Der EO No°1 stellt eine der wohl schillerndsten Blaupausen im Nischen- resp. Artisan-Olymp dar. Diesbezüglich setzte Ensar vor einigen Jahren ein bemerkenswertes Ausrufezeichen, das bis heute unter Kennern nachhallt.
Das Erstlingswerk in den Händen zu halten, war mir leider nie vergönnt. Dessen Abkömmlinge sind zahlreich und zumeist durchweg gelungen – Qualität wurde bei Ensar durchaus groß geschrieben.
Nunmehr die Gelegenheit zu erhalten, den neuesten Flanker zu testen, der laut Herstellerseite weit an das Original heranreichen, dieses sogar – in puncto Rohstoff-Auslese –überflügeln soll, löst zumindest bei mir ein Gefühl der Vorfreude, aber auch des Zweifels aus.
Hinter den vorgefundenen wortgewandten Formulierungen (auf der Produktseite) verbirgt sich gewiss viel Leidenschaft, aber die quengelnde Ode an die eigene Betriebsamkeit, nur das Beste für sich und seine Kundschaft herausholen zu wollen, nervt in Anbetracht des offensichtlichen Marketings.
Seit einiger Zeit versucht Ensar neue (Vertriebs-)Wege einzuschlagen, nicht zuletzt mit dem Ableger Oudbar – mit Firmensitz in London. Bis auf wenige rühmliche Ausnahmen, an dieser Stelle sei auf den genialen Moshpit Pavarotti verwiesen, wollte mich zuletzt nichts mehr so wirklich in seinen Bann ziehen; das gilt in erster Linie für die perfumes.
Offenkundig stehe ich mit dieser Haltung nicht alleine da, das zeigen diverse kritische Einträge zu aktuellen Veröffentlichungen in der Statements-Rubrik.
Geht man diesen Klagen im Detail nach, so ist festzustellen, dass sie nicht ohne Berechtigung geführt werden. Allenthalben ist man bei diesem Thema eher zur Kritik als zur Unterstützung bereit, auch wenn die Summe aller Veröffentlichungen bei weitem mehr positive denn negative Stellungnahmen zutage fördert.
Fürsprecher dieser neuerlichen Entwicklung (werden) sagen, Ensar habe sich endlich geöffnet, bei Kritikern überwiegt hingegen das Gefühl einer fortwährenden Verwässerung, ausgehend von einer entkernten Brand-DNA, die die Bezeichnung Oud im Namen nicht mehr verdient. Also: Aufbruch zu neuen Ufern oder ein weiter wie bisher?!
EO 1: Sultani steht wohl für Letzteres, spinnt als Flanker bestehendes (in ähnlicher Weise) gekonnt fort - richtet sich also eher an die Vertreter des Status quo.
Denn von dem Augenblick an, als sich der dichte Sprühnebel auf meinem Handrücken niederlässt, werde ich von dem eigenwilligen Gefühl beschattet, (wieder einmal) altbekanntem erliegen zu sein.
Und dennoch ist irgendwie alles anders: Feinster, würzig-ambra'ierter (nicht Motten abwenden wollender) Lavendel paart sich mit frisch-blumigen Anklängen von Rose, geht über in eine balsamische, tendenziell leicht animalisch-anmutende ernste Holzigkeit (kein Stink!), die sich im Verlauf zu dunkel-schimmernden, trockenen Oud häutet.
Das verwendete Rosenöl ist von erstaunlicher Qualität und rundet gekonnt ab, anstatt unnötig im Duftverlauf auszuteilen. Seine eher glättende Funktion nimmt der Basis etwas an Schärfe, was dem Gesamtbild aber mitnichten schadet.
Die eingesetzte Ambra-Tinktur verleiht dem Oud auch nach mehreren Stunden eine (leicht) mineralische Note und unterstreicht dessen trockenes Grundgerüst mustergültig, das erst zum Ende hin deutlicher zum Tragen kommt.
Mit derartigen Eindrücken im Gepäck wird nüchtern zum Rapport angetreten. Keineswegs niedergeschlagen, aber in der Erkenntnis bestätigt: Dass bei Ensar nur noch wenig so genial erscheint, wie es gülden glänzt.
EO 1: Sultani ist nicht der erhoffte große Wurf, aber eine gekonnte Neu-Interpretation auf qualitativ allerhöchstem Niveau.
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Abschließende Worte zum Thema Rosen-Oud bzw. Rosen-Bestandteil in Oud-Düften:
Ich freue mich für gewöhnlich auf jedes Release, welches Oud abseits bekannter und/ oder zertrampelter Rosen-Pfade, in möglichst natürlicher Weise zu applizieren versucht.
Rose ist nicht gleich Rose – ein Appell, der um so verständlicher wirkt, wenn man sich die Vielzahl an veröffentlichen Rosen-Ouds vor Augen hält.
Nahezu jede Marke versucht sich (gefühlt) an diesem Dualismus und scheitert für gewöhnlich in aller Regelmäßigkeit daran, etwas gekonnt neu umzusetzen. So ist es weniger verwunderlich, dass der Markt bereits hoffnungslos übersättigt ist, was die großen Konzerne und Nischen-Klitschen aber nicht davon abhält, munter (weiter) drauflos zu produzieren. Ziel ist nicht Variabilität, sondern Rentabilität; ein erfolgreicher Kassensturz setzt zuvorderst am Themenfeld Haltbarkeit und Sillage an, was die Käuferschichten von heute mehr denn je zu bewegen scheint.
So wird im Endeffekt mehr - über bestehendes Marketing - verraten, als über vereinzelte Formeln geschwiegen: Der Ideenhimmel erscheint restlos entzaubert, Auszüge hiervon haben unlängst an Magie eingebüßt und/ oder sich gewissermaßen selbst überlebt, da ohnehin mit allem und jedem Geld zu machen ist.
Das ist der einzige Kummer, den ich gewissermaßen teile, sobald mein Blick über die zahlreichen unnötigen Veröffentlichungen der letzten Zeit schweift, die einfach kein Ende nehmen wollen. Man könnte auch sagen: andauerndes (seelenloses) Stellschrauben-Gedrehe im Schreckschuss-Modus.