Sexprotz in feinem Zwirn - noch glimmt ein Rest der alten, erotischen Glut!

Wer erfahren möchte wie ein richtig gutes Leder-Chypre riechen kann, dem empfehle ich an zweien zu schnuppern: an Germaine Celliers legendärem ‚Bandit’, das sie in den frühen vierziger Jahren für Robert Piguet komponierte, sowie an Louis Monnets drei Jahrzehnte später lanciertem ‚Van Cleef & Arpels pour Homme’. Ersteres ein Leder-Chypre mit vorrangig grün-floralen, letzteres eines mit wiederum floralen, diesmal jedoch deutlich würzigeren Akzenten. Im Auftritt und Habitus aber sind sie, bei aller Verschiedenheit im Detail, sehr, sehr ähnlich: divenhaft, herrisch, extrem elegant, streng, ein bisschen humorlos, aber sehr sexy.

Kennen gelernt habe ich den Duft an einem Kollegen in den frühen achtziger Jahren, als ich selbst noch ein recht unbedarfter junger Mann war, der Tag für Tag in ‚Antaeus’ badete. Er war so ziemlich das Gegenteil von mir: alles an ihm schien sexuell aufgeladen, er war unentwegt anzüglich, die personifizierte Lüsternheit – und er trug diesen Duft.

Keines meiner Parfums ist derart eng mit einer Person verknüpft, ja regelrecht mit dieser besetzt wie ‚Van Cleef & Arpels pour Homme’. Dieser Duft ist mein damaliger Kollege S.– ein Sexprotz vor dem Herren.

Lange tat ich mich schwer diesen Duft selbst zu tragen - ich mochte ihn, wie ich meinen Kollegen mochte, aber wenn ich ihn trug (ich hatte mir damals ein kleines Fläschchen zugelegt), hatte ich das Gefühl mir gewissermaßen seine sexuelle Präsenz zu borgen, für die ich aber gar nicht der Typ war.

Und so erfolgreich ich mich seiner Avancen erwehren konnte, die im Übrigen ziemlich wahllos waren, hatte ich dennoch den Eindruck - trug ich diesen, seinen Duft - als habe er mich doch noch erwischt...

Das ursprüngliche ‚Van Cleef & Arpels pour Homme’ war aber auch ein Duft mit enorm erotischer Austrahlung – ein bitter-würziges Elixier mit heftiger animalischer Potenz; nicht ganz so offensiv wie ‚Yatagan’, nicht ganz so süß-lüstern wie ‚Antaeus’, nicht ganz so dreckig wie ‚Jules’, aber trotzdem: ein Macho wie er im Buche steht. Allerdings ein zivilisierter Macho, ein gepflegter, gut gekleideter, aber eben auch ein vor Selbstbewusstsein strotzender, seine sexuelle Potenz zur Schau stellender Macho.

Entsprechend ist der Duft mit jeder Menge Castoreum (Bibergeil) und Isobutyl Quinoline beladen, Ingredienzien die dem Duft eine starke ledrig-animalische Aura verleihen. Im Gegensatz zu anderen großen Lederdüften wie beispielsweise ‚Knize Ten’, ‚Tabac Blond’ oder ‚Diorling’ entwickelt ‚V.C. & A. pour Homme’ aber so gut wie keine Wärme im Fond: nirgends ist orientalisches Beiwerk zu finden, kein mildernder Amber, keine süßende Vanille. Der Lederakkord bleibt (wie auch in ‚Bandit’) ungetrübt und unverstellt, mit all seinen aggressiven, ja mitunter säuerlichen Nuancen. Heutig Nasen mag das verstören, damals aber machte es ungeheuren Eindruck, vermittelte es doch das Bild eines unter der Oberfläche lauerndem Aufbegehren gegen die Konvention: von frivoler Lederunterwäsche auf schweißfeuchter Haut und dem begleitendem Versprechen, dass wenn erst die zivilisierenden Hüllen gefallen sind, es wollüstig zur Sache geht.

Allerdings kommt diese kaum verhüllte Anzüglichkeit nicht allein animalisch-ledrig duftend daher, sie umhüllt auch eine ungeheuer intensiv aufblühende Rose im Zusammenspiel mit einem kräftigen ‚bouquet garni’, dessen Protagonisten Artemisia (Beifuß), Majoran, Thymian, Salbei und Wacholder sind. Dieser trocken-würzige Akkord bildet gemeinsam mit der fast rotglühenden Rose und dem dunklen, ja schwarzen Leder das eigentliche Grundgerüst des Duftes, das von einer Chypre-Struktur aus Bergamotte-Labdanum-Patchouli- und Eichemoos gehalten wird.

Vor einigen Jahren schon wurde ‚Van Cleef & Arpels pour Homme’ reformuliert, vermutlich aber noch nicht einmal weil neue IFRA-Bestimmungen es geboten hätten – nein, die Zeit der schweren, testosteronhaltigen Düfte à la ‚Antaeus’, ‚Jules’, ‚Kouros’ und eben ‚V.C.& A. pour Homme’ war eben einfach vorbei und die neuen Düfte waren längst allesamt leichter, frischer, transparenter und vollkommen ohne Sex.

Als absoluten Gegenentwurf könnte man einen Duft wie das ungeheuer erfolgreiche ‚Terre d’Hermès’ bezeichnen, das selbstbewusst damit wirbt, völlig frei von animalischen Beimischungen zu sein. Die genannten alten Recken, wirkten da wie Saurier aus einer längst vergangenen Zeit, doch anders als diese verschwanden sie nicht, sondern wurden mehr oder weniger behutsam an die modernen Anforderungen angepasst. So stehen sie noch heute vor uns, allesamt einer Diät unterzogen, allesamt deodoriert, in frischer Unterwäsche und artig gekämmt.

Ein Rest der alten Glut aber glimmt noch in ihnen – immer noch zuviel für manche, aber die Zeit wird kommen da man des Transparenten, Frischen, Cleanen leid zu werden beginnt und froh darüber sein wird, das nicht auch noch das letzte Fünkchen an Urinösem, Schweißigem oder wie-auch-immer Ekligem eliminiert wurde.

‚Van Cleef & Arpels pour Homme’ ist nach wie vor ein großer, kräftiger, langanhaltender und maskuliner Duft, auch wenn er heute im Vergleich zu früher beinahe skelettiert erscheint, jedenfalls aber fast all seiner schwülstig-erotischen Aura beraubt.

Der wunderschöne Art-Deco-Flakon ist immerhin derselbe geblieben – das ist doch schon mal was!

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