Niklas1993
Niklas1993s Blog
Von Parfumo empfohlener Artikel
vor 2 Jahren - 11.12.2021
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Bespoke: Der Weg zum eigenen Duft - ein Erfahrungsbericht

Dies ist mein erster Blogeintrag und ich möchte gleich mit einer besonderen Erfahrung beginnen, nämlich, wie ich zu meinen ersten Bespoke Düften gekommen bin.

Zur Vorgeschichte:

Nach einem nun mehr als drei Jahre andauernden Duft-Marathon stellte sich bei mir nach über 800 getesteten Parfums immer mehr eine Art olfaktorischer Ermüdung ein. Selbst die teuersten und hochwertigsten Düfte konnten mich nicht mehr zufrieden stellen. Irgendwie denkt man, diesen oder jenen Duft, so oder ähnlich irgendwie schon einmal gerochen zu haben. Andererseits störte ich mich auch immer wieder an einer bestimmten Duftnote, die zunächst rief; „kauf mich“, dann aber dazu führte, dass der Duft letztendlich nie vollumfänglich genossen werden konnte. Allzu oft führen solche teuren Parfums dann ein tristes Leben in den Tiefen meines Schrankes.

Natürlich hatte ich schon von Häusern gehört, die Bespoke Parfums anbieten. So möchte Roja Dove für einen nach Kundenwünschen geschaffenen Bespoke Duft mindestens 75.000 Pfund haben. Eine Tasse Tee mit ihm soll in dem Preis jedoch inkludiert sein.

Bei anderen bekannten Herstellern sind die Preise im Vergleich „humaner“, hier kommt man bereits ab einem oberen vierstelligen bis niedrigen fünfstelligen Bereich in den Genuss, eine einzigartige Kreation entwickeln zu lassen.

Es sei noch erwähnt, dass ich bereits einen Bespoke Duft mein Eigen nennen darf. Ich war jedoch mit der Abwicklung, der Betreuung und dem Prozess durch den großen Hersteller nicht zufrieden, auch wenn sich der Duft sehen lassen konnte. Natürlich muss man dazu sagen, dass ein Bespoke Duft immer mit einer finanziellen Aufwendung verbunden ist, die sich Otto Normalverbraucher nicht jede Woche leisten kann. In meinem konkreten Fall habe ich meine Ausgaben für Parfum einfach einmal rückwirkend betrachtet und festgestellt, dass ich bei meinem aktuellen Kaufverhalten „nur“ einige Monate keine Düfte kaufen müsste, um mir einen Bespoke Duft bei einem kleineren Hersteller fertigen zu lassen. Ob das grundsätzlich realisierbar ist, muss natürlich jeder für sich selbst beurteilen.

Heute möchte ich Euch mit meinem Erfahrungsbericht auf die Reise zu meinem zweiten Bespoke-Duft nehmen.

Durch Empfehlung eines geschätzten Parfumos bin ich auf die MGO Duftmanufaktur aufmerksam geworden. Ich kannte bereits einige Düfte aus diesem Hause. Einige haben mir sehr gut gefallen, andere weniger. Dies gab mir die Möglichkeit, mich größtenteils unvoreingenommen auf einen neuen Bespoke Versuch einzulassen.

Da ich bislang nur eine Bespoke-Erfahrung mit einem großen Hersteller aus UK (glücklicherweise vor dem Brexit) gesammelt hatte, war ich umso mehr gespannt, wie sich das Ganze bei dem eigenständigen Parfümeur Georg S. darstellen würde.

Die Aufregung vor dem ersten Telefonat war groß, schließlich wusste ich noch nicht, was mich bei ihm erwarten würde. Zugegeben: Etwas skeptisch war ich schon, da man solch einen Duft ja nicht unbedingt jeden Monat in Auftrag gibt und mein erster Bespoke Duft etwas von schneller Massenabfertigung hatte.

In einem ersten Telefonat haben Georg und ich uns erst einmal kennengelernt. Er sagte mir, dass es wichtig ist, die Person als Ganzes zu betrachten, um einen passenden Duft zu entwickeln. Nach einem regen Austausch haben wir einen Termin in seiner Duftmanufaktur vereinbart.

