08.08.2020 - 05:46 Uhr

FvSpee
323 Rezensionen

FvSpee
Top Rezension
38
Tulpe ist das neue Leder
Über den Unterschied moderner Lederdüfte von denen alten Stils ist in diesem Forum viel geschrieben worden, auch von mir. Vielleicht nicht am wissenschaftlich exaktesten, aber jedenfalls unschlagbar bildhaft hat das Konsalik in seinem (erstaunlich unterpokalierten) Kommentar zu Leather Blend von Davidoff getan: Bevor die Duftindustrie Leder wirklich nachbilden konnte, rief sie die angrenzenden und umgebenden Dufteindrücke hervor, sodass sich im Kopf des Wahrnehmenden die Lücke wie von selbst mit Leder schloss. Heute wird einem das Leder einfach vor den Latz geknallt. So wie bei den zwei Methoden, ein erotisches Bild zu konzipieren: Man kann einen auf den Boden gefallenen Seidenstrumpf zeigen oder einen grell ausgeleuchteten nackten Körper.
Die radikalere Herausforderung ist in dieser Hinsicht der Tulpenduft. Denn Tulpen riechen nicht. Jedenfalls nicht, wenn man keine Biene ist. Es bleibt hier also von vornherein nur die indirekte Herangehensweise. Lehmann ist es bei diesem Duft vortrefflich gelungen (ähnlich wie Byredo mit La Tulipe, die beiden Düfte wären eine Parallelrezension wert), mit ganz einfachen Mitteln dasjenige sinnlich einzufangen, was die Tulpe geistig umgibt und was ich auch nicht treffender ausdrücken kann als Ttfortwo (deren glänzenden Kommentar ich sehr empfehle, und zur Ergänzung vielleicht noch die von Gelis und Asphodel), weshalb ich es von ihr übernehme: Frühling und Frühsommer, Frische, unkomplizierte Schönheit, Morgenfeuchtigkeit und Blumigkeit ohne Duft- und Bedeutungsschwere.
Für die Lehmannsche Tulpe wurde ein Dreieck aufgespannt aus einer deutlichen, womöglich sogar im Vordergrund stehenden, herb-samtigen Zitrik, einer wirklich ungewöhnlich schönen, aber sehr unaufdringlichen und recht unspezifischen floralen Note, die ich dem Veilchen stimmig zuschreibe, und einem starken grünen Element, das an Wiesen und Sträucher im Morgentau erinnert und von Tulpenblättern herrühren könnte. Und in der Mitte des Dreiecks erblüht dann: Die Tulpe.
Was den an zweiter Stelle genannten floralen Pol angeht, hielte ich übrigens auch einen Anklang von Geißblatt und, mehr noch, von Freesie, für plausibel. Die oben in der Duftnotenbeschreibung (die nicht vom Hersteller kommen dürfte, da HL nie Noten angibt) genannte Rosengeranie kann ich nicht wahrnehmen und verbürge mich dafür, dass der Duft jedenfalls nicht promiment nach dieser auch von mir gelegentlich als schwierig empfundenen Blume riecht. Vielleicht ist nur ein wönziges Schlöckchen davon drin, um den leichten Duft mit mehr Substanz zu versehen.
Der Duft in seiner Gesamtkomposition ist von klassizistischer, wohlausgewogener Schönheit. Es gibt da keine Überhänge, nichts Exzentrisches und Anstößiges. Die Zitrik sticht nicht aggressiv hervor (Tulpe ist, obwohl ein Sommerduft mit Zitrik, unendlich weit entfernt von einem Cologne), die Blumen werden niemals dominant schwerblütig-schwermütig und der Grünton kippt nie ins grünlich-gemüsige (wie etwa bei Sisleys Eau de Campagne, das ich durchaus sehr mag). Letztlich brenne ich meist doch für solche im perfekten Gleichgewicht stehenden Düfte, ich bin eben im Herzen Apolliniker.
Tulpe wird hier vornehmlich als Damenduft empfunden. Das ist nicht völlig abwegig. Der Duft ist gewiss ausgesprochen kleidsam für die Damenwelt. Er ist da für alle Altersklassen von der Seniorenresidenz bis zur gymnasialen Mittelstufe uneingeschränkt freigegeben. Ich sehe ihn eher in Büro und Werkstatt sowie in der Freizeit und beim Sport (wenn man denn dort Düfte trägt) als bei mondänen Unternehmungen (obwohl er auch gut zu einer sommerlichen Theater-Freiluftaufführung passen würde). Ich behaupte, er setzt seiner Trägerin ein Glanzlicht an Anziehungskraft aus, wobei er eher eine vitaminreiche, sportliche und gut gewaschene Lätta-Sexiness (oder alternativ eine gelassene Empirekleid-Schönheit) als komplizierte Verruchtheit ausstrahlt.
Die Sicht auf Tuple als Damenduft könnte aber auch davon beeinflusst sein, dass Soliflore (wobei das hier ja nur ein Nominal-Soliflor ist) eher als nicht so männlich gelten. Man(n) kann Tulpe allerdings auch mindestens genauso gut als zitrisch-grünen Sommerfrischeduft im Stil von Creeds Original Vetiver betrachten, und dann wird er uneingeschränkt herrentauglich. Ich benutze Tulpe regelmäßig und bin davon noch immer so angetan wie zu Beginn. Meine Punktwertung, die ich spätestens zu dem Zeitpunkt festgelegt habe, als ich das Statement verfasste, habe ich aus gutem Grund nie geändert, Tulpe ist und bleibt eine 9 für mich. Worüber ich mich heute nur etwas wundere, sind die 9 Haltbarkeitspunkte. Möglicherweise hat (ich habe inzwischen nachgekauft) der Hersteller unter dem Einfluss irgendwelcher Richtlinien die Fixative abschwächen müssen (er hat mal sowas angedeutet, aber nicht spezifisch zu diesem Duft).
