Wie Floris "Vert Fougère", aber die Sache ist komplizierter.

Wie Floris "Vert Fougère", aber die Sache ist komplizierter. 2

Liebe Parfumos,

dies wird ein langer Text, aber vielleicht hilft die Ausschweifung hier, das Empfehlungsspektrum etwas einzugrenzen. Ich danke schon jetzt für Eure Zeit, Ausdauer und Assoziationsfreude!

Nach einigen Jahren mitlesen und endlich einem neuen Account ist das hier mein erster Post. Ich bin jetzt irgendwo im ausklingenden Anfang meiner Vierziger und regelmäßige Neuanschaffungen von Parfums wurden in letzter Zeit, seit kurz vor Corona, eine geldraubende, aber alle Sinne belebende Beschäftigung.

Vert Fougère ist ein Duft, dem ich mich sehr verbunden fühle. Ich nehme ihn selbst stark wahr, aber es ist kein nur aufgetragener Duft, eher etwas, das mich ziemlich genau ergänzt und, naja, widerspiegelt. Von dort ausgehend suche ich nun irgendetwas verwandtes, aber mit einer Fougere-Quer-Recherche und dem Herumstreifen durch lose Vergleiche, bin ich immer noch nicht so richtig am Ziel. Ich suche eher etwas aus dem von mir damit verbundenen assoziativen Bereich. Holzig, harzig, medizinisch darf es sein, aber auch cremig. Die Sache liegt irgendwie tiefer und ich versuche im folgenden die Hintergründe meiner Duftinteressen zu erörtern:

Lest diesen Text gern als ausführliche Vorstellung eines Parfumo-Neulings Wink

Gerüche waren mir immer schon wichtig, als Auslöser und Speicher von inneren Zuständen, als Eindrücke der äußeren Umwelt, als weites Assoziationsfeld. Ich liebte als Kind den Geruch der Lindenblätter auf den vom Regen nassen Nebenstraßen im Dorf, den Duft der von der Sommerhitze weich gewordenen Teerblasen in den Fugen des Asphalts, den Geruch von Popcorn, Zigarettenrauch und altem Textil in Kinofoyers damals, auch irgendwie die krude Mischung aus Pappmaschee, Turnhalle und Kleinkunst, die ich als Kind auf von meinen Eltern und Freunden veranstalteten Puppentheatervorführungen im halbprivaten Kreis vernahm (es waren die Jahre der ausklingenden DDR).

Wenn ich all sowas heute rieche, ruft es sehr konkrete Erinnerungen an Kindheit und Jugend hervor. Aber auch im Älterwerden binden sich Erinnerungen und Zeiten immer wieder an bestimmte, neu in mein Leben gekommene Gerüche. Ebenso auch Lichtstimmungen und Klangwelten. Es sind weniger die Dinge und Sachen, die mein Wesen bestimmen, eher die Umstände und Sinnesreize, in denen sie stattfinden.

Als Gesamteindruck schätzte ich bestimmte Gerüche also immer schon sehr. Heute ist das Nachdenken und Lesen über Gerüche, also auch Parfums, eine Sache, an der ich große Lust, Entdeckungsfreude und Befriedigung im Lernen neuer Aspekte empfinde. Es ist eine Weiterbildung der Sinne und der Reflektionen darüber – wenn ich drüber nachdenke, gab es ähnliche Erweckungsmomente vielleicht zuletzt in der frühen Jugend, als die Musik ein wichtiges Thema geworden war.

In der Jugend trug ich nichts bestimmtes, aber CK Be hatte ich immer auf dem Regal. Es war unaufdringlich, aber doch empfand ich in seiner Sanftheit auch einen Tick Exzentrik – ohne, dass ich da was genaueres hätte drüber sagen können. Ich war kein Hippiekind, aber ich liebte auch die mit diesen Szenen assoziierten Gerüche: Patchouli, Räucherstäbchen, Rauch, Vanille – aber vieles war mir auf Dauer zu schwer und zu süß.

