Memo als duftkünstlerische Ambivalenz hat es mir angetan. Und natürlich bin ich neugierig auf so viele deren Kompositionen wie möglich. Aber pauschal überragend finde ich sie nicht.
Es gibt Kompositionen des Hauses, die ich grenzenlos feiere und welche, die ich nur in allen Belangen abwinken kann. Zwischen ‚Hab ich schon zu oft gerochen‘ bis ‚Ist das eklig blumig-süss‘ auf der einen Seite und ‚Wieso hab ich den nicht schon vor Jahren entdeckt?‘ und ‚einfach nur ein Traum‘ auf der anderen Seite zieht sich besagte Ambivalenz in meinem Fall.
Die Reihe Cuir Nomade thematisiert verschiedene Interpretationen von Lederakkorden und Lederdüften. Und hatte ich bisher gedacht, dass Ocean Leather so gar nichts mit der Grundidee zu tun hat, findet sich hier der zweite Vertreter, bei dem ich den Begriff ‚Leather‘ nicht so ganz eindeutig finde.
Klar, ich war vorgewarnt und hatte eine angepasste Erwartungshaltung, doch wollte ich es wissen und habe mir eine Probe besorgt und mich drauf gefreut. Auf dem Papier aufgetragen war ich zumindest so irritiert, wie ich erwartet hatte.
Mein Erwartungen mit der Assoziation ‚Russian Leather‘ war ein harziger, von Fichten, Tannen, Moosen und Kräutern durchzogener Duft mit holziger, stark ledrigen Basis und einer alkoholischen Beinote, der ganze Nächte durchhält. Dabei möchte ich überhaupt nicht vorurteilend wirken, nur selbst das Etikett gibt mir ähnliche Vibes.
Aber was dann kam…
Es wird grün um mich, ziemlich stark sogar und vermutlich die größte Ansammlung grüner Noten, die mir bei Memo bisher untergekommen sind. Basilikum und ‚Fougèrenoten‘, sowie zarte Minze dominieren den Auftakt, der Lavendel nölt anfangs nervig aus dem Hintergrund und die Nadeln fühlen sich fehl am Platz. Erst als sich der würzige Teil der Komposition nach rund einer halben Stunde Raum schafft, wird es etwas klarer und offensichtlich lichtet sich der wolkenverhangene Himmel. Die Komposition wird insgesamt trockener. Die ledrigen Noten sind für mich allerdings so verhangen von Holz, Süße und Kräutern, dass ich sie nicht als solche wahrnehmen kann, bis etwa nach drei Stunden die ledrig-würzigen und sehr angenehm mit Lavendel und Nadeln umspielten Noten hervortreten und sich richtig gut anfühlen.
Der Wolf mag den Mond anheulen, denn so nächtlich empfinde ich diesen Teil der Komposition, doch ist der eher zaghaft und allein, statt wild, was der Gesamtkomposition vielleicht ganz gut getan hätte. Etwas Rauheit. Obwohl wenn man bedenkt, dass heute auf dem Flakon ein Bär prangt. Wobei der vielleicht weniger wilde Assoziationen weckt…
Ich hatte es ja schon bei meiner Rezension zu Ocean Leather erwähnt, aber der Mythos, man würde die Basis der Reihe immer beibehalten und nur das darauf liegende Konstrukt verändern, ist hier abermals widerlegt. Die mich umhauenden Basen von "Cuirs Nomades - Moroccan Leather | Memo Paris" und "Cuirs Nomades - Irish Leather (Eau de Parfum) | Memo Paris" oder auch "Cuirs Nomades - African Leather (Eau de Parfum) | Memo Paris" können hier erneut nicht verglichen werden. Die gesamte Komposition finde ich ebenfalls weniger ‚logisch‘. Es fehlt das abhebende Merkmal und gleichzeitig ist er aber auch nicht kantig genug, für meine Erwartungen. Und auch sonst empfinde ich ihn als sehr zaghaft, leise, unaufdringlich hautnah.
Warum?
Im Auftakt kommt mir fast die grüne Frische von
03 Century in die Nase, mit der Zeit gibt es ein abgeschwächtes
Russian Leather Eau de Toilette. Der ist aber nicht nur viel günstiger, sondern auch in meinem Schrank. Und dennoch habe ich mir den Flakon zugelegt. Weil er einfach doch richtig schön gemacht ist.
Ja, ich mag die Memo-Flakons. Mehr als ich mir manchmal zugestehen mag und was schon zu einigen Blindkäufen der Marke geführt hat (Hallo Vergangenheits-Ich). Vielleicht habe ich mich jetzt auch entgegen meiner früheren Überzeugung, ich möchte abwarten, doch für den Flakon entschieden, solange es noch den Wolf darauf gibt. Man muss ja realistisch bleiben.