt versetzte, Vanille und Karamell umarmende und mit gezuckerten Jasmin- und Rosenblüten reichhaltig garnierte Duft hat mich zwar nicht eingenommen oder bezwungen, aber wir haben uns mit weißen Fahnen auf dem Schlachtfeld getroffen, um letztendlich schmunzelnd beiderseits einzugestehen, daß wir nicht füreinander gemacht sind, aber es auch keinen Grund gibt, sich zu bekriegen.

Mit gegenseitigem Respekt verneigen wir uns voreinander und schelmisch zwinkert er mir noch einmal zu gemäß seinem Motto: irgendwann ich krieg' Dich!
(Aber da sollte er sich nicht so sicher sein...)
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