Und vor einigen Jahren – das ist vielleicht ein Bruch in der Erzählung jetzt – war ich dann bei Blenheim Bouquet Eau de Toilette gelandet. Ich hatte viel von gehört und gelesen, Warhol hatte es getragen usw., und die erste Nase aus einem kleinen Proberöhrchen brachte sofort ein helles, klares, lächelndes „Ja“ in mich und mein Gesicht. Ich verstand sofort, was alle damit meinten, dass es ein eher eindimensionaler, aber eleganter Geruch sei. Seitdem zieht mich vieles in die Richtung solcher britischen Düfte, die einen kleinen Hau in irgendetwas vermeintlich Abseitiges haben.

Die Kiefer/Pinie und der Pfeffer im Blenheim also, all das sprach irgendwas tief vertrautes in mir an. Ich mochte immer schon diesen Sauna-Geruch, den Geruch eines Latschenkieferbadezusatzes, den Salbei im Speick, harziges, holziges, trockenes, ich mag den Geruch von frisch gesägtem Holz, auch etwas rauchiges darf daran sein – und diese Aromen dürfen gern zusammengehen mit einem kleinen Zisch, irgendeiner Art der Säure vielleicht (womit wir beim von mir ebenso geschätzten Grey Flannel Eau de Toilette wären).

Auf der anderen Seite mag ich auch orientalische Noten, hintergründig gourmandiges, aber vor allem holziges, knarziges, wenn es eben nicht allzu buttercreme-süßlich schwer ist. Ich hatte von der Blenheim-Erweckung dann weiter riechend rumprobiert. Das Black Pepper & Sandalwood war irgendwie drollig, der crispe Pfeffer am Anfang machte Spaß und die bonbonwasserartige Synthetiksüße, die unter allem liegt und am Ende nur übrig bleibt, war nach etwas Gewöhnung auch okay – es passte zur vorlauten Exzentrik des Dufts. Auch an meiner Frau riecht es toll.

Und dann war noch das Hammam Bouquet Eau de Toilette. Ich schätzte den Aufbau und Verlauf des Duftes, ich roch ihn gern an irgendwelchen älteren Jacken, es ist ein guter Duft für Nächte unterwegs, fürs Ausgehen in rauchige Bars ebenso, wie für feines, kulturbeflissenes Ambiente. Im Drydown (oder war es gleich zu Beginn?) finde ich das leicht katzenurinartige etwas schwierig, andererseits gehört es aber auch zum Wesen dieses Duftes. Also bin ich in gewisser Weise auch offen für ein bisschen Animalik – wenn sie eher etwas vom Geruch eines Fells oder eine Spur von Civet hat (den gelungenen, wie auch etwas krachmachenden Einsatz davon hatte ich im Explosive Eau de Toilette schätzen gelernt). Vielleicht meine ich mit Animalik auch wieder irgendwas in Richtung hintergründiger Säuerlichkeit – ich bin neu in diesem Metier und es fällt mir immer noch schwer, alles genau zu erriechen und zu beschreiben.

Säure also, ABER: ich mag auch warme, tiefe Düfte. Habit Rouge Eau de Toilette trage ich selten, assoziiere ihn aber, in ferner Verwandtschaft zum Hammam Bouquet Eau de Toilette (als Idee und Eindruck von "rot") mit dem Geruch eines Theaterbesuchs, dem Staub alter Jahre in roten Filzstoffen. Ich rieche darin eher diese trockenen, mürben Komponenten, weniger die Orange, die ja eigentlich auch sehr präsent ist. Auch das Habit Rouge sehe ich als einen wunderbaren Duft für die Kleidung. Auf Jacketkrägen usw. sprühe ich ihn manchmal am Vorabend, damit es mich am nächsten Tag begleitet.

Von Habit Rouge kam ich irgendwie zu Park Royal – erlebte damit einen tollen Spaziergang an einem verregneten, kalten Apriltag durch einen norddeutschen Park, an den kleinen Hängen neben den Wegen Bärlauch sammelnd. Von der selben Parfumerie schätze ich auch Strand. Die Gummihandschuh-Note darin empfinde ich eher als Knete und irgendwo las ich die Assoziation zu Treibholz, was ich treffend finde. Ich habe aber leider nur den Rest einer kleinen Abfüllung davon und finde immerhin irgendwie ähnlich emotionale Wirkungen im No̱ 14 (wenn auch zu flüchtig).

