Palonera
24.09.2022 - 11:11 Uhr
33
Top Rezension
8
Sillage
10
Haltbarkeit
8.5
Duft

Gerade einmal...

...vier Jahre ist es alt, das Haus Testament London, auf das ich vermutlich so bald nicht gestoßen wäre ohne das tatkräftige Zutun einer überaus freundlichen Parfuma, die mir für Test und Text der Marke deren Discovery Set überließ.
Gespannt und erwartungsvoll begab ich mich auf die olfaktorische, vielleicht sogar esoterische Reise, die das Haus auf seiner Website versprach – von Kräutern und Gewürzen, wilden Gräsern und Blumen, Rinden und Tieren und Bäumen war dort die Rede und deren Essenzen als Motor des Multiversums.
Oh.
Vollmundig klang das, vielversprechend und ein wenig unbescheiden, was freilich kein großer Schaden ist, denn Aufmerksamkeit gilt als kostbares Gut, schwer zu erlangen in Zeiten wie diesen.

Mitten im Sommer, der heiß war und trocken wie kaum ein jemals erlebter zuvor, begann meine Reise, deren erste Etappe "Longevity" hieß – ein, wie mir schien, ambitionierter Name, der den Wunsch des Hauses nach Langlebigkeit ebenso widerspiegeln könnte wie die Haltbarkeit des Duftes, der ebenjene im Namen trug.
Reichhaltig war sie, die Zutatenliste, und ganz gewiß nicht sommerlich – doch das waren sie schließlich auch nicht, die Düfte, die man in Marrakesch trug und in Damaskus, auf einem Kamelrücken in der Sahara und überall dort, wo die Temperaturen noch weitaus höher waren als im mitteleuropäischen Hochsommer.
Und dort, da bin ich sicher, wird man "Longevity" lieben.

Tiefdunkel, würzig und warm erhebt sich der Duft von meiner bepfützten Haut – schwarzbraungolden changierend wie alte Spirituosen in dickem, schwerem Glas, funkelnd im Kerzenschein.
Steinerne Wände schlucken das Licht, hüten, behüten die Fässer aus Eiche, die alt sind, uralt, die Generationen von Rum haben ruhen lassen, reifen lassen, von Portwein, süffig und schwer.
Harziger Weihrauch, unangezündet, mischt sich in die Aromen der Hölzer, der Weine, erdet und bindet die feine Süße, die nicht knirscht, nicht klebt, die schwebt inmitten des Dunkel, bernsteingleich glimmend, geschmiegt an seidiges Fell.
Schokoladene Tropfen, schwarzbitter geschmolzen auf tiefbrauner Haut.
So warm, so weich, raubkatzengleich, geschmeidig und stark.
Ein Tropfen nur, ein Sprüher nur verteilt hier, da, drüben und dort – zwei bereits rauben den Atem, pieken die Nase, den Magen, halten Mensch und Tier auf Distanz.
Bei Sonne, bei Regen, im herbstlichen Wind.

"Longevity" hält, was sein Name verspricht – ein Sprüher flutet durchaus nicht die Räume, doch bleibt wahrnehmbar auf Armeslänge um mich herum, schmiegt sich näher über Stunden, weicher werdend, sanfter werdend, den ganzen langen Tag, die ganze lange Nacht, ein letzter Rest im Kissen und bis zur Dusche auch im Haar.

PS: Modesty - danke!
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