Der Duft nach frisch geschnittenem Gras II

Der Duft nach frisch geschnittenem Gras II 0
Da die Moderation das veraltete Thema "Der Duft nach frisch geschnittenem Gras" ( www.parfumo.de/forum/viewtopic.php?t=2360) geschlossen hat, hier eine kurze Fortsetzung, da es mEn schon einige Leute gibt, die diesen Duft mögen dürften:
Hauptsächlich ist die Substanz cis-3-Hexen-1-ol , ein ungesättigter Alkohol, für den gesuchten Geruch verantwortlich. Die Ähnlichkeit läßt sich mMn ungefähr mit der Ähnlichkeit von Vanillin zu Vanille vergleichen.

Dieser Umstand verbunden mit den ja schon fast(!) lebensmitteltauglichen Smile toxikologischen Daten legt die Vermutung nahe, dass das Zeug in recht vielen "grünen" Parfums enthalten sein dürfte. Das war die gute Nachricht. Smile
Die schlechte lautet: das Zeug hat eine ziemlich kurze Haltbarkeit; das habe ich gerade im heroischen Smile Selbstversuch getestet; sowohl pur als auch erst recht in Verbindung mit Alkohol und etwas Wasser (wie in einem Parfum) hatte ich ob der Ähnlichkeit erst ein fettes Grinsen im Gesicht, aber nach ca. 1 Stunde rieche ich fast nichts mehr davon Sad
Demnach wird es auch kein haltbares Parfum geben, welches lange und intensiv nach frisch geschnittenem Gras riecht...
...ganz ähnlich meinem grünen Lieblingsparfum "Eau de Campagne / Eau de Campagne - Country Water", welches eine recht ordentliche Menge Grasalkohol (cis 3-Hexen-1-ol) enthalten dürfte Smile

VG
Phalaris
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Zur Überbrückung empfehle ich das „Grass”-Duschgel von Lush, das ist echt toll.
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Toller Beitrag, danke. Adan hätte jetzt geschrieben "YEAH SCIENCE BITCH!". Very Happy

Im "Eau de Campagne" ist doch aber v.a. Tomatenblatt, und dessen Akkord enthält nicht Blattalkohol cis-3-Hexen-1-ol, oder? Freilich könnte man, um einen Grasduft zu komponieren (der länger durchhält als der Blattalkohol pur), weniger flüchtige Substanzen ergänzen, die geruchliche Aspekte des Blattalkohols aufgreifen und tiefer in den Verlauf hineintragen - Isoamylsalicylat (Klee) und Tomatenblatt z.B. Noch etwas Heu Absolue und die Hedion-Ionon-Kombi als Teenote, eventuell etwas Patchouli oder Vetiverylacetat - et voilà, fertig ist der Grasduft.

Oder man mäht Rasen. Apropos Rasenmähen: Interessant zu lesen finde ich auch den Wikipediaartikel über grüne Blattduftstoffe, in dem beschrieben wird, dass die Duftstoffe, die beim Rasenmähen entstehen, Fressfeinde abtöten oder abschrecken sollen, um weiteren Pflanzenfraß zu verhindern.
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@Siebter
Danke für den Tipp - das Grass-Duschgel wird ausprobiert werden Smile

@Ronin
Lustig, den Artikel hatte ich zuvor auch gelesen. Smile
Leider bin ich auf die Schnelle jetzt nur an das Hexenol `rangekommen; n-Hexanal und n-Hexanol habe ich auch ausprobiert, aber erstmal(!) recht schnell wieder "verworfen" (zu süßlich); der Ethylester vom Grasalkohol wird demnächst mal gekocht Smile. An weitere "grüne" Komponenten (speziell an Isoamysalicat und Vetiverylacetat) hatte ich auch schon gedacht und werde mal sehen, inwiefern man da noch etwas Fixierendes hinzufügen kann, um die Haltbarkeit (klar, auf Kosten der Projektion Smile) zu verlängern.

Prinzipiell denke ich aber, dass der Wunsch (aus dem Ursprungsthread) nach Grasschnittduft UND langer Haltbarkeit illusorisch ist, wenn ich mir den Siedepunkt des wahrscheinlich Hauptverantwortlichen für den Duft ansehe; die von Isoamylsalicat und Vetiverylacetat liegen natürlich deutlich `drüber, aber diese (und andere Bestandteile) werden den Duft wahrscheinlich nur "runder/authentischer" machen, aber für haltbarkeitsverlängerende Azeotrope wird davon wohl zu wenig `drin sein.

