Forum durchsuchen

Non-olfaktorische Welt

Non-olfaktorische Welt vor 6 Jahren
Hallo,

Ich habe gerade darüber nachgedacht warum es so spannend ist immer neue Düfte auszuprobieren, obwohl es rational betrachtet keinen Sinn macht.

Wahrscheinlich weil wir heutzutage ansonsten beinahe ausschließlich die Augen und Ohren verwenden und die Nase viel zu kurz kommt.

Oder was meint ihr?
vor 6 Jahren
ich denke, es ist der Wunsch nach immer neuen Erfahrungen und Impulsen. Warum essen manche immer wieder die gleichen Gerichte und manche andere (ich z.B.) kochen/essen immer wieder Neues, das sie noch nicht kennen? Da steckt wohl das gleiche dahinter. Ähnlich bei Urlaubsreisen - gleicher Ort oder immer wieder woanders hin (wobei ich letzteres nur aus der Theorie schreibe).
vor 6 Jahren
Passend zum Thema hier eine interessante Ausstellung nicht nur für unser Riechorgan Wink
vor 6 Jahren
Der Mensch sucht eben nach Genuss. Wir könnten uns alle von irgend einem hightech Schleim ernähren, der uns umfassend ernährt, ohne dick zu machen. Aber wir erfreuen uns an endlosen Variationen, verschiedenen Landesküchen usw.

Genau so erfreuen wir uns an Gemälden, Skulpturen, Architektur und Musik. Diese sind alle nicht wirklich relevant. Kein Tier macht diese um ihrer selbst Willen oder konsumiert diese ohne relevanten Grund. Warum also nicht bei Düften genau so?

Natürlich ist da auch ein wenig Jäger und Sammler dabei. Wir jagen immer nach dem nächst besseren und fügen so lange das aktuell beste Exemplar unserer Trophäensammlung hinzu.
vor 6 Jahren
Wie kommst du darauf, dass wir nur Augen und Ohren verwenden? Ob im Alltag... Supermarkt, Fitnessstudio etc. Ich rieche ständig ganz viel. Beim Essen schmecke ich so erst wirklich, bei der Partnerwahl entscheidet die Nase erheblich mit. Sie warnt ggf vor Gefahren (Rauch, giftige Gerüche), sagt vorher ob es gleich regnet, schneit oder die Sonne scheint (zumindest ich rieche Wetter(-umschwünge) sehr deutlich). Parfum ist Genuss, aber sicher auch ein Stück unsichtbarer Balzschmuck.
vor 6 Jahren
Ich habe ehrlich gesagt auch schon manchmal über diese Frage nachgedacht. Allerdings gibt es bei mir auch immer mal wieder Phasen, in denen ich testfaul bin und nur bekannte Düfte riechen möchte. Vielleicht ist es auch einfach der Wunsch nach Ablenkung vom Alltag. Die Jäger- und Sammler Theorie trifft bei mir ebenfalls zu. Der Wunsch was Neues zu entdecken und sich daran zu erfreuen. Aber ich würde das nicht auf Düfte beschränken. Mit der Suche nach Neuem geht es mir in allen Bereichen so, für die ich mich sehr interessiere.
vor 6 Jahren
Terra:
Wie kommst du darauf, dass wir nur Augen und Ohren verwenden? Ob im Alltag... Supermarkt, Fitnessstudio etc. Ich rieche ständig ganz viel. Beim Essen schmecke ich so erst wirklich, bei der Partnerwahl entscheidet die Nase erheblich mit. Sie warnt ggf vor Gefahren (Rauch, giftige Gerüche), sagt vorher ob es gleich regnet, schneit oder die Sonne scheint (zumindest ich rieche Wetter(-umschwünge) sehr deutlich). Parfum ist Genuss, aber sicher auch ein Stück unsichtbarer Balzschmuck.

Unterschreibe ich hundertprozentig.
vor 6 Jahren
Terra:
Wie kommst du darauf, dass wir nur Augen und Ohren verwenden? Ob im Alltag... Supermarkt, Fitnessstudio etc. Ich rieche ständig ganz viel. Beim Essen schmecke ich so erst wirklich, bei der Partnerwahl entscheidet die Nase erheblich mit. Sie warnt ggf vor Gefahren (Rauch, giftige Gerüche), sagt vorher ob es gleich regnet, schneit oder die Sonne scheint (zumindest ich rieche Wetter(-umschwünge) sehr deutlich). Parfum ist Genuss, aber sicher auch ein Stück unsichtbarer Balzschmuck.

