Shamis
07.10.2020 - 16:29 Uhr
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Top Rezension
4
Sillage
8
Duft

Vom kleinen Glück am Wegesrand

1983 gab es im Münchener Stadtmuseum die Fotoausstellung "Grün kaputt". In dem dazugehörigen Begleitbuch wurde unter dem Titel "Koniferenland" in Worten, die unter die Haut gehen, eindringlich beschrieben, was wir unseren Gärten antun: auf der einen Seite des Zauns mit viel Zeit und Geld vergiftete Wüste - auf der anderen Seite blüht es bunt am Straßenrand...

Genau dieses Bild vom blühenden Wegesrand, von Kräutern und Wildblumen und viel zu hohem Gras weckt das Parfum "Salvia" in mir. Allerdings nicht von Anfang an: beim Aufsprühen muss ich immer abwechselnd an Alpenwiesen und Sieben-Kräuter-Shampoo denken - was mir gefällt, aber nicht lange als Dufteindruck bleibt. Was folgt ist die Erinnerung an sommerliche Spaziergänge, vorbei an Wiesen und Feldern, am Fluss entlang. Links und rechts neben mir blüht und grünt es, ein leichter Wind kommt auf, weht mir einen Dufthauch in die Nase.
Bei diesem Hauch von Duft bleibt es auch. Und das ist gleichzeitig unglaublich passend und doch das aus meiner Sicht größte Manko. Ein ähnlich fragiles Duftwesen befindet sich bereits in meiner Sammlung: "Hermessence Osmanthe Yunnan". Ein wunderschöner Duft, den ich leider nur kurz beim Aufsprühen wahrnehme... Ich finde das schade. Ein wenig länger kann ich "Salvia" zwar an mir erschnuppern, aber auch nur direkt auf der Haut.

Den namensgebenden Salbei kann ich in meinem kleinen Dufthauch nicht herausriechen. Es erscheint mir eher wie ein Potpourri aus verschiedenen Kräutern und Wiesenblumen. Das ist auch gut so, denn Salbei ist nicht unbedingt meine liebste Duftnote: seit ich vor einigen Jahren einmal eine ganze Menge davon im Garten geerntet und in der Küche zum Trocknen aufgehängt habe, finde ich ihn eher ein wenig unangenehm und schwitzig, zumindest ab einer bestimmten Duftintensivität. Da sich bei "Salvia"auch einige andere Duftnoten dem Salbei dazugesellen, fasse ich den Namen hier eher als richtungsweisend (im Sinne von einem Heilkräuterduft) auf.

Und trotzdem: sollte mich der Weg einmal wieder (optimalerweise im Sommer) nach Köln und womöglich sogar in eine ganz bestimmte Parfümerie führen - ich würde mich gerne von Kopf bis Fuß mit "Salvia" einsprühen. Ich würde die Parfümerie verlassen, etwas Gutes in einem der schönen Brauhäuser essen, ein kühles Kölsch trinken und den Duft auf mich wirken lassen. Ich würde vielleicht doch noch schwach werden... Immerhin ist er mein absoluter Liebling aus der kleinen Reihe.
Nicht jeder mag Naturgärten. Nicht jeder mag "Salvia". Ich schon - beide.
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