Das erste Treffen:

Drei Wochen später, an einem Samstag, war es soweit. Vollbepackt mit Düften aus meiner Sammlung und natürlich unparfümiert trat ich die 120 Kilometer lange Reise in seine Duftmanufaktur an, welche sich in dem kleinen Örtchen Dierdorf im Westerwald befindet.

Nachdem ich geparkt hatte, hat mich Georg auch schon voller Freude erwartet und nach einer kurzen Begrüßung in seine „heiligen Hallen“ der Düfte begleitet. Schon im Flur lag eine duftende Aura aus Hölzern, Blüten und orientalischen Kostbarkeiten in der Luft, an die ich mich bis heute noch sehr genau zurückerinnern kann.

Bei einem leckeren Kaffee haben wir uns zunächst noch etwas unterhalten, bis es dann an die Arbeit ging und wir alle meine mitgebrachten Düfte olfaktorisch „auseinandergenommen“ haben.

Hier haben wir nach und nach die Eigenschaften des Duftes herausgearbeitet, die mir persönlich gefallen. Was mich sehr beeindruckt hat ist, dass Georg in vielen Fällen einzelne Duftnoten präzise genau herausriechen konnte. Danach führte er mich an seine Duftorgel und wir haben aus einer Fülle von über 2000 Rohstoffen einige meiner favorisierten Inhaltsstoffe ausfindig gemacht.

In seinem Repertoire sind unter anderem kostbare Rohstoffe aus aller Herren Länder wie Sandelholz, Oud, Safran, Weihrauch, seltene Rosen und so weiter zu finden. Unglaublich viele Absolues, eigene Akkorde, unterschiedlichste Sorten ein und desselben Rohstoffes mit doch so unterschiedlicher Ausprägung. Beeindruckt von der Auswahl der zur Verfügung stehenden Inhaltsstoffen wusste ich allerdings auch gleich, dass ich nicht alles innerhalb meines „Beuteschemas“ an diesem Tag erschnuppern konnte.  (Untenstehend ein Bild von weißem Ambergris in Rohform)

Nachdem wir die Go's und No-Go's in Sachen Inhaltsstoffen abgesprochen hatten, wurde mir bei einer zweiten Tasse Kaffee das weitere Vorgehen erklärt. So sollte ich nach 14 Tagen einen Umschlag mit den ersten Entwürfen meines Duftes erhalten. Wie viele das sein werden, wusste Georg noch nicht, das wäre immer mal anders, sagte er. Abschließend durfte ich noch einen noch nicht veröffentlichten Duft in der Reifungsphase riechen, was für mich ein außergewöhnliches Erlebnis war. (Zwischenzeitlich besuchte ich Georg nochmals und konnte die für den Duft so wichtige Reifezeit aus erster Hand beobachten und sehen, wie sehr sich ein Duft in dieser Zeit verändert.)

Das Warten auf die ersten Ergebnisse und der erste Test:

Wieder zuhause angekommen, begann die Wartezeit. Jeder Gang zum Briefkasten wurde von mir zelebriert und tatsächlich pünktlich zum übernächsten Wochenende war es so weit: Die Entwürfe sind da! Ich wollte den Briefträger am liebsten umarmen, weil ich mich so sehr auf die ersten Ergebnisse gefreut habe.

Nun saß ich daheim vor meinem Wohnzimmertisch, der Umschlag lag vor mir und ich war im Begriff, ihn zu öffnen.

Und da waren sie: Vier Proben mit je 2ml in einem fein säuberlich beschrifteten Glas-Zerstäuber und eine Tabelle, in der die Inhaltsstoffe aufgelistet wurden, damit man genau weiß, über welchen Duft man spricht und was in ihm verarbeitet wurde. (Die Tabelle wurde mir auf Nachfrage bei Georg freundlicherweise zur Verfügung gestellt)

Ich muss zugeben, dass ich alle Düfte nacheinander ausprobiert habe, auch wenn Georg dazu geraten hat, mir Zeit beim Testen zu lassen, um alle Feinheiten genau herausriechen zu können. Zu meiner Verteidigung muss ich anbringen, dass ich die Düfte auf einem Papierstreifen getestet und danach an jedem Tag nur zwei Düfte auf die Haut aufgetragen habe.

