SunShine1110
SunShine1110s Blog
vor 14 Tagen - 16.04.2024
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Wie riecht denn jetzt der Duft?

Wie riecht denn jetzt der Duft?

Letzte Woche habe ich meinen ersten Parfumo-Geburtstag gefeiert.
Ich fühle mich hier in der Community sehr wohl und habe großen Spaß beim Entdecken von neuen Düften und Duftrichtungen. Das Schreiben von Rezensionen und Statements ist mittlerweile fast zu einem Hobby geworden, das mich in eine wundervolle Welt entführt, oft aber auch zum Schmunzeln bringt, sowohl beim Lesen eurer kreativen Ergüsse, als auch beim Schreiben meiner eigenen.
Nehmt bitte den folgenden, mit Ironie und Satire gewürzten Blogartikel mit Humor. Vielleicht findet sich der eine oder die andere ja darin wieder... so wie ich! ;-)

Da will man kurz ein Statement zu einem wunderschönen Duft schreiben, über den hier auf Parfumo viel zu wenig gesprochen wird und merkt schnell, dass egal wieviele Abkürzungen man benutzt, das Statement einfach zu lang für ein Statement ist. Hört sich komisch an, ist aber so. Die Sätze haben einfach zu viele Wörter, die Adjektive zu viele Buchstaben.
Einfach nur ein paar Duftnoten nennen will und soll man nicht, denn die sind ja schließlich in der Duftpyramide gelistet.

Also muss es dann wohl doch eine Rezension werden...
Diese sollte allerdings nicht zu kurz sein. Der Duft sollte ausführlich beschrieben werden. Hier sollte man bestenfalls jede Duftnote erwähnen, die man erschnüffelt hat und idealerweise auch, in welcher Intensität man selbige erlebt. Ist die Vanille grün oder eher aus der Backstube? Macht die Meersalz-Vanille-Note den Duft zum Aquaten? Ist die Kombo aus Myrrhe, Minze und Salbei in der Kopfnote mit Bibergeil im Herzen wirklich so eine gute Idee, oder gibt mir das Dentagard-Vibes? Riecht hier sonst noch jemand Kaffee, obwohl dieser nicht gelistet ist?

Auch der Duftverlauf, wenn vorhanden, sollte genau beschrieben werden. Wie lange musste die Froschreinigernote ertragen werden? Wann genau kam die guatemaltekische Tonkabohne ins Spiel? Und wann fing der Pfirsich-Karamell-Sahne-Akkord an, nervig und penetrant zu werden?

Dann sollte man noch etwas zu Haltbarkeit und Sillage schreiben, aber dabei bloß nicht das Wort *Beastmode* verwenden. Eine genaue Zeitangabe wäre hier zielführender, denn dann können andere Parfumos/Parfumas sich genau ausrechnen, ob der Duft im nächsten Meeting noch im Raum präsent, oder nur noch hautnah wahrnehmbar ist.
Wenn das Parfüm als *Freshie* bezeichnet wird, sollte man unbedingt darauf hinweisen, dass die Haltbarkeit nie länger als 1 Stunde ist und wenn doch, sollte dies explizit erwähnt werden.
Kann man den Duft oversprayen, obwohl er ein Freshie ist? Nein, niemals...! 

Lohnt es sich, den Flakon zu kaufen, oder reicht evtl. auch eine Abfüllung? Auch diese Frage sollte in einer Rezension beantwortet werden. Ist der Duft ein Cheapie und wenn ja, riecht er trotzdem teuer? Sind es evtl. sogar Old Money-Vibes? Lohnt sich ein Kauf, auch wenn 50ml über 500€ kosten? Und lohnt sich der Kauf auch dann, wenn man dafür einen Kredit aufnehmen muss? Gibt es Dupes oder preiswertere Alternativen aus der Drogerie?

Eigentlich wäre man jetzt fertig... wenn es nicht noch so viele andere wichtige und nennenswerte Informationen zu dem gerade erlebten Dufttest gäbe...
Ist der Flakon hübsch oder kitschig?
Liegt er gut in der Hand? Wie wertig ist der Deckel? Wie fein ist der Sprühnebel? Wurde der Duft reformuliert? 

