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Nach dem Krieg... traurige Duft-Erinnerung meiner Oma (90)

Nach dem Krieg... traurige Duft-Erinnerung meiner Oma (90) vor 4 Jahren 1
Liebe Parfumos,

als ich meiner Oma (fast 90) gestern von meinem wiederentdeckten Düfte-Hobby berichtet habe, erzählte sie mir eine Geschichte, die mich nicht loslässt: Einige Jahre nach dem Krieg brachte mein Opa einen kleinen Flakon aus Russland mit. "So einen himmlischen Duft hatte ich mein ganzes Leben lang noch nicht gerochen, Duftessa."
(Kein Wunder, wenn ich an das entbehrungsreiche Nachkriegsleben auf dem (schlesischen) Dorf denke, das von Schweinestall, Hühnerhaltung, Schweiss und Kohleöfen geprägt war - selbst die Wäsche hat sie mit Aschenlauge gewaschen...)

Jedenfalls hatte sie sich unfassbar in diesen Duft verliebt und -sparsam, wie sie bis heute ist- immerzu am Mini-Flakon geschnüffelt, ja nichts aufgetragen. Wenige Tage später war der schöne Duft verschwunden. Opa hatte ihn kurzerhand einer - offenbar wichtigeren- Arbeitskollegin geschenkt.

Das alleine wäre für viele ein Trennungsgrund:-) aber Oma blieb - auch nach Opas Tod vor 20 Jahren- die ewigtreue Witwe, die sich mit Lippenstift und Duftwässerchen schön macht für ihre Dorfkirche...

So sehr ich versuche, ihr den Lebensabend mit Blumenlieferungen, Telefonaten und kleinen Überraschungen zu verschönern... diese 70 Jahre alte Erinnerung kann ich leider nicht ausradieren...

Ich wollte diese Geschichte hier teilen, weil ihr mich und vor allem Oma sicherlich besser verstehen könnt als andere, nicht-Parfumos...

(Vielleicht habt ihr auch be/rührende Großeltern-Geschichten...?)
vor 4 Jahren
Das ist wirklich eine sehr anrührende Geschichte...danke, dass du sie hier teilst.

Wahrscheinlich gibt es auch keine Möglichkeit mehr an diesen Duft ranzukommen Sad. Zu gerne würde ich das Gesicht deiner Oma sehen, wenn das Wunder geschehen könnte ...Wink.
vor 4 Jahren
Meine Omi, Jahrgang 1914, wurde 96, ist aber mittlerweile auch schon etliche Jahre tot.
Und sie war auch viele jahre lang alleine, Opi war im Krieg verschollen (im Nachhinein wissen wir natürlich von seiner Gefangenschaft in Russland, aber sie wusste das natürlich sehr, sehr lange nicht), sie blieb alleine mit zwei kleinen Töchtern und später dann auch noch mit jeder Menge Flüchtlinge die sie unter ihre Haube genommen hatte (jeder Raum in dem Haus in dem ich heute wohne wurde von einer kompletten Familie bewohnt). Irgendwann haben dann die Alliierten das Haus okkupiert und meine Omi musste mitsamt Kindern und Flüchtlingen raus aus ihrem Eigentum. Komplett-Enteignung. Was das Haus angeht haben die Alliierten mehr Schaden angerichtet als die Nazis (und tatsächlich gab's dafür dann später auch irgendwann eine "Entschädigung" finanzieller Art, ob die den angerichteten Schaden tatsächlich ausgleichen konnte steht nicht im Rahmen meines Ermessensspielraums, tendenziell wohl eher nicht, meine Mutter hat da noch jahrzehntelang nachgehakt). Was die "Flüchtlinge" angeht haben wir bis heute unglaubliche Freundschaften.
Ich weiss bis heute nicht welche Düfte meine Omi tatsächlich im Schränkchen hatte, aber ganz sicher stand sie auf ganz klassisch Leder + Veilchen, denn diese Kombi erinnert mich immer an sie.
Gegenüber dem, was meine Omi gestemmt hat, ist Corona ein Witz, auch wenn man Corona und Krieg nicht vergleichen sollte.