Bis hierhin ist vielleicht schon eine Tendenz erkennbar. Aber ein, zwei mich auf allen Ebenen einnehmende und mich als Menschen tragende Düfte fehlen noch: in weiterer Ausschweifung von Habit Rouge und Park Royal kam ich dann zu Elite Eau de Toilette .

Die leichte Feiner-Opi-Note darin reibt sich manchmal mit einem ansonsten junggebliebenen Äußeren und Inneren, aber ich liebe die einzigartige Mischung aus Bescheidenheit UND Wiedererkennbarkeit des Dufts. Auch hier rieche ich irgendwie Rauch in Sesseln einer alten, natürlich irgendwie britischen Bar (und jetzt kommt ein wilder Vergleich ins Cheapo-Fach: ähnlich anheimelnd, nur eben mit Ananas, empfinde ich Black Water … es hat für mich eine ähnliche Farbe).

Ein paar Tage lang trug ich dann am linken Handgelenk Floris Elite und rechts Park Royal. Ich hatte erst irgendwie beide ähnlich gelagert verortet, als eigensinnige, warme, melancholische Düfte. An meinen Armen jetzt waren sie doch zwei völlig verschiedene Welten. Was sie einte, war das Warme, das Zuhausegefühl, aber das Elite war weit entspannter, in sich ruhender, ja irgendwie auch mit erdender Süße, die mich aber nicht störte. Das Park Royal war natürlich auch ein feinsinnig gebauter Duft, aber ich empfand ihn als launiger, zerrissener, in seiner nelkentrockenen Staubigkeit mir vielleicht näher. Ich konnte mich nicht entscheiden und mittlerweile habe ich natürlich von beiden Flakons im Haus.

Und irgendwie kam ich nach all diesem riechenden Herumreisen am Ende dann zu einem aktuell mit mir sehr räsonierenden Wässerchen: Ein fröhliches Schnüffeln durch nochmal rund zehn Proben aus dem Hause Floris führte mich schließlich zu Vert Fougère. Ich liebe es. Punkt. Aus. Ende. Endlich ein Ich-Duft. Ich trage es nicht oft, habe aber das Gefühl, dass es sehr stark mit mir selbst in Einklang geht – ich nehme den Geruch stark wahr, aber trotzdem ist er mit mir verwachsen. Ich liebe die Cremigkeit im Drydown, aber ich mag auch diese spinnerte medizinische Note darin (ein Schmerzbalsam?), die es gleichermaßen understatement-artig steif, als auch eine kleine Spur laut macht. Irgendwie ist hier – womit wir wieder beim Anfang sind – auch wieder was von Holz und Sauna darin, das mich so berührt.

… und so ging es dann immer weiter. Aktuell probiere ich mich, auf der Suche nach würzigen, günstigen Herbstdüften, durch 18-Euro-Flakons von Emir durch und kann für den Preis nicht meckern: A Walk on Dirt, Camp Fire und Warm Leather werden in Zukunft – vielleicht miteinander gelayert – auch solche Am-Vorabend-auf-den-Jackenkragen-Düfte werden.

Jüngst habe ich Drakon als Blindkauf bestellt und bin noch hin und hergerissen. Irgendwo bei Reddit lobte jemand den grün-holzigen Akkord darin und verglich ihn mit Vert Fougère , was ich ein Stück nachvollziehen kann, aber im Drakon fehlt die Creme, was ihn irgendwie spitzer und damit etwas aufgekratzter, lebendiger macht, was dem melancholischen Grundton, den ich suchte, nicht ganz einfängt.

Naja, was soll ich sagen … falls noch jemand bis hierhin mitgelesen hat: vielen Dank, schöne Grüße, ich finde es wirklich erquickend hier in der Parfumo-Welt. Das Klicken durch Listen, das Lesen von Rezensionen und Statements, das Immer-wieder-ums-Eck-was-Entdecken und die daraus entstehenden Vorfreuden auf Probenlieferungen sind schöne Minuten und Stunden meiner Tage. Es ist toll, wie viele Menschen aus verschiedensten Hintergründen hier zusammenfinden. Ich schätze die schönen Texte und die immer wieder auftauchenden musikalischen Assoziationen. Wenn irgendwo wer was mit einem Song von "The Cure" vergleicht oder irgendwelche Free-Jazz-Referenzen irgendwo anklingen, hat der Juice gute Chancen, auf einer meiner Listen zu landen. Smile