Dass man mit dem Duft reihenweise Frauen/Kerle abschleppen wird, sollte man lieber nicht erwähnen, ebenso wie die Tatsache, dass der Duft ein Blindkauf, oder noch schlimmer ein Blindbuy war.
Kaufempfehlungen aussprechen? Bloß nicht...!
Statt dessen soll man lieber Empfehlungen geben, wo (Ort/Anlass) und wann (Jahreszeit/Tageszeit/Uhrzeit) man einen Duft tragen sollte, nicht aber wer (Geschlecht/Alter) den Duft tragen sollte.
Bezüglich Ort und Anlass Zeit sollte man folgende Regeln beachten:
Regel Nr. 1:
Angels' Share und alle seine Dupes sollte z.B. niemals Ostern getragen werden, sondern Weihnachten, bestenfalls Heiligabend und alle Jahre wieder. Ab 1. Advent bis 26.12. darf es gerne mal boozy und gourmandig zugehen mit Bratapfel, Zimt und Zucker, der ansonsten das ganze Jahr über verpönt ist.
Ostern hingegen ist die Zeit für zarte, frische Frühlingsdüfte. Zeit für die Narciso Rodriguez Brüder und die 3 Delina Schwestern. Zeit, die blumigen Teedüfte wieder aus der hinteren Reihe des weißen Billi-Regals zu holen. Wulong Cha, Sakura, Green Tea, Assam of India...            5 Minuten ziehen lassen, jetzt kann der Osterhase kommen...
Regel Nr. 2:
Montale-Düfte trägt man nicht im Büro, weder Intense Café, noch Ristretto Intense Cafe - auch nicht, wenn hier viel Kaffee getrunken wird - und schon gar nicht Arabians Tonka. Die typische Montale-DNA schlägt nämlich vielen Kolleg*innen auf den Magen, führt gerne mal zu Kopfschmerzen, löst sogar schlimmstenfalls Migräne aus, oder wird mit Haarspray verwechselt.
Im Büro trägt man Cleangirl-Düfte mit weißen Blüten, weißem Moschus und weißem Riesen. Hier solltet man riechen wie frisch aus der Trommel oder frisch aus dem Bettlaken... außer man ist der Boss. Dann nimmt man natürlich keinen Bettwäscheduft, denn man will selbstbewusst wirken und wahrgenommen werden. Hier sollte man eher in Richtung Creed, Amouage oder Roja gehen.
Regel Nr. 3:
Wenn man im Krankenhaus, oder in einer Arztpraxis arbeitet, trägt man niemals einen Duft, der Patient*innen stören könnte. Welche Düfte das genau sind, die Patient*innen verärgern, ist bisher noch nicht erforscht. Aber wenn man als medizinisches Personal Beifall erhaschen möchte, dann trägt man am besten Not a Perfume von JHAG oder einen der Moleküldüfte von Zarkoperfume.
Regel Nr. 4:
Für Hochzeiten und Todesfälle gibt es Sonderregelungen. Hier sollte sicherheitshalber im Forum ein neuer Thread eröffnet werden mit der Frage: "Welchen Duft würdet ihr zur Hochzeit mit dem Motto *Märchenhochzeit im Schloss Neuschwanstein* tragen?" oder "Darf man auf einer Beerdigung ein Parfüm tragen und wenn ja, welches?"
Regel Nr. 5:
Wenn man im Leben/Job ernst genommen werden möchte, dann darf man keinen Celebrity-Duft tragen. Celebrity-Düfte sind nichts für Menschen, die fest im Leben stehen und sollten, wenn überhaupt nur bis zum 25. Lebensjahr getragen werden. Also, auch wenn du in der Chefetage auf Wolke 7 sitzt, ist Cloud von Ariana Grande keine Option dür dich!
Regel Nr. 6:
Bei NPC Düften sollte, solange sie noch rezensiert werden dürfen und es hier noch keine Obergrenze gibt, unbedingt angemerkt werden, dass man diese in größeren Städten ab 100.000 Einwohner*innen nicht mehr tragen sollte. Baccarat Rouge, Erba Pura oder Aventus in Köln? Seid ihr von allen guten Geistern verlassen? Den Duft riecht man doch da an jeder Straßenecke... Aber auch bei anderen Düften, die bei weitem nicht so oft geduped werden, sollte man vorsichtig sein, wenn man unique rüberkommen möchte.
Sogar mit Guidance oder dem Amber Star wird's in Düsseldorf, Frankfurt oder München schon schwer, nicht im Mainstream unterzugehen.
Und Designerdüfte, wie Stronger with you, Sauvage, oder Libre sollte man, wenn überhaupt nur noch in ländlichen Gegenden zur jährlichen Dorfkirmes tragen.

