07.07.2010 - 11:35 Uhr
Profumo
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Profumo
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35
Paradiesisch sinnlich!
Michel Roudnitska hat einmal in einem Interview (nachzulesen auf 'boisdejasmin') erzählt, dass Bois de Paradis der Duft gewesen sei, dessen Komposition ihm am meisten Freude bereitet habe, obwohl es ihn zwei Jahre Arbeit gekostet hat und an die 300 Probeläufe, bis die perfekte Formel gefunden war. Zuvor aber hatte er schon eine ziemlich präzise Vorstellung welche Noten den Duft charakterisieren sollten, nämlich: Zedernholz, wilde Rose, Konfitüre von exotischen Früchten und glasierte Maronen (marron glacé). Klingt erst einmal schrecklich süß, und letztlich ist der Duft auch ziemlich süß geworden, aber doch wieder nicht so süß wie man es angesichts einer solchen Zutatenliste hätte erwarten können. Seine Süße ist schwer und dunkel wie die Süße von Karamell, oder wie die Süße von Waldfrüchten, von Brombeeren, Feigen und Kastanien. Und diese Süße ist bei Bois de Paradis während des gesamten Duftverlaufes präsent – zunächst kontrastiert von etwas Zitrus und Bergamotte, und fast zeitgleich von einer mächtig aufblühenden Rose. Eine sehr beständige Rose, die sozusagen die Klammer bildet zwischen dem frischen Start und dem holzigen, von leichten Weihrauchtönen durchzogenen Finish - sie ist das zentrale Element dieses Duftes. Von üppigem Baumwuchs umstanden, reifen unter ihren schweren, kräftigen Blüten aromatische Beeren und saftige Feigen schweben über ihnen. Ein Hauch von Zimtrinde würzt die quellenden Aromen die zu einem Wohlgeruch der sinnlichsten Art verschmelzen – und dieser Duft ist wahrhaft sinnlich, geradezu paradiesisch sinnlich! Er ist aber nicht wollüstig, dafür fehlt ihm die animalische Dimension (und der Sündenfall ist ja auch noch nicht eingetreten....). Nein, seine Sinnlichkeit ist schamhaft, berauscht sich an den Genüssen des Garten Edens und man (ich) möchte gar nicht aufhören an diesem Duft zu schnuppern, sein Aroma einzuatmen, ja es auszusaugen wie den Nektar einer reifen Frucht – ich gerate ins Schwärmen!
Dieser Duft ist aber auch etwas zum schwärmen: er ist derart gut gemacht, dass man nur staunen kann! Und das eigentliche Wunder dieses Duftes ist, dass er sich bei allem Reichtum, bei aller schweren Süße eine fast luftige Leichtigkeit, und dazu Transparenz und Trockenheit bewahrt. Die Luft in diesem paradiesischen Waldes ist nämlich nicht atemverschlagend schwer und stickig, sie ist vielmehr klar und sonnendurchflutet. Und wirklich, der Duft raubt einem nie den Atem, selbst wenn man ihn überdosiert!
Dieses kleine olfaktorische Wunder unterscheidet ihn auch deutlich von jenen Düften mit denen Bois de Paradis häufig verglichen wird: mit den Düften von Serge Lutens, insbesondere den frühen ‚Feminitè du Bois’, ‚Bois et Fruits’ und ‚Arabie’. Auch hier die Themen: Blüten, Hölzer und Früchte, aber den Düften von Serge Lutens ist eine derartige Lautstärke – als würde jemand in ein Megaphon schreien! - und beinahe übergriffige Intensität zu eigen, dass ich sie fast als untragbar empfinde (schließlich möchte ich mein Gegenüber – und auch mich selbst – nicht mit meinem Duft erschlagen...), Bois de Paradis dagegen hat nichts von der öligen Schwere und Schreihalsigkeit der Lutens-Düfte, ganz im Gegenteil. Allem Reichtum und aller überschwänglichen Sinnlichkeit zum Trotz bewahrt er Contenance und hält sich dezent zurück, statt übermütig aufzutrumpfen.
Ähnliches ist Michel Roudnitska mit Noir Epices gelungen, einem Duft, der ebenso opulent und sinnlich, ebenso süchtig machend wie Bois de Paradis ist, und dabei ebenso zurückhaltend. Ich vermute, dass er dieses Talent, oder dieses Wissen – einem substanzreichen Duft die ihm angemessene Lautstärke zu verleihen, ihn nicht schreien zu lassen – von seinem Vater, Edmond Roudnitska, dem Schöpfer von Diorissimo, Eau Sauvage und Diorella, geerbt bzw. mitbekommen hat. Jean-Claude Ellena - wie Michel Roudnitska Schüler von dessen Vater - beherrscht das ebenso, hat sich aber entschlossen die minimalistischen Bestrebungen von Roudnitska Senior weiter zu entwickeln, während sein Sohn sich eher auf die reichhaltigeren Kreationen seines Vaters stützt – in besagtem Interview nennt er, auf die Frage nach dem für ihn wichtigsten Parfum seines Vaters, daher auch ‚Le Parfum de Thérèse’.