Ich rieche Omi in "Simply Elixier" auch wenn sie sicher eher eine "große Marke" getragen hat.
vor 4 Jahren
Wenn sie das Flakon und den Duft noch halbwegs genau beschreiben könnte, wäre eine Idee, mal nachzuschauen, um welchen Duft es sich handeln könnte.
vor 4 Jahren
Traurige Geschichte, was war nur mit dem Opa los, dass er es einfach nochmal verschenkt?
Hast du schon einmal an "Krasnaya Moskva" gedacht? Es wäre gut möglich, dass es jemand als Souvenir aus Russland mitgebracht haben könnte. Und es wird nach wie vor produziert, die Oma könnte also wieder daran schnuppern.
vor 4 Jahren
Sailor2:
Wenn sie das Flakon und den Duft noch halbwegs genau beschreiben könnte, wäre eine Idee, mal nachzuschauen, um welchen Duft es sich handeln könnte.

Ja, ich habe sie gefragt, aber sie weiß nur noch, dass es ein quadratischer kleiner Flakon mit hellem Deckel war...
Bisherige Recherchen blieben erfolglos...
vor 4 Jahren
Fabistinkt:
Traurige Geschichte, was war nur mit dem Opa los, dass er es einfach nochmal verschenkt?
Hast du schon einmal an "Krasnaya Moskva" gedacht?

Auch Dir, danke für die Anregung! Ach ja, der Opa... das Ideal der romantischen Ehe war damals noch nicht so verbreitet im polnischen Nachkriegs-Dorf, fürchte ich...

"Krasnaya Moskva" scheidet eher aus, da es sich um einen schlichten, quadratischen Flokon gehandelt haben soll...

Habe Oma in den letzten Wochen stattdessen mit Come L'Amore und Vertine abgelenkt, kam auch sehr gut an...

Vielleicht lese ich hier noch mal von einem guten Tipp... Fände auch frisch-waldig-kräuterige Düfte auch spannend für sie, weil sie in einer einfachen Hütte am Wald aufgewachsen ist und immer ganz verklärt von der Kindheit spricht... Außerdem trinkt sie gerne Kräuterlikör, das müsste ja passen Very Happy

Aber ihr seid echt super hier - wirklich toll, in welch' eine hilfsbereite, engagierte und zugewandte Community ich hier reingeraten bin...
vor 4 Jahren
Krasnaya Moskva hatte früher ein schlichtes Flakon mit weißer Kappe (es gibt weitere ähnliche Versionen).

s.ecrater.com/stores/318776/529acd286609c_3187 76n.jpg

Tosca auch. Aber es könnte natürlich alles mögliche sein, quadratisch und helle kappe sind aber schon eine Richtung. Noch irgendein Merkmal könnte helfen (was natürlich nach so vielen Jahren schwierig ist). Relativ bekannt war noch damals Tet a Tet.
vor 4 Jahren
OMG! 1000 Dank, liebe/r Sailor!
Was für ein Russland-Parfum-Profi, ich bin sprachlos über Deine wertvollen Infos und Bilder.

Alle geschickten Fotos werden ausgedruckt und werden Oma zur Ansicht geschickt...
vor 4 Jahren
Duftessa:
OMG! 1000 Dank, liebe/r Sailor!
Was für ein Russland-Parfum-Profi, ich bin sprachlos über Deine wertvollen Infos und Bilder.

Alle geschickten Fotos werden ausgedruckt und werden Oma zur Ansicht geschickt...

