Bei Moon Fever wurde mir wieder einmal so richtig bewusst, welche Bedeutung der Name eines Duftes haben kann. Der Name Moon Fever sprach mich sofort an. Ich liebe den Mond, beobachte seine Phasen und seine Reisen durch die Tierkreiszeichen. Mondfieber erinnert mich an den 21. Juli 1969, an dem die ersten Menschen auf dem Trabanten landeten und natürlich einen wahren Hype auslösten. Meine näheste Begegnung mit dem Mond fand im Meteoritensaal des Naturhistorischen Museums Wien statt, wo ich ein wenig lunares Basaltgestein bewundern konnte, das von der Besatzung von Apollo 15 eingesammelt worden war und dem Museum freundlicherweise als Dauerleihgabe von der NASA zur Verfügung gestellt wurde. Es war beeindruckend, Auge in Auge dem unspektakulären Gestein gegenüberzustehen, das von so weit durch den Weltraum zu uns gekommen war.
Mondfieber hat für mich einen utopischen Touch. Ich denke an schlanke, silberne Raketen und Astronauten in ihren Schutzanzügen und Helmen, die sich schwerelos im Staub dieses Planeten bewegen.
Wahrscheinlich bin ich nicht die Einzige, die derartige Assoziationen von Moon Fever hat: der Triumph der moderne Raumfahrttechnologie, der fast alles möglich zu machen scheint. Dementsprechend stellte ich mir den Duft vor – eine olfaktorische Interpretation der Fahrt der Menschen zum Mond, bei der ein jahrtausendealter Wunsch von uns Humanoiden Wirklichkeit wurde. Ich freute mich auf diesen Duft, den ich mir aufregend und innovativ dachte, silbrig schimmernd, kühl, nächtlich, magisch und futuristisch.
Die Duftpyramide klang interessant: Viel Zitrisches, aber auch Vetiver, Leder, Salbei und Tonkabohne. Neroli nicht zu vergessen. Innerlich runzle ich schon ein bisschen die Stirn. Ich hätte eher etwas Pudrig-Holziges erwartet wie Bois d’Argent oder dessen von mir sehr geschätzten Zwillingsbruder Bois d’Iris mit Iris, Ambra und Vetiver. Doch davon ist Moon Fever in der Tat weit entfernt. Sehr weit.
Schnuppert man am Flakon, spürt man schon etwas Herb-Maskulines, Wildes. Ungezähmte Natur, sozusagen.
Beim Aufsprühen bewahrheitet sich diese maskuline Note. Reinster Barbershop: frisch, unsüß, maskulin. Von den drei Zitrusakkkorden Bitterorange, Grapefruit und Zitrone merke ich erstaunlicherweise wenig. Eher schon von Neroli und Muskatellersalbei. Den erkenne ich sofort wieder – von einem anderen Duft, der auch als zitrisch-frisch beschrieben wird, mir aber für ein Unisex-Parfum ebenfalls zu männlich-herb war: Oudh al Misk von Rasasi.
Auch Moon Fever erinnert mich an ein Rasierwasser – würzig, herb, süßlich.
Mit dem von mir imaginierten Syntho-Duft hat das alles überhaupt nichts zu tun. Das, was ich hier erlebe, ist eher ein Ethno-Duft, der mich nach Afrika, in die Savanne bringt.
Weitere Recherchen zeigen mir, wie richtig ich dabei liege. Aliénor Massenet, die den Duft kreiert hat, ließ sich dabei angeblich von ihren Träumen und Reisen inspirieren. Clara Molloy, die 2007 das Label gründete, steuerte wohl die Eindrücke ihrer Afrikareise bei – die Savanne, über der tagsüber unerträgliche Hitze lastet. Erst nachts wagen sich die wilden Tiere heraus. Moon Fever soll den Moment wiedergeben, in dem sie sich aus ihrem geschützten Unterschlupf ins Freie wagen, den Kopf in den Sternenhimmel gestreckt, die Nase schnuppert im Wind.
Der Duft ist eindeutig mehr Afrika als alles, was mit dem Mond zu tun haben könnte. Der Name Moon Fever ist irreführend. Verständlich wird das Ganze, wenn man erfährt, dass der Duft eigentlich Moon Safari heißt. Das wäre auch der passendere Name. Dass das Parfum zur Serie Echappées gehört, spricht für sich. Es bedeutet nämlich so etwas wie Ausbrechen oder Flüchten. Ich interpretiere es als Flucht aus der Alltagsroutine, zumindest für die Momente, in denen man den Duft erlebt, der uns ins dunkle Afrika versetzt, in ein magisches, naturbelassenes Land, in dem es noch in Freiheit lebende wilde Tiere gibt.
Für mich ist der Duft ein Herrenparfum: schwer, maskulin, aromatisch, erdig und etwas rauchig. Das Leder steuert eine bitter-herbe, animalische Note bei.
Frisch erscheint der Duft höchstens ganz am Anfang. Bald dominieren die würzigen Nuancen.
Der Duft wird vom Hersteller Memo Paris auch als „the leather side of vetiver“ beschrieben.
Der Flacon betont den Ethnocharakter. Das Etikett ist mit Mondsicheln und stilisierten libellenartigen Fluginsekten übersät. Wenn man weiß, dass der Duft tatsächlich Moon Safari heißt, macht das alles Sinn. Afrika steht im Vordergrund, nicht der Mond. Demnach erscheint der Duft auch dynamisch, wild und lebendig. Es ist ein starker Auftritt, den dieses Parfum hinlegt. Nichts für Mauerblümchen. Es wendet sich meiner Meinung nach auch an starke, aktive Persönlichkeiten, die vielleicht nächtens zur Safari aufbrechen, aber nicht den Mond anschwärmen.
Der Name Moon Fever kann sehr in die Irre führen, wenn man dabei nicht an Afrika denkt.
Der Duft ist durchaus mainstreamtauglich. Er hat schon so ein gewisses Etwas, ist jedoch alles in allem sehr konventionell. Ich sehe in ihm einen Duft für den Tag – vor allem für den Herbst. Die Haltbarkeit überzeugt. An mir hält sich das Mondfieber über 5 Stunden lang.
Seltsamerweise empfinde ich Moon Fever nicht als typischen Duft aus Paris. Seiner Art her – ich meine seine intensive Präsenz und Geradlinigkeit sowie den Ethno-Charakter - erscheint er mir viel mehr amerikanisch oder für den amerikanischen Markt bestimmt.
Der Duft macht keine großen Entwicklungen durch, es werden auch keine Kopf-, Herz- oder Basisnoten angegeben.
Ich verstehe die Botschaft von Moon Fever, die Umsetzung des Gefühls von Wildem und Freiheit, aber es ist nicht „mein“ Duft. Wahrscheinlich schätze ich doch die subtilen, komplexeren Düfte mehr. Anders gesagt: Dieser Duft passt nicht zu mir. Ich finde ihn mit über € 270,- / 100 ml auch zu teuer für einen recht konventionellen Duft. Wer aber dieses Flair von unbändiger Natur, animalischer Kraft und Ethno Feeling mag, wird sicher gern zu Moon Fever greifen.
Mit Dank an Amira19.