Interessant ist es auch die verschiedenen Reaktionen und Beschreibungen von Bois de Paradis im Internet zu verfolgen – sie sind fast durchweg positiv bis überschwänglich, allein in der Zuordnung zu einem Geschlecht herrscht einigermaßen Konfusion. Ist der Duft also eher für Frauen geeignet, was viele bejahen, oder können auch Männer ihn tragen, was häufig, gerade von Frauen, geradezu angemahnt wird. Nun, ich kann dazu nur soviel sagen, dass ich als Mann ihn problemlos trage. Ich würde ihn aber dennoch nicht als Unisex-Duft bezeichnen, denn meiner Ansicht nach ist er ganz klar ein femininer Duft, allerdings mit maskuliner Tendenz – hierin Bulgari Black nicht unähnlich, wie Bois de Paradis ein Duft in welchem man das Echo der großen femininen Düfte der zwanziger und dreißiger Jahre vernehmen kann, jener Düfte also, die noch für elegante Damen in mitunter maskulinem Outfit kreiert wurden, und nicht für Girlies in Flip-Flops und Bijou-Brigitte-Geschmeide...
Ein femininer Duft also, den Männer mit Sinn für gut gemachte Düfte problemlos tragen können. Und schließlich: wer mit den schweren Orientalen von Serge Lutens keine Probleme hat, der wird mit Bois de Paradis erst recht keine haben!
Unter den ausnahmslos guten Düften von Parfums DelRae ist mir dieser bei weitem der liebste! Und nicht zuletzt kommt er in einem schönen Flakon und in einer geschmackvoll schlichten Verpackung – was will man (frau) mehr?
Bravo!
Dieser Duft ist aber auch etwas zum schwärmen: er ist derart gut gemacht, dass man nur staunen kann! Und das eigentliche Wunder dieses Duftes ist, dass er sich bei allem Reichtum, bei aller schweren Süße eine fast luftige Leichtigkeit, und dazu Transparenz und Trockenheit bewahrt. Die Luft in diesem paradiesischen Waldes ist nämlich nicht atemverschlagend schwer und stickig, sie ist vielmehr klar und sonnendurchflutet. Und wirklich, der Duft raubt einem nie den Atem, selbst wenn man ihn überdosiert!
Dieses kleine olfaktorische Wunder unterscheidet ihn auch deutlich von jenen Düften mit denen Bois de Paradis häufig verglichen wird: mit den Düften von Serge Lutens, insbesondere den frühen ‚Feminitè du Bois’, ‚Bois et Fruits’ und ‚Arabie’. Auch hier die Themen: Blüten, Hölzer und Früchte, aber den Düften von Serge Lutens ist eine derartige Lautstärke – als würde jemand in ein Megaphon schreien! - und beinahe übergriffige Intensität zu eigen, dass ich sie fast als untragbar empfinde (schließlich möchte ich mein Gegenüber – und auch mich selbst – nicht mit meinem Duft erschlagen...), Bois de Paradis dagegen hat nichts von der öligen Schwere und Schreihalsigkeit der Lutens-Düfte, ganz im Gegenteil. Allem Reichtum und aller überschwänglichen Sinnlichkeit zum Trotz bewahrt er Contenance und hält sich dezent zurück, statt übermütig aufzutrumpfen.
Ähnliches ist Michel Roudnitska mit Noir Epices gelungen, einem Duft, der ebenso opulent und sinnlich, ebenso süchtig machend wie Bois de Paradis ist, und dabei ebenso zurückhaltend. Ich vermute, dass er dieses Talent, oder dieses Wissen – einem substanzreichen Duft die ihm angemessene Lautstärke zu verleihen, ihn nicht schreien zu lassen – von seinem Vater, Edmond Roudnitska, dem Schöpfer von Diorissimo, Eau Sauvage und Diorella, geerbt bzw. mitbekommen hat. Jean-Claude Ellena - wie Michel Roudnitska Schüler von dessen Vater - beherrscht das ebenso, hat sich aber entschlossen die minimalistischen Bestrebungen von Roudnitska Senior weiter zu entwickeln, während sein Sohn sich eher auf die reichhaltigeren Kreationen seines Vaters stützt – in besagtem Interview nennt er, auf die Frage nach dem für ihn wichtigsten Parfum seines Vaters, daher auch ‚Le Parfum de Thérèse’.
Interessant ist es auch die verschiedenen Reaktionen und Beschreibungen von Bois de Paradis im Internet zu verfolgen – sie sind fast durchweg positiv bis überschwänglich, allein in der Zuordnung zu einem Geschlecht herrscht einigermaßen Konfusion. Ist der Duft also eher für Frauen geeignet, was viele bejahen, oder können auch Männer ihn tragen, was häufig, gerade von Frauen, geradezu angemahnt wird. Nun, ich kann dazu nur soviel sagen, dass ich als Mann ihn problemlos trage. Ich würde ihn aber dennoch nicht als Unisex-Duft bezeichnen, denn meiner Ansicht nach ist er ganz klar ein femininer Duft, allerdings mit maskuliner Tendenz – hierin Bulgari Black nicht unähnlich, wie Bois de Paradis ein Duft in welchem man das Echo der großen femininen Düfte der zwanziger und dreißiger Jahre vernehmen kann, jener Düfte also, die noch für elegante Damen in mitunter maskulinem Outfit kreiert wurden, und nicht für Girlies in Flip-Flops und Bijou-Brigitte-Geschmeide...
Ein femininer Duft also, den Männer mit Sinn für gut gemachte Düfte problemlos tragen können. Und schließlich: wer mit den schweren Orientalen von Serge Lutens keine Probleme hat, der wird mit Bois de Paradis erst recht keine haben!
Unter den ausnahmslos guten Düften von Parfums DelRae ist mir dieser bei weitem der liebste! Und nicht zuletzt kommt er in einem schönen Flakon und in einer geschmackvoll schlichten Verpackung – was will man (frau) mehr?
Bravo!
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