Probe 1: ein holzig-würziger Duft mit viel Oud.

Was ist denn das für eine Wuchtbrumme? Der Duft war sehr sehr stark, legte sich nach zwei Minuten auf dem Teststreifen und brachte interessante Noten von gereiftem Sandelholz und Oud hervor. Ich war gespannt, was noch kommen wird.

Probe 2: Süß, viel Zimt, wieder durch feine Hölzer und etwas Frucht unterlegt, mir persönlich zu süß und zimtlastig.

Probe 3: „Oh, ganz lecker, aber irgendetwas stört mich.“

Ich schaute auf die beigefügte Liste und konnte direkt sehen, welche Note mich störte. Es war der Baldrian, der mir etwas zu dominant ausgeprägt war.

Probe 4: DAS. IST. ER!

Ich erinnere mich noch ganz genau, als ich diesen Duft das erste Mal gerochen habe. Es war einfach ein sensationeller Moment. Hochwertiges, natürliches Oud, Safran, Benzoe, Tonkabohne und viele weitere Kostbarkeiten nahezu perfekt miteinander verwoben. (Mehr gebe ich nicht Preis, das ist geheim) :P

„So einfach kann das doch nun wirklich nicht sein, oder?“ dachte ich mir. Natürlich musste ich Probe 4 direkt auf die Haut sprühen und habe danach festgestellt, dass der Prozess doch noch nicht vorbei ist. Der Duftverlauf von Probe 4 war immens spannend und hat im Sekundentakt neue Noten hervorgebracht. Der Drydown war mir jedoch noch ein Dorn im Auge, da der Duft für mein Empfinden zu hölzern anmutete und ich mir gerne einen „schmeichelnderen“ Abgang wünschte.

Die Weiterentwicklung:

Nach ein paar Tagen haben Georg und ich uns für ein weiteres Telefonat verabredet. Hierbei haben wir peinlichst genau über jede Probe gesprochen und uns dazu entschlossen, an zwei der vier Proben weiterzuarbeiten. Natürlich war Probe 4 mit dabei.

Georg hat vorgeschlagen, dass er jeweils verschiedene Anpassungen an den zwei Proben machen und mir diese nach einer kurzen Reifezeit wieder zusenden wird.

Nachdem die Proben angekommen waren, war die Spannung ähnlich groß wie bei der ersten Post. Nun fand ich sechs! Proben vor mir inklusive einer neuen Tabelle mit den Anpassungen zum letzten Mal. Drei Proben der „Probe 3“ und drei Proben der „Probe 4“ lagen nun vor mir.

Etwas ernüchtert war ich nach dem Test der Versionen von Probe 3, da mir die Düfte allesamt nicht gepasst haben. Entweder war es zu süß, zu würzig, oder eine Duftnote, die ich trotz beigefügter Tabelle nicht identifizieren konnte, hat den Duft jeweils für mich durchfallen lassen.

Die Ergebnisse von Probe 4 waren dann glücklicherweise allesamt besser gelungen, sodass wir uns dieses Mal auf zwei Versionen dieses Duftes konzentriert haben und über die Probe 3 Versionen noch einmal kurz unterhalten haben, wieso mir diese nicht zugesagt haben, damit Georg weitere Eindrücke meines Geschmacks kennenlernen konnte.

Zugegebenermaßen hatte ich etwas Angst vor dem Telefonat, schließlich übt man ja nicht gerne Kritik an der Arbeit von Menschen, die viel Mühe und Zeit in solch ein persönliches Projekt stecken, aber diese Angst wurde mir schnell wieder genommen.