Ich habe keine Ahnung, was in "Eau de Camapgne" wirklich `drin ist, aber manchmal(!) glaube(!!!) ich, der Tomatenblatteindruck wird durch eine Kombination von A (eventuell Vetiver(ylacetat)?), B (eventuell Galbanum?) und Neroli erreicht...
...reibe mal an einem Tomatenblatt und denke dabei NICHT an Neroli Smile
Oder weißt du, wie der Tomatenblatteindruck erzeugt wird? Falls ja, ändere ich natürlich sofort meine Meinung...Smile
Interviewt doch mal Jean-Claude Ellena - der muss das doch wissen Smile

VG
Phalaris
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1. Hier ist zumindest eine Rezeptur für Tomatenblatt: shop.perfumersapprentice.com/perfumersworkshop /formulas/key_accords/tomato.html
(wobei ich mir sicher bin, dass die Formel J.-C. Ellenas kürzer ist - fragen würde ich ihn das vermutlich eher nicht ... vielleicht in Stunde 3 eines hypothetischen Interviews ... Wink )

2. Grasschnittduft und lange Haltbarkeit ist vermutlich in Kombination illusorisch. Ich meinte was anderes: nicht dass die Basis nach Gras riecht, sondern das Aspekte der Graskopfnote aufgegriffen werden und dass dadurch der Grasdufteindruck wie ein Echo weiter in den Duft hinein getragen wird. Nimm z.b. einen Duft mit Veilchenblatt als Teil der Kopfnote und einem Lederakkord in der Basis: Veilchenblatt riecht ledrig und selbst wenn das Veilchenblatt schon längst nicht mehr zu riechen ist, meint man es dennoch wahrzunehmen, weil auch die Basis ledrige Facetten aufweist.
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Ich misch mich ja ungern ein, wenn Experten in einem Disput verstrickt sind, aber nach mehrfachen In-mich-gehen, getraue ich mich, euch Mastix unterjubeln zu wollen... für die Abrundung der Tomatenblattnote...diesen rauchig grünen Aspekt finde ich weder bei Galbanum noch Neroli, aber mit der Nase am Tomatenblatt.
Da strastwujet Chimija!
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Ronin:
...
2. Grasschnittduft und lange Haltbarkeit ist vermutlich in Kombination illusorisch. Ich meinte was anderes: nicht dass die Basis nach Gras riecht, sondern das Aspekte der Graskopfnote aufgegriffen werden und dass dadurch der Grasdufteindruck wie ein Echo weiter in den Duft hinein getragen wird. ...

Na ja, sowas hatte ich ja auch schon in dem - warum eigentlich schon wieder? - geschlossenen thread erwähnt. Auch die "hex"-Substanz.

Ich habe meine Chemikalien schon lange vergraben, aber von den "hex" gibt es einige. Die die ich mir bei perfumers apprentice bestellt hatte, rochen alle nach Pflanzenschnitt. Ich meine das oben erwähnte war nichtmal das typischste. Zwischen süß-alkoholisch und chemisch-ledrig lag das Spektrum der probierten Stoffe.

Ganz davon ab, etwas das stundenlang immer gleich riecht, das ist doch kein Parfüm, oder?

Das Eau de Campagne hat neben Tomatenblatt auch noch Hedione (Jasmin) und Eichenmoos/Sandelholz in petto. Ich meine, erst die Kombination macht den guten Eindruck.
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Ich habe halt deinen Beitrag wieder aufgegriffen, Catch22 Smile
Welches war denn das Typischste? *neugierig sei*
Och, ich mag auch nahezu monothematische Düfte...
...ob diese dann die Bezeichnung Parfum (ursprünglich "durch Rauch": also sehr monothematisch; ich mag aber auch Entwicklungen, gern auch mit Brüchen) verdienen ist mir(!) relativ egal.

@Ronin
Du kannst ja Datenbanken kennen! Smile Und ich habe wohl noch immer eine zu romantisierte Vorstellung von der Parfum-Produktion, wie ich merke.
Okay, jetzt habe ich es verstanden - das "Hinüberretten" eines Eindrucks in die Basis, obwohl vom ursprünglichen Erzeuger des Eindrucks schon lange nichts mehr da ist.

