Mae West verlässt mit einem Bühnenmechaniker die Szene. Auftritt Veronica Ferres...

Nein, aller Begeisterung vieler Parfumkenner/kritiker/fans zum Trotz: ‚Tubéreuse Criminelle’ ist für mich nicht der schönste Tuberosen-Duft, der sinnlichste schon gar nicht und erst recht nicht der, den ich tragen würde – als Mann.

Da seien ‚Fracas’ und vor allem ‚Carnal Flower’ vor. Ersterer, ein frühes Meisterwerk der legendären Germaine Cellier, in punkto Schönheit und Erotik auch nach über 60 Jahren unübertroffen – ein Divenparfum der Extraklasse (wie viele Mae Wests gibt es heute noch, die diesen Duft tragen können?). Der zweite, ‚Carnal Flower’, hat den Vorteil, dass er dem erstgenannten einerseits in kaum etwas nachsteht, andererseits jedoch etwas herber ist, mehr Muskeln hat und alles in allem androgyner wirkt. Kein maskulines Parfum per se, aber zumindest eines, das in klitzekleinen Dosen tragbar ist – für mich.

‚Fracas’ überlasse ich also gerne den wenigen Mae Wests unserer Tage, ‚Carnal Flower’ ist mein.

‚Tubéreuse Criminelle’ wurde nun jahrelang mit dem Uralt-Duft von Madame Cellier und der neuen Interpretation von Dominique Ropion verglichen. Als ich ihn dann kürzlich zum ersten Mal testen konnte war meine Enttäuschung sogar noch größer als befürchtet.

Allerdings, was den Versuch Objektivität zu wahren anlangt, bin ich – ich muss es gestehen – in einem gewissen Dilemma: ich hatte schon immer ein Problem mit den Düften des Herrn Lutens. Meist sind sie mir dick, zu pampig-ölig in der Konsistenz und ihrer Süße ist häufig derart intensiv, ja aggressiv, dass ich sie nur homöopathisch verabreicht ertrage und selbst dann fürchte Kopfschmerzen zu bekommen. Wenige Ausnahmen gibt es in dieser von vielen so gepriesenen Reihe an Düften – ‚Tubéreuse Criminelle’ gehört leider nicht dazu.

Ich hatte es vermutet und wenn man schon nichts Gutes erwartet, tritt selten Besseres ein...

Dabei ist gerade der Auftakt dieses Duftes ziemlich interessant: eine kräftige Tuberose, umspielt von grünen Anklängen, fruchtigen Nuancen und einem petroleumartigen, irgendwie an Kampfer erinnernden Beiklang. Das ist großartig, irgendwie schräg und erinnert mich augenblicklich an das noch viel schrägere ‚Volo AZ 686’ von Profumum.

Aber wenn´s doch nur dabei bliebe!

Gut, die Kampfer-Note ist schwer erträglich und für viele schon im Auftakt eine Zumutung, aber für mich liegt allein hier die Originalität des Duftes, in genau dieser Kombination: Mae West (Tuberose) und Mechaniker (Petroleum, Benzin, Kampfer). Doch leider bleibt es nicht bei dieser wunderbaren, extrem spannungsgeladenen Begegnung – Mae West mutiert zusehends zu Veronica Ferres (vom Vamp bald keine Spur mehr) und der Mechaniker wird schlicht nach Hause geschickt. Zurück bleibt eine Ahnung des anfänglich wild-erotischen Kontrastes, nicht mehr. Stattdessen: die irgendwie immergleiche schwere und süße Lutens-Opulenz, die ich in diesem Fall – ich weiß nicht warum – auch noch ansatzweise ordinär empfinde.

Hin und wieder wird behauptet, ‚Tubéreuse Criminelle’ sei für die Export-Linie reformuliert worden und ein gutes Stück entfernt von der verruchten „Kriminalität“ des Exklusiv-Duftes. Ich kann dazu nichts sagen, ich kenne das Original nicht.

Diese vermeintlich neue Version aber ist so gar nicht kriminell – höchstens für jene, die einen ausgesprochenen Blütenduft an sich schon für eine unschickliche Versuchung, wenn nicht gar ein Vergehen halten.

Nein, ‚Tubéreuse Criminelle’ ist kein schlechter Duft, das nun wirklich nicht. Aber in all die Lobeshymnen kann ich nicht einstimmen - ‚Carnal Flower’ und ‚Fracas’ erreicht er einfach nicht, um Längen nicht.

Wer also wirklich kriminell gute Tuberosen sucht, dem seien die beiden nun schon mehrfach von mir gepriesenen Düfte wärmstens empfohlen – besser geht´s nicht!

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