Floyd
22.03.2023 - 16:20 Uhr
44
Top Rezension
7
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft

Neukölln auf dunkler Leinwand

Brian Eno blubbert Seifenblasen aus dem Untergrund in Berlins nächtliche Straßen, von fernen Alkoholfeedbacks getragen glaubst Du Fruchtgedanken in violetten Farben auf einer dunklen Leinwand zu sehn. Terraform. Ein offener Raum. Bowie bläst krautig-grüne Wurzeln in die Wärme der cremig-hölzernen Wellen, die wie Erdlikör aus den Böden quellen, wie transluzente Gewebehüllen undeutlich bleiben und androgyn, die Zeit vergessen weiter ziehn, in Hallfahnen noch fortbestehen. Schwarzlicht leuchten die Taschenlampen aus den Kellern von Neukölln.
***
Das junge Modelabel und Kunstkollektiv UY aus Berlin Neukölln hat sich dem Verwischen von Gendernormen verschrieben, schnelllebigen Modetrends setzt man zeitloses, androgynes, qualitativ hochwertiges Modedesign entgegen, welches bewusst schlicht überschnitten oder auch provokant transparent gehalten wird, um das Individuum in seiner vielfältigen Erscheinung zu unterstreichen anstatt es zu verkleiden.
Dieses Kredo drückt sich auch in "X" aus, einem Patchouliduft, der scheinbar spielerisch leicht Grenzen verwischt. Nach einem seltsam seifig-alkoholischen Auftakt, der schnell verfliegt, tauchen kurz fruchtige Noten in cremig-hölzernen Aromen auf, als ob das Oud ein paar violette Fruchtnoten in einen warmen Akkord aus Sandelholz und leicht süßlicher Tonka leuchtet, bevor das Patchouli zunächst wurzelig-krautig und dann zunehmend likörartig-erdig daraus zu Tage tritt. Nach einigen Stunden wird das Patchouli transparenter, scheint das Oud wie Schwarzlicht hindurch, verwischt die Grenzen zwischen Licht und Dunkelheit, Natur und Synthetik, Erde, Holz und Molekül. Das ist zeitlos und modern, eine unaufgeregte dunkle Leinwand, welche genügend Raum für Individualität lässt und zu keiner Zeit überstrahlt oder fordert, welche moderat bis hautnah über einige Stunden wahrnehmbar ist.

(Mit Dank an Cenno)
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