Global Art of Perfumery 2012: Oud Stars Kollektion von Xerjoff

Oud oder Adlerholzöl ist ein sehr komplexer Rohstoff mit einem Duftspektrum von ätherisch-würzig-bitter über holzig und animalisch bis balsamisch-süß. Wird der seltene Adlerholzbaum von speziellen Pilzen befallen, entsteht als Reaktion ein Harz. Nach längerer Lagerung des Holzes wird aus diesem Harz das ätherische Öl isoliert. Je nach Holzart, Klima, Pilzart und Dauer des Befalls sowie der Lagerung werden unterschiedliche Facetten des aromatischen Spektrums betont. Diese Vielfalt die zeremonielle, religiöse Verwendung, z.B. im Islam oder Hindu-Tantrismus und nicht zuletzt die Seltenheit (und damit verbunden der hohe Preis) erklären den Mythos rund um dieses Öl. Im arabischen Kulturkreis wird Oud als Räucherholz und Parfumrohstoff verwendet, in Europa war es lange Zeit nicht verbreitet.

Martine Micallef kreierte mit „Rose Aoud“ den ersten Duft mit Oud als Hauptnote für den europäischen Markt. Es folgten die immer etwas lauten - für manche vorlauten - Oud-Düfte von Montale. by Kilian wiederum hat mit fraktionierender Destillation so lange herum experimentiert, dass ihr Oud nicht nur die Nasen europäischer Kunden nicht mehr irritieren konnte, sondern ihm auch die Ecken und Kanten wegpoliert. Mittlerweile hat fast jedes Nischenhaus, was etwas auf sich hält, seine Oudlinie und bewegt sich stilistisch zwischen diesen Antipoden (qualitativ meist darunter). Auf der GAoP wurde nun ein schöner Bogen über diese Entwicklung gespannt, denn in direkter Nachbarschaft zum Micallef-Stand präsentierten Alexandra und Herbert Stricker von Classic Parfums die Kollektion Oud Stars von Xerjoff. In gewisser Weise ist damit die arabische Oud-Tradition endlich in Europa angekommen. Was Micallef vorbereitete, setzte Xerjoff jetzt um.

Xerjoffs Motto “Naturae Xquisite”, die Exzellenz der Natur, zeigt bereits die Richtung an: Wenn Xerjoff sich mit einem Rohstoff auseinandersetzt, geht es um die Kostbarkeit des Materials. Hier geht es um Oud an sich. 3 Jahre soll Xerjoff-Mastermind Sergio Momo nach der passenden Rohstoffqualität gesucht haben, bis er fündig geworden ist. Mit einem Bestand, der für die nächsten 1,5 Jahre reichen soll, konnte eine Linie von sechs Düften erschaffen werden. Die Namen der Parfums sind historische nordafrikanische und weitere arabische Städtenamen, entnommen den Reiseberichten Ibn Battutas aus dem Jahre 1325.

Die Chronologie der Beschreibungen deckt sich mit der, wie wir die Düfte auf der Messe testeten – sortiert nach ansteigendem Oud-Charakter.

Fars“ ist das Parfum der Linie, was am ehesten der europäischen Dufttradition entspricht. Mit einer frischen Kopfnote um Bergamotte, Lavendel und Wacholder und einer Herznote mit Geranie und Jasmin wird das feine Adlerholzöl elegant umspielt. Dazu gesellt sich etwas Honig, ähnlich der typischen Oudinterpretation von Micallef. Die Honignote ist nicht so präsent wie bei „Aoud“ oder „Aoud Gourmet“, ähnelt eher der von „G. Nejman – Emir“. Tatsächlich ist eine deutliche Ähnlichkeit zwischen letzterem und „Fars“ zu erkennen. „Fars“ hat nicht die herben Noten von Tabak und Pfeffer, ist dafür etwas stärker vom Oud geprägt.Dadurch passt der Duft wunderbar zu beiden Geschlechtern.

Deutlich gourmandiger ist „Mamluk“ mit Noten von Honig, Karamell, Benzoe und Vanille. Auch dieser Duft geht also in die durch süße Noten der europäischen Nase gefälliger gemachten Richtung, hat aber eigenen Charakter, da stärker von Benzoe als Honig geprägt. Die guten Adlerholzölen eigene ätherisch-würzige Note ist hier gut zu erkennen und gibt „Mamluk“ Frische, stellt eine schön Balance her mit den süßen und schweren Komponenten. Ich empfinde den Duft zwar als unisex, aber doch besser für Damenhaut geeignet.