Wobei Tosca natürlich kein russischer Duft ist, sondern ur-deutsch Wink Allerdings haben sich beide Marken in der selben Glasfabrik für die Flakons bedient, soweit ich weiß.
vor 4 Jahren
Lieber Sailor, lieber Russland-Dut-Experten,
ich habe Oma sämtliche Bilder von Sailors Flakons ausgedruckt und geschickt und heute haben wir wieder mal darüber telefoniert: Leider kann sie kaum eine Flasche aussschließen, schließlich sei es mehr als ein halbes Jahrhundert her. Zur Eingrenzung könne sie lediglich sagen, dass der Duft genau so gerochen habe wie ein Strauch im Hamburger Stadtpark, den sie vor ca. 10 Jahren mit mir besucht hat. (Aha, da kommen wir der Sache schon viel näher:-)

Aber sie bedankt sich herzlich für die engagierten Menschen "in diesem Internet" und fragt, warum es euch nicht schon vor 30 Jahren gab, als ihre Erinnerung noch besser war...

Nun gut, da ich ihr nahezu jede Woche eine kleine Abfüllung meiner Schätze sende, ist sie recht gut abgelenkt und versorgt...- aber auch von mir nochmal danke an alle Russland-Duft-Experten hier...
vor 4 Jahren
Das ist natürlich verständlich, wenn man sich nach so langer Zeit nicht genau erinnert. Nach der Erzählung mit dem Strauch klingt es so, als ob der Duft eher frisch/blumig war, also keineswegs süß/schwer (also eher kein Krasnaya Moskva). Mit den damaligen Düften kenne ich mich nicht aus, die Bilder stammen von der Suchmaschine. Eine interessante Idee wäre jedenfalls nachzuschauen, ob von den damaligen Kollegen/Kolleginnen jemand sagen könnte, wer das Flakon am Ende erhalten hat. Aber dies ist wohl zu weit hergeholt. Vielleicht findet sie bei den Proben etwas Vergleichbares oder jemand mit Expertenkenntnis hat einen Tip. Es ist aber bemerkenswert, wie bestimmte Düfte in der Erinnerung bleiben.
vor 4 Jahren
Ich habe mal gelesen, dass weltweit bei allen Soldaten nach dem Krieg Chanel No.5 das Mitbringsel schlechthin war. Eventuell das?
An die alten Flacons von Krasnaya Moskva habe ich natürlich auch sofort gedacht.

Danke, dass du diese wirklich sehr berührende (und krasse) Geschichte mit uns teilst und alles alles Liebe an deine Omi.
Ich finde es wunderschön, dass ihr noch so eine schöne Verbindung habt und sie dir so nahe steht. Ich vermisse meine Oma sehr.

Meine Oma kam aus einafachen ländlichen Verhältnissen und schämte sich immer ein bisschen, Parfum zu verwenden, weil es eine so luxuriöse Verschwendung darstellte. Aber sie hatte immer ein Fläschchen 4711 Kölnisch Wasser auf dem Schränkchen im Schlafzimmer stehen oder bei den obligatorischen Busreisen, auf denen ich sie als kInd oft begleitet habe, in der Tasche (auch den Ice Stick, gegen Kopfweh, kennt den noch wer?)
Außerdem bekam sie von ihrer Schwester regelmäßig Tosca geschenkt, was mich auch heute noch an meine Oma und meine Großtante (die nur Tosca trug) erinnert und was ich ab und zu sehr gerne trage, ein zeitlosser Klassiker, sehr unterschätzt. Erfrischend als EdT oder EdC und schwer und fein als EdP.
Ich habe ihr irgendwann einmal dann "L'Air du Temps" geschenkt, in dem schönen großen Flacon mit dem Taubendeckel und sie mochte es sehr, sie liebte Nelken und Rosen und ich, ich war ja auch ihr Patenkind, heiße zufälligerweise wie die Designerin, also es war ein Geschenk, das bei ihr gut ankam. Sie hatte es ewig und trug es eigentlich nur zu Familienfeiern oder in der Kirche. Leider ist sie vor zwei Jahen verstorben.
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