„Niklas, es geht um Deinen Duft. Es ist vollkommen in Ordnung, wenn Dir etwas nicht gefällt. Ganz im Gegenteil, es bringt uns einen Schritt weiter in die richtige Richtung. Am Ende geht es darum, dass Du sagst, dass Dein Duft nun vollkommen ist und Du ihn immer mit Freude tragen wirst. Das ist, worauf es ankommt.“

Am Ende des Telefonats hatten wir alle Änderungswünsche abgesprochen und nach insgesamt fünf duftenden Briefen war es dann so weit.

Die Zielgerade:

Probe 4.5 C war angekommen. Und ich kann Euch sagen, es war einer der schönsten Momente in meinem Leben. Ich musste Georg natürlich direkt um einen Anruf bitten, um ihm von den Volltreffer zu berichten.

Ohne Anrede rief ich direkt in mein Handy „Georg, ich glaube wir haben es geschafft!!!“ – „Ich weiß!“ sagte er. Ein paar Monate später sprachen wir noch einmal über die Situation, weil ich seine Aussage in diesem Moment gar nicht verarbeiten konnte. Er war sich bei der letzten Duftpost so sicher, dass es die letzte gewesen sein wird, weil er meinen Geschmack in dieser Zeit so gut kennengelernt hat, dass er wusste, dass der Duft in dieser Version für mich perfekt geworden ist.

Ich konnte merken, wie die Freude am Telefon bei uns beiden aufgrund des gemeinsamen Erfolges bis ins Unermessliche gestiegen ist. Da der Prozess einige Monate in Anspruch genommen hat, baute ich auch eine Art Bindung zu meinem Duft auf. Nach Monaten der Entwicklung, einigen Rückschlägen und tollen duftenden Momenten war es endlich geschafft. Der Duft war fertig. Fast.

Der Duft musste natürlich noch in einer von mir gewünschten Menge angesetzt werden. Es ist selbstverständlich, dass bei solch kostbaren Rohstoffen erst größere Mengen eines Duftes angesetzt werden, wenn die finale Rezeptur steht, alles andere wäre eine Verschwendung.

Zwischenzeitlich erfolgte die Absprache bezüglich des Flakons, des Namens und des Etikettendesigns für den Bespoke Duft. Natürlich muss auch dieser Duft erst einige Zeit in der Kühlung reifen, um das volle Potential auszuschöpfen und den Duft „rund“ zu machen. Ab und an habe ich auch ein Foto erhalten und konnte sehen, wie sich die Farbe im Verlauf der Reifung verändert hat.

Schließlich klingelte ein paar Wochen später DHL und hatte „meine“ Flakons im Schlepptau. Noch etwas unterkühlt vom Transport habe ich nach kurzer Wartezeit die ersten Sprüher aufgetragen und den Moment auf dem Sofa daheim genossen.

Die Reaktionen von Freunden, Familie, Arbeitskollegen und auch von Fremden war enorm positiv, was mich darin bestätigt hat, weitere Bespoke Düfte herstellen zu lassen, um meine „Parfum-Garderobe“ wachsen zu lassen. In der Vergangenheit stieß ich auf der Arbeit größtenteils auf Ablehnung, wenn ich meine Düfte von der Stange aufgetragen habe, aber in diesem Fall kam es sehr gut an, dass der Duft, welcher als Extrait mit maximalem Duftstoffanteil angesetzt wurde, eine extrem lange Haltbarkeit hat, jedoch keine raumfüllende Sillage mit sich bringt, sodass meine Kollegen auf der Arbeit zwar rochen, dass ich im Hause bin, aber durch den Duft nicht erschlagen wurden.

Der Ausblick in die Zukunft: 

Aktuell plane ich einen Sommerduft herstellen zu lassen, was eine größere Herausforderung sein wird, da ich zitrisch-frische Düfte normalerweise nicht so sehr mag und dennoch gerne im Sommer einen erfrischenden Duft genießen möchte. Ob das auch klappt, werde ich sicherlich in ein paar Monaten hier an dieser Stelle berichten. 

Ich hoffe, dass ich Euch die Entwicklung eines Bespoke Duftes etwas näherbringen konnte. Wenn Ihr noch etwas wissen möchtet, könnt Ihr mir gerne schreiben. In diesem Sinne, eine schöne, duftende Vorweihnachtszeit!

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