Woodpecker
Woodpeckers Blog
vor 5 Jahren - 19.08.2020
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Hautchemie - Kommentar zu Ronins 2012er Artikel

Wir diskutieren hier seit einer Ewigkeit einen Begriff, den wir jedoch nie wirklich definiert haben. Was meinen wir mit "Hautchemie"? Der Begriff suggeriert zunächst, auf der Haut fänden chemische Reaktionen mit den Komponenten der Düfte statt und beeinflussten damit den Dufteindruck. Das können wir tatsächlich ziemlich sicher ausschließen. Aber das wäre auch eine zu enge Interpretation des Begriffes "Chemie". Der in Ronins Artikel sehr schön dargelegte Einfluss des Dampfdrucks ist schließlich auch ein Phänomen aus dem Bereich der Chemie. Und wie gerne verwendet man den erweiterten Begriff "Chemie" für ein Zusammenspiel, dessen Gründe nicht näher bekannt sind: "Die Chemie stimmt" (oder auch nicht). Insofern passt der Begriff Chemie sogar ganz gut für die mannigfaltigen und sicherlich nie gänzlich erklärbaren Unterschiede der Duftwahrnehmung. Und mit Chemie geht es natürlich auch weiter, wenn die Duftstoffe unsere Nase erreicht haben.

Was in "Hautchemie" also eher stört, ist die Haut. Die sehr komplexen Gründe für jene Unterschiede allein in der Haut zu suchen, greift zu kurz. Das macht schon allein eine Betrachtung der Systeme deutlich: Was ist wohl komplexer und damit variationsreicher: Die Mechanismen der Verdunstung von Stoffen oder deren Verarbeitung im Hirn, sobald sie von unserem Rezeptoren wahrgenommen wurden? Was auf der Haut passiert, können wir noch ganz gut beschreiben. Sobald unsere Wahrnehmung ins Spiel kommt wird es hoch komplex.

Die Erkenntnistheorie kämpft seit Jahrhunderten mit unserer Überschätztung der Objektivität unserer Wahrnehmung. Ich denke, unsere Hautchemie-Diskussion ist teilweise ein Schauplatz dieses Kampfes. Wir möchten unseren Sinnen "trauen" und schieben Ungenauigkeiten gerne auf unterschiedliche Hauttypen oder alles mögliche andere, Hauptsache es ist nicht in unseren Köpfen.

Ja, es ist viel Chemie, aber eben nur ein wenig Haut.

4 Antworten
ExUserExUser vor 3 Jahren
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Für mich halt auch eine Diskussion, die sich bis ans Lebensende im Kreise drehen wird.
Nun kann die Wissenschaft auf der einen Seite erläutern, warum Hautchemie Schwachsinn ist. Oder aber die Wissenschaft teilt uns mit, dass es durchaus bestimmte Prozesse auf unserer Haut gibt, die einen Duft verändern.
Am Ende des Tages fehlt es an messbaren Ergebnissen. Und die können nunmal nicht erzielt werden. Denn es gibt keinen "Duftmesser". Die einzigen Duftmesser sind unsere Nasen - und mit diesen können wir immer nur ein subjektives Empfinden wiedergeben.
Und soll ich euch was sagen? Das ist auch gut so!!
ChemikusChemikus vor 2 Jahren
das ist schon ziemlich objektiv nachzuvollziehen: gestern abend 1 Sprüher Acqua di Parma (Bergamotto die Calabria) auf 1 Tempo gegeben, riecht jetzt nach 24 Std noch fast genauso, nur die Limette und das leichtflüchtige Citral fehlen. Auf meiner Haut wird der Geruch nach 3-4 Std relativ süß-feminin von der Basis. Auch andere Gerüche mit natürlichen Inhaltsstoffen (Apfel-Ester) sind auf der Haut schnell weg. Die Hautoberfläche enthält zahlreiche Enzyme wie z.b. Esterasen die auch Duftstoffe abbauen, dieses Wissen ist schon uralt, man lese z.b. hier:
https://link.springer.com/article/10.1007/BF00488328
Dazu kommen die lebenden Bakterien und Pilze, die mittels aktivem Metabolismus auch eingreifen könnten. Viele Duftstoffe sind Aldehyde, Ketone, Alkohole, Ester. All das wird sehr leicht von Mikroorganismen umgewandelt/abgebaut. Aldehyde können z.b. sehr schnell zur Säure oxidiert werden.
Neulich erst getestet, reines Jasmin+Rosenöl auf die Haut aufgetragen - nach 1 Std. krautiger Gammel.
YataganYatagan vor 5 Jahren
Ein guter Impuls, hier leider etwas untergegangen. Er hätte mehr Leser*innen verdient.
FinestineFinestine vor 5 Jahren
Hi Woodpecker, danke für diesen anregenden Beitrag zu einer manchmal leidlichen Diskussion. Ja, scheint schwer zu sein, sich einzugestehen, dass wir alle letztlich doch auf unsere Subjektivität zurückgeworfen sind und die manchmal instabiler und undurchdringbarer ist als eine transparente Flüssigkeit in einem Glasflakon.