Ich möchte das Thema nicht zwingend wieder aufrollen, aber interessant finde ich die Diskussion schon. Mein Eindruck ist, dass sich bei einigen langjährigen Foristen eine sehr eindeutige Haltung zu bestimmten Themen entwickelt hat (z.B. Forumssuche, wiederkehrende Fragen, unpräzise gestellt Fragen), und es ist schwierig, herauszufiltern, inwiefern die Haltung die Meinung zu diesem Thema beeinflusst.
Aber wenn ich mich lediglich auf das Thema Komplimente beschränke, dann finde ich, dass das Thema zu Unrecht auf einzelne Stereotypen reduziert wird, vor allem wenn es um neue Foristen geht. Nicht jeder "Anfänger" erfüllt das Klischee eines Influencer-Lemmings und nicht jeder Duft-Aficionado vermag zu beurteilen, was "richtig" und was "falsch" ist. Es kann nämlich genauso "richtig" sein, sich einen Duft zu kaufen weil man einfach gerne anderen gefällt und der Fokus auf einer soziale Reziprozität liegt. Und das finde ich auch nicht schamvoll, weil es ein urmenschliches Bedürfnis ist, soziale Bedürfnisse zu stillen und dazu gehören auch Anerkennung oder grundsätzliche soziale Nähe. Daher finde ich es schade, dass mit "compliment chasing" eine starke negative Assoziation hervorgerufen wird. Selbstverständlich kann der Drang nach "compliment chasing" auf die Spitze getrieben werden und die gegenwärtige Zeit verdeutlicht das ja umso mehr mit Medien wie Instagram oder Tik Tok, die die Grenze zwischen der gelebten und der empfundenen Realität immer stärker verschwinden lassen. Aber wenn man das Thema Düfte ausklammert, war es schon seit Menschengedenken üblich, dass man (unter)-bewusst viele Entscheidungen im Leben davon abhängig macht, wie sie im eigenen sozialen Raum empfunden werden. Daher wäre es vielleicht nicht gar nicht mal so verkehrt, an das Thema etwas unbefangener ranzugehen und das Ausleben seiner Individualität davon abhängt macht, ob man anderen gefallen möchte oder nicht.
Abgesehen davon sollte man einen Aspekt nicht außer Acht lassen - jeder hat irgendwo angefangen und am Anfang wird der Gradmesser für die positive Assoziation mit einem Duft vermutlich stärker auf "oberflächlichen" Faktoren wie Sillage oder fremder Befürwortung liegen als zu einem späteren Zeitpunkt, wo aus einem grundsätzlichen Interesse eventuell schon Liebhaberei geworden ist und die "Unsicherheit", welche Duftnoten welche Assoziation hervorrufen, einem gesunden Selbstbewusstsein gewichen sind. Nehme ich beispielsweise einen sehr jungen Menschen, der vermutlich ein schmales Budget hat und aufgrund einer wachsenden Faszination für die Duftwelt seinen ersten Nischenduft kaufen möchte, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass es relevant für diese Person sein wird, wie der Duft auf andere wirkt. Denn wenn die Duft-Sammlung klein und das Budget noch kleiner ist, wird man den Duft ja auch im Normalfall in regelmäßigen Abständen außerhalb der eigenen vier Wände tragen möchten und in dem Fall könnte es zu Ablehnung bei anderen führen, wenn es ein besonders exotischer Duft ist, aber meine Sammlung eben keine 30 Amouages umfasst, sondern einen Akkad , den er kaum im Winter und geschweige denn im Sommer tragen möchte. Persönlich spielt das Umfeld, in dem ich mich bewege, schon eine Rolle bei meinen Tragegewohnheiten. Wenn ich weiß, dass bestimmte Freunde einen bestimmten Duft gerne an mir riechen, dann trage ich diesen Duft öfter in ihrer Gegenwart als wenn es einer ist, der ihnen missfällt und in diesem Fall mach ich meine Tragegewohnheit bewusst und ohne Scham davon "abhängig", in welchem sozialen Kreis ich mich bewege. Daher schmälert die Frage nach Komplimenten für mich nicht die intrinsische Suche nach Glückseligkeit, sondern spielt eine verständliche Rolle bei der Entscheidungsfindung.