@Puck
Ja, Mastix könnte auch mit dabei sein; ich wollte die Aufgabe des Erzeugens des rauchig-grünen Eindrucks dem Vetiveröl übertragen, aber stimmt schon, das ist ja eher braun-rauchig-erdig (für mich).
Nebenbei: das mit den Experten beziehe ich nicht auf mich: nur weil ich an das Zeug schnell `rankomme und mir irgendwo `draufschmiere bin ich noch lange kein Experte...
...eher ein Versuchskaninchen Smile

Tante Edith: Ergänzung
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Der "Lilt" www.parfumo.de/Parfums/Rouge_Bunny_Rouge/Lilt riecht (zumindest für meine Nase) nach herb bitterem frisch geschnittenen Gras. Und er hält (wiederum für meine Nase:) gute 8 Stunden. Auch meine Angehörige sagten, es sei kein Parfum, sondern ein "Gras-Aroma". Was für ein Stoff hinter der Note "grüne Blätter" stecken soll?
GEFUNDEN! 0
Ich habe den ultimativen Frisch-gemähtes-Gras-Duft entdeckt: "Salvia Sclarea" von Tom Daxon. Gibt’s bei Niche-Beauty für 4 € als Probe zu bestellen. Oder bei mir zum Tausch Smile
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Ronin:
Toller Beitrag, danke. Adan hätte jetzt geschrieben "YEAH SCIENCE BITCH!". Very Happy

Dafür ist mir der Beitrag zu oberflächlich Razz

cis-3-Hexenol hat aber eine wesentliche Rolle in meiner Masterarbeit gespielt. Denn nicht nur Gras, sondern auch die meisten grünen Pflanzen können cis-3-Hexenol erzeugen.
Dafür sind eine spezifische Lipooxygenase (LOX) und eine Hydroperoxylyase (HPL) verantwortlich. Wenn jetzt also ein Blatt mechanisch beschädigt wird, werden zwangsläufig ja Zellen der Pflanze zerstört und die ganze Kompartmentierung der Zelle geht verloren, es vermischt sich quasi alles miteinander. Dabei setzen Lipasen Fettsäuren aus den Membranlipiden frei, wobei alpha-Linolensäure (ALA; eine Fettsäure mit einer Länge von 18 Kohlenstoffatomen) die anteilsmäßig häufigste Fettsäure darstellt.

Diese 18C-Fettsäure wird von der LOX an der Position 13 peroxidiert. Die HPL erkennt diese Peroxidierung und zerbricht die Fettsäure in ein 6er Fragment - das cis-3-Hexenol - und in ein 12er Fragment, das Traumatin genannt wird (Traumatin ist im Gegensatz zu cis-3-hexenol nicht flüchtig und akkumuliert daher in verwundetem Gewebe, daher der Name).
Aus anderen Fettsäuren wie Linolsäure (nicht mit LinolENsäure vrwechseln!) kann analog dazu 3-Hexenol entstehen. Und diese Alkohole können auch mit anderen kurzkettigen Fettsäuren (z.B. Essigsäure, Propionsäure, Buttersäure oder Valeriansäure) verestert werden.

Und die Gesamtheit dieser Komponenten werden auch Green Leaf Volatiles (GLVs) genannt und machen den Geruch von gemähtem Gras aus, weil man eben das Gras mechanisch schwer beschädigt.
Und wozu das gut ist? cis-3-Hexenol und oben genannte Konsorten haben anti-mikrobielle Eigenschaften. Weiterhin scheinen Pflanzen mit Hilfe von GLVs miteinander kommunizieren zu können. Behandelt man eine Pflanze z.B. mit GLVs, fängt sie an, mehr Giftstoffe zu produzieren und ist so noch besser gegen Schädlinge geschützt.
Außerdem gibt es Interaktionen mit Insekten und Schädlingen, denn wenn ein Schädling die Pflanze anknabbert, ist das ja auch ein mechanischer Schaden und es werden die GLVs frei. Diese können von Räubern gerochen werden und folgen dem Geruch, um dann den Schädling zu töten.

Dies wurde schon für die Interaktion vom wilden Tabak Nicotiana attenuata und seinem spezialisierten Fressfeind Manduca sexta bereits gut untersucht, denn hier ziehen die GLVs Schlupfwespen an, die dann in die Raupen von M. sexta ihre Eier injizieren.

Der Geruch von frisch gemähtem Gras ist also nicht nur schön, sondern für viele Pflanzen auch von zentraler Bedeutung für die Interaktion mit ihren Fressfeinden (und vermutlich auch Nachbarn).
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