vor 6 Jahren 1
Hallo, mein Name ist Cashmeran. Auch wenn Ihr mich jetzt wahrscheinlich gleich wieder heraus schmeißen möchtet, bitte ich Euch, mich erklären zu dürfen.
Eigentlich geht es mir ja wie Euch. Ich lese Cashmeran in der Duftpyramide und denke mir: "Na, ob das mal gut geht!". Schlimmer finde ich nur, wenn mein Name verunstaltet wird zu Kaschmirholz oder helle Hölzer bzw. im Englischen blonde woods.
OK, das mit dem Kaschmir passt, denn, wie es Maurice Roucel (ein ganz Großer - dazu später mehr) passend formulierte: "Es ist geeignet für Kopf-, Herz- und Basisnoten; holzig, Moschus, mit einer über allem schwebenden Frische, die an Feuerstein erinnert, ohne aggressiv zu sein. Es hat eine angenehme Textur, eben wie Kaschmir."
Aber mit dem Holz bin ich schon unglücklich. Ich meine, ich bin schwer zu greifen, aber wenn man meinen Geruch schon versucht, auf eine Vokabel zu reduzieren, dann doch wohl eher Moschus, oder? Kaschmirmoschus statt Kaschmirholz? Was meint Ihr? Im Standardwerk für Duftstoffe Scent and Chemistry, The Molecular World of Odors bin ich auch im Moschuskapitel und zurecht wird auf meine Vielfältigkeit hingewiesen: "Cashmeran possesses a complex odor profile of musky-powdery, woody-ambery, leathery-sweet aspects, and is thus half-way between a woody odorant and a musk."
Besonders gefällt mir aber, was der wortgewaltige Luca Turin über mich schreibt: "Cashmeran, a pure synthetic. Technically classed as a musk, it is actually a peculiar combination of a transparent sweet note with no precise character, a musty, wet-concrete note with camphorlike feel, and a fruity, blackberries note that pops in and out of focus. You just cannot believe that a single molecule has so many features. The musty, wet-concrete. The camphor. The fruit. The velvet. Smell that? Getting this molecule in your nose is like coming up close to a beautiful face and finding it's made of independently 'wrong' features that add up to a fine harmony."
Warum erwähne ich das alles? Weil das indirekt der Grund dafür ist, dass mich so viele hassen. Obwohl ich alles mitbringe, um mich zu lieben. Weil ich so vielfältig bin, werde ich andauernd verwendet: Rauhe Holznoten glätte ich. Einer Moschusbasis gebe ich spannende Facetten. Toll bin ich als Fundament von Blütennoten.
Blöd ist nur: Wenn eine Parfumeurin / ein Parfumeur keine Idee für die Basis eines Duftes hat (oder schlichtweg die Zeit fehlt, etwas zu komponieren), nehmen die immer mich. Und das ist gemein. Was kann ich dafür, dass ich erste Wahl bin, wenn die Kreativität gerade Pause macht? Und vor allem: was kann ich dafür, dass es anscheinend gar nicht gewünscht wird, Parfums spannend durchzukomponieren? Dass ich verdammt günstig in der Anschaffung bin, könnt Ihr mir auch nicht vorwerfen (eher IFF, dass so wenig Geld für mich verlangt). Ich bin preisgünstig, nicht billig. Klar, wenn ich mit Synthetikholz und Süße kombiniert werde, rieche ich wie karamellisierte Holzkohle. "Encre Noire (Eau de Toilette)" wurde so verhunzt. Geniale Kombination aus grüner Zypresse und erdig-rauchig-süßlichem Vetiver, bis ich die Party crashe *seufz*
Aber: wer mich versteht, sich auf mich einlässt und Feingefühl und Talent besitzt, kann großartige Düfte mit mir (sogar als Hauptdarsteller) erschaffen. Urteilt nicht über mich, ohne an "Édition Rare - Vici", "Steampunk - Viola" und vor allem Maurice Roucels "Dans Tes Bras" gerochen zu haben.