Ja, die Behauptung, dass wir unseren Geruch nicht mehr benutzen würden, halte ich für weit hergeholt. Wir sind zwar keine Hunde, Katzen oder andere Tiere die mit Geruch viel stärker kommunizieren, aber auch wir riechen ständig um Informationen aus unserer Umwelt zu erhalten.

Ich glaube ja nicht an pantydropper (was ist das männliche Äquivalent? Boxerdropper?), aber ein angenehmer Geruch ist bestimmt nichts negatives im Alltag oder auf der Balz.
vor 6 Jahren
Es ist schon korrekt, dass wir , d.h. der Westen, eine okularozentrische Kultur sind, in der visuelle Paradigmen dominieren und Geruch traditionell als "niedrigster Sinn" betrachtet wurde. Zwar wird natürlich viel gerochen, aber wir sind einerseits eine Desodorierungskultur in der Gerüche stark reglementiert sind und andererseits eine Duftmanipulationskultur, d.h. es klafft eine ziemliche Lücke zwischen dem Volumen der Riechstoff- und Aromenindustrie und der Fähigkeit zum bewussten, reflektierenden, souveränen Umgang mit Geruch. Eine Semantik des Riechens, olfaktorische Kunst, Gerüche als ganz zentrale Träger von Emotion und Erinnerung, das steckt alles noch in den Kinderschuhen. Sieh dazu u.a. die vielfältigen Arbeiten und Projekte von Sissel Tolaas oder der großartige Smeller 2.0 von Wolfgang Georgsdorf.
vor 6 Jahren
DasguteLeben:
Es ist schon korrekt, dass wir , d.h. der Westen, eine okularozentrische Kultur sind, in der visuelle Paradigmen dominieren und Geruch traditionell als "niedrigster Sinn" betrachtet wurde. Zwar wird natürlich viel gerochen, aber wir sind einerseits eine Desodorierungskultur in der Gerüche stark reglementiert sind und andererseits eine Duftmanipulationskultur, d.h. es klafft eine ziemliche Lücke zwischen dem Volumen der Riechstoff- und Aromenindustrie und der Fähigkeit zum bewussten, reflektierenden, souveränen Umgang mit Geruch. Eine Semantik des Riechens, olfaktorische Kunst, Gerüche als ganz zentrale Träger von Emotion und Erinnerung, das steckt alles noch in den Kinderschuhen. Sieh dazu u.a. die vielfältigen Arbeiten und Projekte von Sissel Tolaas oder der großartige Smeller 2.0 von Wolfgang Georgsdorf.

Europa ist noch ein Witz verglichen mit Ostasien. Als ich 2016 mal wieder in Taiwan war hatte ich den Eindruck, dass dort allgemein sehr wenig Parfumkultur herrscht. Also eigentlich gar keine, Parfums sind dort ein Luxusgut aus der westlichen Welt und die Community die sich dafür interessiert ist noch eher klein (mal abgesehen davon dass zumindest Taiwan fast schon in den Subtropen liegt und dort viele Parfums unerträglich wären).

Aber in Ostasien ist es sehr viel verbreiteter, nicht zu riechen, zu dem Punkt dass sich bei manchen Regionen der Körpergeruch regelrecht rausgezüchtet hat.
Man kann sich hierzu die Arbeiten von Yoshiura et al. 2006, Martin et al. 2010 und Ohashi et al. 2010 anschauen.
Zusammengefasst geht es um eine Mutation in einem Protein - ein ABCC11 Transporter - welches die Funktion von apokrinen Drüsen in der Haut bestimmt und auch die Ohrenschmalz-Konsistenz mitbestimmt. Liegt eine bestimmte Mutation vor, fällt die Funktion des Proteins und somit auch die Funktion der Drüsen aus und der Ohrenschmalz ist dann eher trocken.

In der Karte von Yoshiura et al. 2006 (hier: www.nature.com/articles/ng1733/figures/4 ) ist die Verteilung dieser Mutation auf einer Weltkarte visualisiert, man sieht dass z.B die Südkoreaner alle diese Mutation tragen, d.h. dieses Volk hat über mehrere Generationen seinen Körpergeruch weggezüchet. Und dies scheint in weiten Teilen Ostasiens so zu sein, ich selbst (meine Mutter ist aus Taiwan) scheine auch keinen Körpergeruch zu haben. Und mit Ethanol verstoffwechseln hab ich es auch nicht so. Aber gut, man kann aus diesen Datensätzen herausinterpretieren, dass es Kulturkreise gibt, in denen es schon früh zu einer Stigmatisierung von Körpergeruch kam. Und auch Chandler Burr hat mal berichtet, dass Japaner - wenn sie auf Düfte abfahren - nur auf minimalistische, lineare Düfte a la "L'Eau d'Issey" abfahren und nicht auf einen vergleichsweise opulenten Guerlain bzw. allgemein einem Duft mit Kopf, Herz und Basis.