Nachdem der Duftverlauf, die Noten und der passende Anlass in epischer Breite beschrieben wurden, ist es nun an der Zeit ganz vorsichtig und dezent darauf hinzuweisen, ob der rezensierte Duft eher in die feminine, oder in die maskuline Richtung tendiert und für welche Altersklasse er geeignet ist.
Aber auch hier gibt es klare Regeln...
Regel Nr. 1:
Erwähne niemals das Wort *Oma/Opa/Mutti*, denn das könnte evtl. dazu führen, dass jemand sein geliebtes Vintage Chanel Nr.5 in die Tonne kloppt, weil er oder sie denkt, dass er oder sie zu jung dafür ist, oder zu alt rüberkommt. Es könnte auch vorkommen, dass deine mit Liebe verfasste Rezension einfach gelöscht wird.
Regel Nr. 2:
Weise sicherheitshalber nochmal darauf hin, dass auch wenn der Duft eher in die maskuline oder feminine Richtung geht, er natürlich trotzdem unisex ist und von jedem Geschlecht getragen werden kann.

Eigentlich wäre es an der Zeit, die Rezension zu beenden, aber um die Leser*innen noch mehr zu fesseln, sollte man die Rezension mit ein paar Emotionen schmücken. Auch die ein oder andere Anekdote, die man im Zusammenhang mit Duft erlebt hat, wäre perfekt, um jemandem das Dufterlebnis zu beschreiben.
Wann hat man den Duft zum ersten Mal getragen? Erinnert er an eine vergangene Liebe oder die schreckliche Mathelehrerin?
Gibt er einem Italian Vibes aufgrund der Pizzagewürznoten im Auftakt? Wurde man beim Kauf vielleicht schlecht behandelt oder beraten? Wie lange dauerte die Anfahrt zur Parfümerie und was hat man auf dem Weg dorthin erlebt? Welches Outfit sollte man zu dem Duft tragen? Hat man den Duft vielleicht ersoukt und dabei seine große Liebe gefunden? Hat man für den Duft Komplimente bekommen und wenn ja, wie viele und von wem? Waren es Bekannte oder Fremde? Sind sie einem auf der Straße nachgelaufen? Wie viele Sprüher musste man dafür opfern?
Kann man den Duft layern und wenn ja, mit welchem anderen Duft?

Beim Rezensieren stehen einem alle Möglichkeiten und Ausdrucksformen offen, außer man verwendet KI.
Gerne kann man die Duftrezension in Form eines expressionistischen / impressionistischen Gedichts oder einer Ballade in epischer Breite schreiben. Oder man bringt einfach seine ersten Eindrücke zu Papier, besser gesagt zum Smartphone. Hier eine kleine Impression:
Knisterndes Lagerfeuer im Adlerholzwald. Jemand röstet Marshmallows über dem Feuer. Der kleine plätschernde Bach in der Nähe spendet Frische, Feuchtigkeit und Geborgenheit. Weit entfernt fällt eine Kokosnuss vom Baum und erinnert an die letzte Reise in exotische, ferne Länder. Der Wind weht ein paar Basilikumblätter herüber. In einer einer nahe gelegenen Sandelholzhütte werden von einer alten Dame Vanillekipferl gebacken. Ihre Haare erinnern an Safranfäden. Der Ruf eines Moschusochsen bringt mich zurück in die Realität...
Gerade, wenn man den Duft eigentlich gar nicht so gut beschreiben kann, weil man ja ursprünglich nur ein Statement schreiben wollte, ist dies das beste Stilmittel, um die Leser*innen zu verwirren.
Diese fragen sich nämlich spätenstens jetzt:


Wie riecht denn jetzt der Duft?

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