vor 6 Jahren
Wie ja schon vielfach dargelegt, kann man aus vielen unterschiedlichen Perspektiven solche Empfehlungen geben. Die Hauptlinien der Parfümgeschichte nachvollziehen, Genres studieren, Interesse an Duftstoffen oder technischer Konstruktion - oder an den Emotionen und Diskursen, die Parfüm auslöst. Aus einer mixtur solcher Motivationen heraus denke ich gerade an:
Guerlain Jicky (möglichst vintage): als erster abstrakter Duft der Beginn der modernen Parfümerie. Vorher gab es dieses oder jenes (Natur) Bouquet oder Soliflores. Jicky war Jicky, Impressionismus in der Flasche.
Guerlain Shalimar Extrait: das Referenz-Oriental.- 'Nuff said.
Comme des Garcons Series 3: Incense. Ich glaube nichts hat das, was irgendwann "Niche" wurde (als Duftstil und Konzept, dass eng mit einem bestimmten Gruppe von Aromachemikalien verknüpft ist) so sehr geprägt wie Duchaufour und Buxtons revolutionäre Arbeit für CdG. Ein regelrechter Ur-sprung und immer noch mit das Beste seiner Art.
Serge Lutens Klassiker (Ambre Sultan, Borneo 1934, Iris Silver Mist u.a.): noch so ein Ursprung, die geburt der neoklassischen Parfümerie, wie Turin/Sanchez es im neuen Guide sehr schön beschreiben. Unzählige Male plagiiert, selten erreicht und immer noch betörend, die große französische Tradition der haute parfumerie ohne die alten Zöpfe. Sheldrake hat die klar konturierten Meisterwerke nur so aus dem Ärmel geschüttelt damals, irre, ein Duft-Rothko. Immer noch, was diese Ära betrifft, ein absoluter Favorit, der meine Begeisterung für Parfum wesentlich mitentfacht hat.
La Via del Profumo - Oud Caravan. Alle schreiben Oud auf die Packung, fast nie ist es drin. Hier aber doch, sachte gerahmt, bezahlbar und zumindest ein wenig domestiziert.
Villoresi Colonia - Der Duft des Rokkoko, der bis in die 1880er Jahre paradigmatische Kraft hatte: zitrisch-kräuterig, leicht floral, das wra gesittet, gesund und geschlechtsneutral das Maß der Dinge. 4711 ist ein Industrieabklatsch und Farina Gegenüber inzwischen übermäßig synthetisch. Villoresi hat ein Prachtexemplar in natura gemacht, wie es sein sollte (ob es das jetzt noch ist, weiß ich nicht)
Annette Neuffer - ihre Arbeit hat mir u.a. den Glauben daran zurückgegeben, dass eine ästhetische Beschäftigung mit aktuellen Düften noch Sinn macht, jenseits der Industriesoße. 100% Natur auf den Spuren von Guerlain, aber mit ganz eigener Handschrift. Avicenna, Maroquin, Per Fumum, Hepster, Mellis, Chocolat Irisée, ich habe Lieblinge, aber die ganze Linie ist auf atemberaubendem Niveau. Zum einen wegen der top-notch Qualität der Essenzen, zum anderen aufgrund der kunstvollen Verflechtung. Nix Bioladenduft hier, haute parfumerie vom Feinsten.
Bogue, Maai - eine zweite Epiphanie. Große animalische Chypres sind noch legal machbar und man kann sie behutsam ins 21. Jahrhundert bringen. Gadoni entwickelt die Lutens-Neoklassik weiter. Ein Duft wie zweite Haut, flüssiges Gefühl. Mem kenne ich noch nicht, dreht wohl aber die Schraube noch eins weiter...