Caligari
01.05.2021 - 09:22 Uhr
17
Top Rezension
10
Preis
8
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
8.5
Duft

Die Metamorphose des Tanoishi

Liebhaber von blumen- und weitestgehend fruchtlosen, eher dunklen Düften stellen sich oft die Frage, was eigentlich dieses "Oud" ist, welches so häufig in Düften als Ingredienz angegeben wird. Und die Frage, gerade angesichts dessen, dass in den allermeisten Düften Oud ja nicht mal in natürlicher Form vorliegt konkret zu beantworten, wäre so, als würde man eine griffige Antwort auf die Frage "Wie schmeckt Wein?" geben.

Oud umfasst nicht nur ein riesiges Spektrum an extrem facettenreichen Erscheinungsformen, sondern auch innerhalb eines einzigen Öles zeigen sich wiederum zahlreiche Noten, die in unterschiedlicher Stärke, Dauer, Frequenz mit anderen Noten interagieren. Wer eine große Bandbreite der von mir bevorzugten Noten, die in echten Oud-Ölen vorkommen erleben möchte, kann sich gern mit mir auf die Reise mit und in "Tanoishi" begeben.

Wie so viele Ouds ist "Tanoishi" weitestgehend um das Thema "Holzigkeit" aufgebaut. Welch Wunder, wurden diese Öle ja schließlich im Holz "geboren". Und wie die meisten Oud-Öle verläuft auch "Tanoishi" mit der Zeit von dunkel nach hell. Dies ist sicherlich auch dem Nachlassen der Strahlkraft geschuldet. Wobei gute Oud-Öle sehr anhaltend und nicht selten weit länger als 24 Stunden detektierbar sind.

"Tanoishi" startet dumpfholzig, leicht animalisch, mit wenig Rauch und einer Spitze ätherischer Harze, die einem tief in die Nase steigen. Immer mehr dieser ätherischen Schlieren mittleren Grüns durchziehen das dunkelbraune Holz und lösen sich. Übrig bleibt ein Stück zerfurchter alter Wurzel, welche im Morast eines schattigen Waldsees verrottet.

Eine kurze Phase die an feuchte Holzspäne und herbes Leder erinnert folgt und leitet die nicht mehr zu stoppende Aufhellung ein. Das Holz wird nun rot. Weitere ätherischen Schwaden wecken Assoziationen an Rotwein auf dem Grund eines alten Holzfasses. Mit dem Duft, der an eine Mischung aus Pflaumenmus und -wein erinnert, wird die Beteiligung von Früchten vorerst abgeschlossen.

Denn jetzt folgt der Mittelteil aus dunkelholzigem, kräftigem Oud, wie ich es mittlerweile nicht anders beschreiben kann, so einzigartig ist dieser Duft. In diesem Stadium der Metamorphose hält sich der Duft längere Zeit auf, ehe eine weitere Aufhellung erfolgt. Es gesellen sich Honig und Röstaromen einer frischen, röschen Schwarzbrotkruste hinzu.

Bevor der Duft mit einem Geflecht aus trocknerem, hellem Holz, etwas Trockenobst und mittelbraunem Leder endet, werden in der Übergangszeit immer wieder Noten von Sherry- und Whiskey-Fässern laut.

Viele werden anhand dieser Schilderung verstehen können, warum Oud die einzige Ingredienz ist, die bei Parfumo für sich allein als Duft aufgenommen wird.

Wie ich an den Duft kam – Ein kleiner Exkurs:
Der Trauer darüber, dass es Koishi, von dem ich eine Probe habe und der mich so vom Hocker gerissen hatte, nicht mehr gab, folgte die Freude über ein Mitbringsel von PallasCC. Sie setzte sich, ohne mein Wisse, just mit Adam von EO in Verbindung. Er empfahl ihr den mindestens zu 95 % identischen Tanoishi welchen sie mir dann anlässlich unseres kleinen Oud-Festivals geschenkt hat. Vielen Dank liebe PallasCC, der großen Oud-Expertin ♥.
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