Secrets d'Essences - Voile d'Ambre 2005 Eau de Parfum

Kleopatra
25.06.2013 - 08:32 Uhr
5
7.5
Haltbarkeit
4
Duft

Die Schöne und das Biest

Ein großer Ball in der gehobenen Gesellschaft. Das Ambiente ist luxuriös, die festlich gekleideten Gäste stehen Champagner trinkend im Foyer. Plötzlich erhebt sich Gemurmel im Saal. Alle drehen die Köpfe zur Freitreppe, denn dort erscheint SIE. Sie ist einfach atemberaubend schön, wie sie dort steht. Ihr dunkles, glänzendes Haar ist zu einer kunstvollen Frisur aufgesteckt. Sie trägt ein schwarzes Kleid aus feinster Seide, das ihre phantastische Figur betont. Ihre Schuhe und Abendtasche – ebenfalls aus Seide – sind exakt auf ihr Kleid abgestimmt. Ihr dezenter, aber dennoch bemerkenswert kostbarer Brilliantschmuck stammt von einem der teuersten Juweliere. Ihre Aura ist dunkel, geheimnisvoll, warm, würzig und trotz oder gerade durch eine gewisse Unnahbarkeit atemberaubend sexy. Selbstbewusst schreitet sie langsam die Treppe hinab. Die Gäste raunen sich zu: „Wer ist denn diese umwerfend schöne Frau?“ „Das ist Prada Amber!“

Es ist nicht herauszufinden, wie sich ein weiterer Gast Zutritt zu diesem Fest verschafft hat, denn eingeladen hat sie gewiss niemand. Erstaunlich, dass sie unbemerkt an der Security vorbeikommen konnte, denn sie wirkt hier äußerst deplatziert. Auch nach ihr drehen sich die Köpfe. Ihr von vielen Dauerwellen und Färben weißblondes Haar ist lang und strohig, und am Scheitel zeigt sich ein dunkler Ansatz. Sie ist grell geschminkt. Ihr hautenges, schreiend pinkfarbenes Kleid hat schiefe Nähte, einen langen Schlitz und einen viel zu weiten Ausschnitt, der ihren ohnehin schon beeindruckenden Busen unnötig betont. Ihren billigen Glitzerschmuck, mit dem sie nicht gespart hat, hat sie von einem Modeschmuckständer eines Drogeriemarktes. Sie ist sehr stolz, dass sie für ihre pinkfarbenen Plastik-Highheels mit Plateausohle nur 19,95 Euro bezahlt hat. Ihre Aura ist extrem künstlich, unangenehm süßlich und synthetisch und nimmt jedem, an dem sie vorbeigeht, den Atem. Sie hat einen wohlklingenden Namen, der so gar nicht zu ihrer gesamten Erscheinung passen will. Sie heißt: „Voile d’ambre“.

Ich habe an diesem Abend beide Damen kennengelernt. Und ich gebe es zu, ja ich schäme mich dafür: Auch ich habe mich weggedreht, als sie an mir vorbeikam, wollte nichts mit ihr zu tun haben. Doch die arme kleine Voile ist ein Paradebeispiel dafür, dass man sich nicht vom ersten Eindruck täuschen lassen sollte. Wir sind im Laufe des Abends dann doch noch ins Gespräch gekommen. Wenn man sich ein bisschen Zeit lässt und sie näher kennenlernt, stellt man nämlich fest, dass sie eigentlich ein lieber Kerl ist. Sie hat ein weiches Herz und strahlt eine sanfte Wärme aus, die noch einige Stunden nachwirkt. Man fühlt sich dann so wohl und geborgen mit ihr, dass man ihren schrillen Auftritt wieder vergisst. Ein Stündchen sollte man ihr aber geben. Dicke Freundinnen werden wir sicherlich nicht werden, aber sie ist es durchaus wert, sich näher mit ihr zu beschäftigen.
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