Opium pour Homme 1995 Eau de Parfum

Sisyphos
21.05.2013 - 05:26 Uhr
10
Top Rezension
5
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
9
Duft

Die Höhle und das Krafttier

(Kommentar nun unter dem richtigen Parfum, EdP)

Die Höhle … das Krafttier. „Gleite!“, sagt der Pinguin in dem Film Fight Club zu Beginn zu Edward Norton. Das EdP Opium pour Homme hat etwas Rauschhaftes – und zugleich verkörpert es etwas Wohliges und Abgeschiedenes. Ein Bauernhof zum Beispiel, doch nicht im Sauerland, sondern irgendwo im pakistanischen Hinterland – oder eine Höhle eben, in der ein Pinguin zu einem spricht. Das Herausragende an diesem Duft ist für meinen Geschmack in theoretischer Hinsicht die Verbindung von Abenteuer und Sesshaftigkeit, von Rausch und Ruhe, von Suchen und Finden.

Und in praktischer Hinsicht? Der Auftakt ist beherzt und beschwingt; eine dunkle, rote nicht genau zu benennende Beerenfrucht zeigt sich. Schwer zu sagen, ob es sich um eine schwarze Johannisbeere handelt. Anis lässt mich dann erneut an so etwas Tsipouro denken (die kretische Variante des Raki, die auf Kreta häufig Tsikoudia genannt wird – ein Tresterbrand, der mit Anis aromatisiert sein kann). Möglicherweise liegen der eingangs erwähnte Bauernhof und die Höhle auch in den Bergen Kretas, wo ausgeprägte mafiöse Strukturen jenseits der Staatsgewalt existieren und sich so manch Illegales abspielt (auf Kreta dürfte es die meisten nicht registrierten Schusswaffen in Europa geben).

Ingwer und Pfeffer sind ein ganz schön starkes Stück, könnte man meinen, aber es passt in diesem Fall perfekt. Die Vanillenote ist zunächst nicht besonders süß, ich könnte mir jedoch vorstellen, dass sie eine ausgleichende Wirkung entfaltet und die geballte Power dieses Duftes ein wenig einfängt. Das merkt man vor allem gegen Ende des Duftverlaufs. Harzige, balsamische und aromatische sowie animalische Noten geben sich zu erkennen. Das ist sehr komplex und vielschichtig und zugleich unergründlich. Hinzu kommt immer wieder eine leicht säuerliche Note, die, wie ich finde, für ein wenig Frische sorgt, aber diesem Parfum auch etwas Eigentümliches verleiht (den eingangs erwähnten Bauernhof kann man auch wörtlich nehmen …).

Opium pour Homme EdP hat Kraft und Saft, Sillage und Haltbarkeit sind stark. Ein wunderbarer, rauchig-würziger und intensiver Orientale mit einem charmanten und leicht fruchtigen Start sowie einer ganz moderaten Süße. Das ist berauschend, inspirierend und sehr verführerisch. Vor allem ist dieses Parfum ein Charakterkopf und ein unmissverständliches Statement. Das ist kein weichgespültes Parfum, sondern verlangt vom Träger ein gewisses Selbstbewusstsein. Im Winter funktioniert dieser Duft wesentlich besser als in der heißen Jahreszeit.

Also: Black Afgano von Nasomatto und Opium pour Homme von YSL ins Gepäck und ab nach Kreta, auswandern, in den Bergen Ziegen und Schafe hüten und mit etwas Glück die Tochter des Dorf-Mafiosi für sich gewinnen. Wer braucht denn da noch einen Bürojob und eine betriebliche Altersvorsorge?
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