Global Art of Perfumery: Interview mit Jean-Paul Millet Lage, Chef und Nase von Maître Parfumeur et Gantier


Ganz im Mittelpunkt der „Maître Parfumeur et Gantier“-Präsentation auf der Global Art of Perfumery steht „Cuir Fétiche“, der gewissermaßen in doppelter Weise eine Brücke schlägt: Der Duft von Lederhandschuhen soll in ein Parfum eingefangen werden, als Signaturduft eines Hauses, welches sowohl „Parfumeur“ als auch „Gantier“ - also Handschuhmacher - ist. Die Verbindung dieser beiden Kunsthandwerke kann ebenfalls als Brücke in die Vergangenheit angesehen werden, zu den Wurzeln der heutigen Parfümeurskunst. Im frühen 17. Jahrhundert vergab der französische König den Titel „Maître Gantier Parfumeur“ an diejenigen, die die Tradition des Parfümierens von Handschuhen in Vollendung beherrschten. Handschuhe wurden ursprünglich parfümiert, um den Gerbgeruch zu überdecken.

Am Stand werden wir von zwei Informationen überrascht: Zum einen davon, dass die Dame des sinnlichen „Cuir Fétiche“-Werbeplakates, ihre Nacktheit nur verhüllend mit verschränkten Armen in oberarmlangen Lederhandschuhen, die Tochter von Jean-Paul Millet Lage ist. Zum anderen davon, dass er selbst kommen wird. So können wir kurzfristig einen Interviewtermin vereinbaren.

Jean-Paul Millet Lage übernahm das Label „Maître Parfumeur et Gantier“ vom Gründer Jean Laporte… und auch dessen Handwerk: Er war 4 Jahre lang zunächst Lehrling, danach Mit-Créateur des visionären Meisters, der mit L’ Artisan Parfumeur 1976 gewissermaßen die Nische „erfand“: L’ Artisan Parfumeur war die erste international erfolgreiche Parfummarke, die bewusst und betont abseits der großen Labels eigene explizit künstlerische Wege ging und das Firmenprofil darauf aufbaute. Millet Lage erlernte die Parfumerie nach seiner vormaligen Banker-Karriere bis zu dem Punkt, wo er eigene Visionen verfolgen wollte. Als Jean Laporte 1997 das Label verließ, übernahm er es als alleiniger Chef voll Idealismus und Engagement. Sein eigener künstlerischer Weg ist von dem geprägt, was er von seinem Lehrer lernte: konsequente und individuelle olfaktorische Kunst ohne Rücksicht auf Markt und kurzlebige Trends - und unter Rückbesinnung auf das französische Kunsthandwerk der Parfumerie.

Mit Stolz präsentiert er auf der GAoP seinen Duft „Cuir Fétiche“.

Der weiche, blumige und ambrierte Lederduft hat in einer limitierten Sonderausgabe ein rotes Lederkosett bekommen. Dünnes, fein gegerbtes Leder lädt zum Entschnüren ein. Der charmante und sympathische Jean-Paul Millet Lage nennt das eine „nostalgische Geste“, die an früher erinnert und muss lächeln, als er darauf aufmerksam gemacht wird, dass auch heute Korsetts getragen werden: „Ja… aber heutzutage ist das nur noch der Fétiche-Kontext. Nicht mehr zeitgemäße Mode, sondern sehr privates Vergnügen.“

Er bestätigt die in Parfumo-Kommentaren erwähnte Entstehungsgeschichte, dass er in Vorbereitung auf seine neue Handschuhkollektion Station machte in einem traditionellen Ledergeschäftes in Millau. Genau diesen Duft wollte er einfangen für ein Parfum - was nicht einfach war: „Wenn man eine solche genaue Geruchsvision hat und nun versucht, genau diese konkret entstehen zu lassen, bedeutet das eine unglaubliche Arbeit und benötigt viel Zeit und Mühe.“

Er verzieht kurz, schmerzhaft erinnernd, das Gesicht, als er von der schwierigen fast zweijährigen Arbeit spricht. Er erzählt von den vielen, vielen Versuchen, die nötig waren und den unzähligen Miss- und Teilerfolgen, bis endlich die genau richtige Kombination gefunden war. Jetzt strahlt er wieder glücklich über das ganze Gesicht und seine Augen leuchten, als er sagt: „Und das ist das Ergebnis.“ Er blickt auf den Flakon „Es hat sich gelohnt!“. Für Düfte wie z.B. „Bahiana“, bei denen es zu Beginn nur eine abstrakte Geruchsvision gibt, nimmt der kreative Prozess der Parfümentstehung demgegenüber nur 2-3 Monate in Anspruch, erzählt er.

Nach unserem Lob der schönen Amberbasis von „Cuir Fétiche“ gesteht Millet Lage, dass dies auch sein favorisierter Akkord sei, deutlich herausgearbeitet z.B. in „Ambre Précieux“.

Ein anderes Amber-Beispiel ist „Ambre Doré“ (ab Sept. auch in Deutschland erhältlich): Ein limitierter, oudgekickter Amber-Duft, den wir nun live auf der GAoP testen. Er hat eine schöne leicht animalische Note ähnlich dem laotischen Oud, das XerJoff für die „Oud Stars“-Kollektion verwendet. Diese Note ist aber so dezent eingesetzt, dass sie kaum abstoßend wirken dürfte. Der Duft wird dadurch vor allem etwas komplexer und sinnlicher. Wir sind beide sehr angetan, können uns nur nicht recht einigen, ob er besser für Damen oder Herren geeignet sei. Millet Lages Intention war es nach eigener Aussage nicht, ebenfalls auf den Oud-Zug zu springen, sondern „seinem“ Amber eine andere Perspektive zu geben, eine weitere Ausdrucksform. Er wählt dafür die unter Parfumeuren beliebte englische Wendung „creating a different angle“. Bezeichnend, dass „Ambre Doré“ einige Jahre wenig erfolgreich war und erst mit dem Oud-Hype signifikante Verkaufszahlen erzielte.

Augenzwinkernd fragen wir ihn, ob es für ihn eine „ganz geheime Amber-Spezialformel“ gibt. Er erklärt: „Heute gibt es solche Geheimnisse nicht mehr. Wenn man ein Parfum auf den Markt bringt, kann es chemisch so exakt analysiert werden, dass da keine Frage mehr offen bleibt.“ Louce glaubt ihm das nicht ganz und schaut weiter fragend. Schmunzelnd gibt er dann zu: „Na gut, ja, ... da gibt es schon etwas, das ich nicht verraten will… aber das verrate ich eben nicht. Es bleibt geheim!“.

Louce & Ronin für ParfumoBlog

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