In diesem Sinne: Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

Ich freue mich sehr über Empfehlungen in diesem weiten Spannungsfeld zwischen Blenheim Bouquet Eau de Toilette und Vert Fougère. Es darf waldig-harzige Noten enthalten, Rauch auch, und es kann wie gesagt eine medizinische Note darin sein und / oder ein Twist in eine Richtung, die dem Duft eine vielleicht unerwartete Wärme gibt oder dergestalt aus Gesamteindruck heraustritt, dass es irgendwie mit dem freien Spiel mit Themen und Versatzstücken im Jazz zu assoziieren ist. Vielleicht meine ich auch den etwas abgegriffenen Begriff des dandy-mäßigen, aber eher ist es vielleicht sogar eine Form von feinem Humor. Nur eben als Duft. Smile

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Aufgrund der Länge habe ich deinen Text nur überflogen, aber mir kam New York Intense in den Sinn, den du jedoch schon getestet hast. Vielleicht wäre auch Hepster interessant für dich.
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Moin @Barke !

Ich heiße Dich hier herzlich willkommen und habe Deinen Text komplett gelesen! Finde, das ist eine überaus dufte Vorstellung. Du hast mich zum Nachdenken angeregt.

Nur ist es leider so, dass ich weder Vert Fougère noch Blenheim Bouquet Eau de Toilette kenne. Und mit Jazz kann ich nichts anfangen. Ich sollte besser verschwinden und die Spezialisten antworten lassen. 🤔

Aber andererseits kann ich Dir auch schöne Düfte vorschlagen, die dann eher nicht zwischen diesen beiden liegen, aber aufgrund Deiner Vorlieben zu Dir passen könnten. 😊

Also los, der einzige, den ich mir zur Suche passend, zwischen den beiden Düften, vorstellen könnte, ist 401 - Lavender & Juniper.

Leder finde ich viel bei Dir, hier wäre ein cremiger Lederduft: "Crème Ébène | Nicolaï".

Vetiver magst Du auch. Hier ein schöner Cheapy: Engel Pure. Und hier ein cremiger Vetiver: Ex Vetiver.

Hier zwei Düfte in würzig-grün-holzig: Reserved Black Cedar und 602 Poivre Cèdre Patchouli.

Hier ein fruchtiger Grünling, weil Du Gartennelke magst: Wilde. Feige auf Vetiver.

Es bleibt holzig-würzig und wird erdig mit diesen beiden: Viride und Sacred Mist.

Zum Schluss noch ein Holzduft, der warm, etwas rauchig und auch etwas süß ist: Wild.

Vielleicht reizt Dich irgendeiner zum Testen. Wünsche Dir viel Erfolg bei Deiner Suche! 🍀

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Auch ich kenne weder Vert Fougère noch Blenheim Bouquet Eau de Toilette , auch wenn ich meine Letzteren mal getestet zu haben. Aber ich hab was zum Thema Jazz: Jazz Club und angenehm holzig-würzig Jazz (2011).

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Uiuiui, irgendwas zwischenVert Fougère und Blenheim Bouquet Eau de Toilette also. Eigentlich schon ein wirklich eng begrenzter Bereich.

Nach einem Blick in Deine Sammlung weiß ich, dass Du New York Intense und Eau Sauvage Eau de Toilette schon kennst, das waren meine ersten Assoziationen. Btw, feine klassische Sammlung. 👍🏼 Park Royal kennt auch nicht jeder.

Ich schreib mal lose runter, was mir in dem Spannungsfeld noch in den Sinn kommt und wage mich mal dabei ein wenig nach links und rechts über die Grenzen:

Mousse Illuminée - Fougère Royale (2010) Eau de Parfum - Mal-Aimé - Coriander Eau de Parfum - Tindrer Extrait de Parfum - Eau de Campagne - Erawan Eau de Parfum - (untitled) - Oregano Hooligano - Purple Haze - Duc de Vervins L'Extreme - Lobby Boy - Macaque

Ich glaub', ich könnte noch fortsetzen, aber es soll ja auch nicht überfordern. Bin aus eigenem Interesse gespannt, was hier noch so kommt.

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