Das Oud von „Al-Khatt“ stammt aus Laos, was besonders fein und teuer ist. Das Parfum hat eine gleichzeitig irritierende und anziehende Note, die mit „fäkalisch“ beschrieben werden kann. Sie erinnert mich an Spaziergänge vorbei am Frankfurter Zoo. Ich vermute, dass das laotische Oud für diese Note verantwortlich ist, die ich gar nicht als so unangenehm empfinde wie es gerade klingen mag. Auf der Haut ist sie weniger deutlich zu erkennen als auf dem Papierstreifen.

Najaf“ ist ein sehr holzgeprägter Duft. Der Start irritiert mit einer synthetischen Note, die am ehesten mit dem Duft von Graphitpaste umschrieben werden kann (der Politur, mit der z.B. Ofenplatten wieder schwarz und glänzend gemacht werden). Nach ca. 30 Minuten tritt diese Note langsam zurück und der Duft wird komplexer und vielfältiger. Insgesamt ein eher herbes, für Herren geeignetes Parfum.

Auf „Gao“ war ich besonders gespannt. Bei den anderen fünf Düften steht Oud zwar im Mittelpunkt, wird aber durch kontrastierende Noten ergänzt. Diese schwächen nicht den Oudcharakter, sondern geben Halt und jeweils unterschiedlichen Kontext - wie ein Bild, bei dem Oud das Motiv ist und die kontrastieren Noten für einen Rahmen in einer anderen Farbe steht. Im Unterschied dazu verstärken Noten wie Safran und Nagarmotha bei „Gao“ eher noch den Oudcharakter, statt Kontrast zu geben. Dies ist sehr ähnlich meinem Lieblingsoudduft „Collection Excessive – Oud Shamash“ von The Differnt Company. Die Düfte sind im direkten Verglich in der Tat sehr ähnlich. Der ätherisch-würzige Aspekt wird in letzterem Duft stärker betont, dadurch wirkt er frischer. Im Unterscheid dazu wirkt „Gao“ etwas dunkler und wagt die schon erwähnte stark körperliche („fäkalische“) Note. Auch hier wird Oud aus Laos verwendet, in Kombination mit solchem aus Thailand. Ein sehr komplexes, sinnliches, wunderschön balanciertes Parfum und m. E. tendenziell etwas besser für Herren geeignet.

Das Oud in „Zafar“ stammt aus Laos und reifte 15 Jahre lang. Laut Herrn Stricker dürfte die Konzentration im Jus bei 35 – 40 % liegen. Der Start ist recht originell mit Noten von Apfel, Rose und schwarzem Pfeffer, aber schon nach kürzester Zeit rückt Oud in den Vordergrund. Die stark körperliche Note ist am Anfang sehr deutlich, wird jedoch mit der Zeit immer mehr eingebunden und gibt einen sinnlichen Aspekt. Alle Düfte der OUD STARS Kollektion sind komplex, aber „Zafar“ ist noch einmal deutlich subtiler und tiefer. Der Duft schafft es, breit und voluminös zu sein, ohne Frische, Halt und Fokus zu verlieren. Auf Damenhaut empfinde ich „Zafar“ als sehr erotisch, was nicht heißen soll, dass er nicht für Herren tragbar ist.

Generell sind sämtliche Geschlechtszuordnungen nur als grobe Anhaltspunkte zu verstehen. Die Düfte sind viel zu vielschichtig dafür. Die Flakons wirken sehr edel, sind aber für meinen Geschmack etwas zu protzig.

Deutschland ist weltweit das erste Land, in dem die Kollektion erhältlich sein wird. Zurzeit erfolgt die Auslieferung an die Parfümerien, in ca. 1-2 Wochen wird der Verkauf starten. Die Preise sind mit € 297.- (Zafar) bzw. € 247.- (die restlichen fünf Düfte) für 50 ml Eau de Parfum sehr hoch, in Anbetracht der ausgesprochen hohen Qualität der Rohstoffe und der Sorgfalt der Komposition jedoch durchaus angemessen.

Das Messefeedback war erstaunlich positiv in Anbetracht der für europäische Nasen ungewöhnlichen Kompositionen. So wird diese limitierte Edition vermutlich recht schnell vergriffen sein.

Ronin für ParfumoBlog

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