Aber dementsprechend spielt der Körpergeruch durch die Hygienestandards der modernen Gesellschaften eine untergeordnete Rolle und ist zunehmend visuell orientiert. Sieht man ja auch an Tinder und Konsorten.

Quellen:
Yoshiura et al. 2006 www.nature.com/articles/ng1733
Martin et al. 2010 www.sciencedirect.com/science/article/pii/S002 2202X15346832
Ohashi et al. 2010 academic.oup.com/mbe/article/28/1/849/987325
vor 6 Jahren
Sehr genialer Thread. Das war schon alles, ich lese mit großem Interesse.
Was ich noch hinzufügen möchte, ist, dass ich immer mehr "parfumfeindliche" Schwingungen wahrnehme, es wäre vielen Menschen offenbar am liebsten, wenn man einfach nach gar nix mehr riecht: Körpergeruch (ausgenommen synthetisch hergestellte "saubere Haut") eh nicht, kein zu starker Geruch der verwendeten Handcreme bitte, kein Shampoo, das frisch nach dem Waschen noch nachduftet, auf keinen Fall Parfum im Büro... das ist für mich persönlich ein echtes Problem, den mit Gerüchen und Düften transportiere ich nicht nur die stimmungsmäßige oder anlassbedingte Atmosphäre, sondern sie umfassen und beinhalten für mich Erinnerungen oder Momente, die ich festhalten oder an diesem einen Tag wiederbeleben mag.

Viele Kritiker werde auch befeuert durch Artikel wie den u.a. www.spiegel.de/wissenschaft/natur/fluechtige-o rganische-verbindungen-deos-und-parfuems-versc hmutzen-die-luft-a-1193760.html
Duft macht Sinn vor 6 Jahren
Vielen Dank für die Links - ich habe das mit den 2 verschiedenen Ohrenschmalz-Typen mal im Anatomieunterricht gelernt und war bis jetzt nicht sicher, ob das überhaupt so weitgehend zutrifft.
Dass tatsächlich bei der Partnerwahl wenig riechende bevorzugt wurden, ist ja nur eine Vermutung, es könnte auch einfach ein Überlebens-Vorteil darin liegen, dass Menschen, die weniger riechen, weniger von Raubtieren lokalisiert worden sind...

Mein Bedürfnis, mich oder meine Umgebung zu beduften unterliegt auf jeden Fall starken Schwankungen. Es dient häufig zur Unterstützung dazu, mich von einem Zustand in einen anderen zu versetzen... Z.B.
Vorher: Arbeit-Schwitzen-unangenehme Umgebungsgerüche.....Nachher: Freizeit-Sauberkeit-angenehme Düfte
Vorher: Funktionsmodus-keine Ablenkung erlaubt-kein Parfüm....Nachher: Es lebe der Exzess-entspannende und geistig benebelnde Düfte erlaubt.

Parfums machen auch Sinn, um als etwas erkannt zu werden, was man gerade sein möchte. Oder damit andere erkennen, wie man sich fühlt. Also dient es der Kommunikation, ohne Worte (und ohne Körpergerüche;).

Ich hatte mal für mehrere Wochen überhaupt keinen Geruchssinn mehr. Das war eine unschöne aber interessante Erfahrung, ich habe mich verunsichert gefühlt und hatte immerzu den Eindruck, alles sei irgendwie nicht echt. Als würde ich in einer künstlichen Plastikwelt leben. Manchmal kam es mir auch so vor, als wäre alles nur ein Computerspiel. Ich wurde depressiv davon und die Angst, dass das so bleibt war nicht gerade klein, denn mir waren Gerüche allgemein und auch Düfte und die Beschäftigung damit schon immer sehr lieb und anscheinend wichtiger als den meisten anderen Menschen. (zum Glück nur Dauerinfekt wegen Schleimhautvergrößerung und nach einer OP war alles wieder gut)
Bei Antworten benachrichtigen
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:
Übersicht Parfum allgemein Non-olfaktorische Welt
Gehe zu