Skarabäus
Skarabäus’ Blog
vor 9 Monaten - 23.08.2023
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Das Je ne sais Quoi oder Kompetenz ist der allerbeste Duft

Aus gegebenem Anlass wollte ich mal eine Anti-Anekdote aus meinem Arbeitsleben mit Euch teilen, in der es - zumindest am Rande - um Kleidung, Düfte und dergleichen geht ;).

Es begab sich im März 2020, kurz bevor Corona über uns herein brach. Damals arbeitete ich in meinem erlernten Beruf und befand mich ganz am Anfang meiner Spezialisierung (sehr selten und bei vielen äußerst unbeliebt, aber mir macht(e) es Spaß). Noch grün hinter den Ohren, aber stolz wie Bolle wurde ich nach diversen Fortbildungen mit viel Unterstützung des Teams auf ganz große Fälle losgelassen.

Einen Dresscode im eigentlichen Sinn gab/ gibt es in diesem Unternehmen nicht, aber man passt sich ja mit der Zeit seiner Umgebung mehr oder weniger an: dunkle Hosen, Jeans und Röcke ohne Löcher, Schlitze und Gedöns; Hemden und Blusen in zeitlosen Schnitten und Materialien, Lederschuhe, etwas Schmuck - gepflegt, klassisch und ja, auch langweilig. Parfum trug dort auch (fast) jeder - am Wölkchen im Treppenhaus wusste ich, dass Kollegin X oder Kollege Y heute schon früh da ist ;). Da gab es u.a. Gabrielle, La Vie est Belle, Sun EdT, Jil Sander No. 4, Boss - The Scent for Her, Le Bain und Daisy. Bei den Männern war The Ritual of Mehr, Y von YSL und Le Male total beliebt. 

Bei Kontakt mit Menschen (nur nach Termin) machten wir uns auch mal zurecht, um etwas Eindruck zu schinden ;). So mit Anzug/ Kostüm, glänzenden Schuhen und einem Ich-weiß-was-ich-tue-Blick.

Nun war es so, dass ich eigentlich Home-Office hatte, um endlich mal die heißgeliebte *würg* elektronische Organisation zu organisieren (Ich bin ja eher so das Genie, das das selbst geschaffene Chaos überblickt und dirigiert und von Ordnung nicht viel hält...) und mit dem Handwerker, der in der Wohnung den Estrich neu machte, zu kommunizieren bzw. ihn mit Kaffee, Zwiebelmettbrötchen und Kinderriegeln zu versorgen. Leider sabotierte mein Rechner sämtliche Bemühungen. Er hängte sich so oft auf, dass ich ihn am liebsten aufgehängt hätte. Es half alles nichts, ich musste ins Unternehmen und mich dort einloggen. Ich schlug... fuhr meinen Rechner also runter und wollte mich gerade umziehen, da stand ein freudestrahlender Handwerker vor mir und erklärt mir, dass es alles viel schneller als erwartet ging und der Estrich nun gegossen sei, ich ihn aber so 4 - 6 Stunden nicht betreten dürfe. Mich trennten also ca. 7m flüssiger Estrich von meinem Kleiderschrank, unserem Badezimmer und somit von der Optik eines echten Menschen.

Gegen mich sah Ma Flodder also wie 1-Mio-Dollar aus und ich musste das Haus verlassen - mit Asi-Palme auf dem Kopf, ausgebeulter Jogginghose, Adiletten und einem Film-Fan-T-Shirt ('Alien', USCSS Nostromo). Ohne Duft. Nüscht. Da die Wohnung eh nach Kaffee, Zwiebelmettbrötchen, Baustaub und fleißigem Handwerker (Nicht despektierlich! Arbeitende Menschen schwitzen und Schweiß riecht nach Mensch.) duftete, lohnte sich das nicht.

Würde alles schon gutgehen, ich würde einfach mit Überschallgeschwindigkeit durchs Treppenhaus rennen (in Gummischlappen) und mich den ganzen Tag in meinem Büro verstecken, Termine hatte ich ja keine. Zudem mussten meine Kollegen meinen Anblick ertragen, nicht ich.

Es kam, wie es kommen musste: Ich traf eine sehr wichtige Person, deren Anliegen ich seit einiger Zeit betreute, im Foyer des Unternehmens. Also Schultern straffen, lächeln, den Ich-weiß-was-ich-tue-Blick aufsetzen und so tun, also wäre alles völlig normal. Er war spontan vorbei gekommen, da er ein Problem hatte, das ihm Bauchschmerzen bereitete und er sich ganz zeitnah - besser gestern als heute - Hilfe erhoffte. 

Long Story short: Wir klärten das Problem, der Mann war sehr erleichtert und glücklich. Ich sah aus wie eine öffentliche Altkleidersammlung, aber der Mann strahlte mich an wie Kaiserin Sissy.

Ich habe für mein bedauerliches Äußeres und meinen fehlenden Duft nicht einen schrägen oder auch nur verwunderten Blick geerntet. In der ganzen Zeit (gute 2 Stunden) der Problemlösung zählte nur meine sehr spezielle Kompetenz. Ich war Ma Flodder mit 13.000 Volt in der Birne und der Verbissenheit eines Terriers.

Aus Erfahrung kann ich also sagen: Eine 'Alltags-Rüstung' (hier = eine dem Job/ der Arbeit angemessene Kleidung, die emotional stärkt und auch etwas vor den negativen Einflüssen des Arbeitslebens schützt) ist wichtig, wird aber heutzutage auch überschätzt. Ebenso der Duft. Eine schöne Aura um sich herum sorgt dafür, dass man sich selber wohlfühlt, aber er macht aus einem keine(n) Boss Bitch/ Boss Bastard oder CEO.

Aus diesem Grund verließ ich auch an diesem Abend das Unternehmen auch Like a Boss ;) - weil ich jemandes Welt (zumindest ein bisschen) gerettet hatte. In Gummischlappen.

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