Atlântico 19-69 2025

Die Sonne ist noch nicht aufgegangen. Das Licht hat die Farbe von nassem Schiefer, und die Luft riecht nach Salz, Tang und kaltem Stein. Ich stehe barfuß im Sand, der noch feucht ist von der Nacht. Hinter mir: die dunkle Silhouette einer Felswand. Vor mir: das beharrliche Atmen des Atlantiks.

Ich sprühe Atlântico auf. Der Wind greift den Duft sofort auf, zerreißt ihn, verteilt ihn in Böen. Es beginnt mit Zitrone, aber nicht wie im Süden, sondern karg, fast schneidend, wie das erste Tageslicht auf nasser Haut. Bergamotte folgt, herb und grün, mehr Pflanze als Frucht. Rosa Pfeffer setzt einen Akzent, der fast wie Treibholz riecht - rundgeschliffen und trocken.

Ich gehe ein paar Schritte weiter. Das Wasser zieht sich zurück, nur um Sekunden später höher und stärker zurückzukehren. Calone, Melonal, Gras, Nessel, es ist kein Garten, es ist ein Dünenmeer. Wild, ohne Pfade. Die Luft wird dichter, mineralischer. Passionsfrucht blitzt kurz auf wie ein ferner Sonnenstrahl zwischen Wolkenbänken - dann ist sie wieder weg.

Galbanum schiebt sich durch das Bild, dunkelgrün und harzig. Der Ozean riecht jetzt ernst. Nicht wie ein Ferienversprechen, sondern wie etwas Uraltes. Die Rose ist da, aber sie wächst nicht, sondern ruht, verwittert.

Weihrauch steigt auf, nicht heilig, eher geerdet. Ambroxan legt sich wie ein Schleier über die Felsen. Moschus mischt sich in die Gischt. Styrax und Cashmeran machen den Wind weicher.

Atlântico ist wie eine Landschaft, durch die man mit dem Gefühl geht, dass etwas größer ist als man selbst. Und dass es gut ist, daran erinnert zu werden.