Nicht enthalten ist "Tulpe" in dem von mir initiierten aktuellen Wanderduftpäckchen (mein erstes...), für das noch ein paar Plätze frei sind. Wer sich interessiert: Im Forum nachsehen.
Die radikalere Herausforderung ist in dieser Hinsicht der Tulpenduft. Denn Tulpen riechen nicht. Jedenfalls nicht, wenn man keine Biene ist. Es bleibt hier also von vornherein nur die indirekte Herangehensweise. Lehmann ist es bei diesem Duft vortrefflich gelungen (ähnlich wie Byredo mit La Tulipe, die beiden Düfte wären eine Parallelrezension wert), mit ganz einfachen Mitteln dasjenige sinnlich einzufangen, was die Tulpe geistig umgibt und was ich auch nicht treffender ausdrücken kann als Ttfortwo (deren glänzenden Kommentar ich sehr empfehle, und zur Ergänzung vielleicht noch die von Gelis und Asphodel), weshalb ich es von ihr übernehme: Frühling und Frühsommer, Frische, unkomplizierte Schönheit, Morgenfeuchtigkeit und Blumigkeit ohne Duft- und Bedeutungsschwere.
Für die Lehmannsche Tulpe wurde ein Dreieck aufgespannt aus einer deutlichen, womöglich sogar im Vordergrund stehenden, herb-samtigen Zitrik, einer wirklich ungewöhnlich schönen, aber sehr unaufdringlichen und recht unspezifischen floralen Note, die ich dem Veilchen stimmig zuschreibe, und einem starken grünen Element, das an Wiesen und Sträucher im Morgentau erinnert und von Tulpenblättern herrühren könnte. Und in der Mitte des Dreiecks erblüht dann: Die Tulpe.
Was den an zweiter Stelle genannten floralen Pol angeht, hielte ich übrigens auch einen Anklang von Geißblatt und, mehr noch, von Freesie, für plausibel. Die oben in der Duftnotenbeschreibung (die nicht vom Hersteller kommen dürfte, da HL nie Noten angibt) genannte Rosengeranie kann ich nicht wahrnehmen und verbürge mich dafür, dass der Duft jedenfalls nicht promiment nach dieser auch von mir gelegentlich als schwierig empfundenen Blume riecht. Vielleicht ist nur ein wönziges Schlöckchen davon drin, um den leichten Duft mit mehr Substanz zu versehen.
Der Duft in seiner Gesamtkomposition ist von klassizistischer, wohlausgewogener Schönheit. Es gibt da keine Überhänge, nichts Exzentrisches und Anstößiges. Die Zitrik sticht nicht aggressiv hervor (Tulpe ist, obwohl ein Sommerduft mit Zitrik, unendlich weit entfernt von einem Cologne), die Blumen werden niemals dominant schwerblütig-schwermütig und der Grünton kippt nie ins grünlich-gemüsige (wie etwa bei Sisleys Eau de Campagne, das ich durchaus sehr mag). Letztlich brenne ich meist doch für solche im perfekten Gleichgewicht stehenden Düfte, ich bin eben im Herzen Apolliniker.
Tulpe wird hier vornehmlich als Damenduft empfunden. Das ist nicht völlig abwegig. Der Duft ist gewiss ausgesprochen kleidsam für die Damenwelt. Er ist da für alle Altersklassen von der Seniorenresidenz bis zur gymnasialen Mittelstufe uneingeschränkt freigegeben. Ich sehe ihn eher in Büro und Werkstatt sowie in der Freizeit und beim Sport (wenn man denn dort Düfte trägt) als bei mondänen Unternehmungen (obwohl er auch gut zu einer sommerlichen Theater-Freiluftaufführung passen würde). Ich behaupte, er setzt seiner Trägerin ein Glanzlicht an Anziehungskraft aus, wobei er eher eine vitaminreiche, sportliche und gut gewaschene Lätta-Sexiness (oder alternativ eine gelassene Empirekleid-Schönheit) als komplizierte Verruchtheit ausstrahlt.
Die Sicht auf Tuple als Damenduft könnte aber auch davon beeinflusst sein, dass Soliflore (wobei das hier ja nur ein Nominal-Soliflor ist) eher als nicht so männlich gelten. Man(n) kann Tulpe allerdings auch mindestens genauso gut als zitrisch-grünen Sommerfrischeduft im Stil von Creeds Original Vetiver betrachten, und dann wird er uneingeschränkt herrentauglich. Ich benutze Tulpe regelmäßig und bin davon noch immer so angetan wie zu Beginn. Meine Punktwertung, die ich spätestens zu dem Zeitpunkt festgelegt habe, als ich das Statement verfasste, habe ich aus gutem Grund nie geändert, Tulpe ist und bleibt eine 9 für mich. Worüber ich mich heute nur etwas wundere, sind die 9 Haltbarkeitspunkte. Möglicherweise hat (ich habe inzwischen nachgekauft) der Hersteller unter dem Einfluss irgendwelcher Richtlinien die Fixative abschwächen müssen (er hat mal sowas angedeutet, aber nicht spezifisch zu diesem Duft).
Nicht enthalten ist "Tulpe" in dem von mir initiierten aktuellen Wanderduftpäckchen (mein erstes...), für das noch ein paar Plätze frei sind. Wer sich interessiert: Im Forum nachsehen.
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