Beginnen würde ich mal mit der Behauptung, dass (zumindest meiner Wahrnehmung nach) nicht bloß sehr wenige Teenager, sondern auch sehr sehr sehr wenige Menschen überhaupt an Düften/ Parfums interessiert sind. Dass speziell junge Menschen sich nicht dafür interessieren ist aus meiner Sicht also gar nichts ungewöhnliches oder problematisches. Punkt. Problem gelöst
Mal umgekehrt: Für was interessieren sich denn junge Menschen hierzulande? Und wieso?
Viele Teenager scheinen sich sehr für Sachen wie z.B. Autos, Mode/ Kleidung, make up/ gutes Aussehen, Schmuck/ Armbanduhren zu interessieren. Das liegt denke ich vor allem an engl.
Exposure. Soll heißen: Wie, wann, wo, wie oft kommen (junge) Menschen überhaupt mit einem Thema/ einer Sache (z.B. Mode, Autos, Düfte/ Parfums) in Berührung? Und zweitens: Warum weckt das dann ihr Interesse?
Ich bin kein Soziologe, darum verzeiht bitte wenn hier einiges etwas grob formuliert ist. Aber ich denke das hat viel mit Image, mit Bildern von Status, Macht, Erfolg, gutem Leben (bzw. einer Idee davon) oder "cool-sein-wollen" (gott, klingt das altbacken) zu tun. Und das wird in den Massenmedien dieser Gesellschaft vor allem über Ton und Bild transportiert, sprich: bebilderte Artikel online oder in Zeitschriften, in Werbebildern, auf youtube/tiktok/etc, in Songtexten und vor allem in Musik-Videos. Über Kleidung, Schmuck, gutes Aussehen/ den eigenen Körper lässt sich in diesen Medien gut der eigene Status zur Schau (und nicht "zu Geruch") stellen. Vor allem so wird im Leben der meisten (jungen) Menschen das Bild(!) von Erfolg, "es-geschafft-haben", "gut-aussehen", begehrenswert-sein, usw. kreiert, vermittelt und konsumiert. Dafür interessiert sich auch der jugendliche mainstream.
Ein Duft ist allerdings in diesen bildbetonten Massenmedien denkbar schlecht rüberzubringen.* Anders als die Gucci-Tasche oder den Lamborghini erkennt man den Duft auf Videos oder Fotos nicht. Und dementsprechend auch kaum für die massenmediale Selbstdarstellung oder Kommunikation von Status geeignet.
Etwas verändert sich meiner Wahrnehmung nach aber bereits: Neben Designer-Kleidung, Geld, Drogen und Autos fanden in den letzten Jahren auch teure Parfums wie Baccarat Rouge, Bois d'Argent und andere in populären Rap-Texten Erwähnung als Status-Symbole. Für Rap interessieren sich unglaublich viele Jugendliche. Und plötzlich ist da neben Mode und Autos auch eine Verbindung zu Parfums.
MontanaBlack, Justin, und andere youtube-Promis stellen neben ihren Luxusautos, Uhren, Klamotten oder Wohnungen/Häusern auch ihre teuren Parfumsammlungen online zur Schau (Dior, Tom Ford, Creed, usw). Jugendliche (in den genannten Fällen wohl vor allem Jungs) die sich primär für Musik, Mode, Reaktions-videos oder Call-of-Duty interessierten, kommen so mit dem Thema Parfums/ Düfte in Kontakt. Für viele davon scheint ein ausdrucksstarker oder individueller Duft nun möglicherweise als erstrebenswert, weil er ein Ausdruck von Erfolg oder einem gelungenem Leben ist. Bisher hat es vllt. ausgereicht einfach nicht zu stinken. Und das regelte auch ein einfaches Deo.
Ich denke schon dass (Nischen-) Düfte heute unter Jugendlichen bekannter sind als noch vor 10-15 Jahren.** Musik- oder Media-Stars können bekanntlich Hypes auslösen. Und auf Hypes folgen oft Popularisierung und anschließend Inflation bei den gehypeten Produkten und Trends. So fährt heute gefühlt jeder halbstarke Milchbart einen teuren Mercedes und gefühlt jeder Barista in Düsseldorf trägt eine Rolex. Und Parfüms wie Creed Aventus werden mancherorts schon abfällig als "das neue Sauvage" gehandelt, weil einige (ehemals-) Nischen-Düfte heute gefühlt "jedes Kind" kennt und trägt (auch Dank MontanaBlack & co).
Andere Idee: Vielleicht mögen die allermeisten jungen Nasen einfach keine Parfums, weil diese in der Regel eher komplex und intensiv (= anstrengend) riechen? Parfum könnte also in den allermeisten Fällen ein erworbener Geschmack (oder eine verlorene Geruchsempfindlichkeit
) sein. Ähnlich mögen wohl die wenigsten Jugendlichen z.B. starken Tabakrauch, Blauschimmelkäse, herbe/ bittere Salat-Sorten, trockenen Rotwein. Aber viele ältere Menschen dagegen lieben diese Dinge. Ich persönlich mag heute viele Speisen gerne, die ich als Kind und Jugendlicher geradezu widerwärtig fand.
Und zuletzt: Ich interessiere mich für Parfums. Aber den Geruch von Parfum-Läden finde ich jedes Mal wieder abschreckend. Da geht doch kein Jugendlicher aus reiner Neugier hinein. Das macht es sicher schwerer, das Thema Parfums für sich zu entdecken und eigene Vorlieben zu finden oder zu entwickeln.
Aber das ist natürlich alles sehr subjektiv und unwissenschaftlich und ich könnte auch völlig falsch liegen.
---------------------
*so werden z.B. nicht nur Autos sondern sogar Parfums in der Regel nicht mit ihren unmittelbaren Produkteigenschaften beworben, sondern es wird versucht über Bilder und Worte Verbindungen zwischen dem Produkt und positive besetzten Gefühlen oder Vorstellungen bei den MedienkonsumentInnen herzustellen.
**In meiner Jugend (90er und 00er-Jahre) spielte Parfum für mich jedenfalls gar keine Rolle. Das lag wohl vor allem daran, dass es weder in meinem persönlichen Umfeld, noch in den von mir konsumierten Medien (Musik, Bücher, frühes Internet) eine besondere Rolle spielte.[/i]